[256] 1.
Schlaff / du Edle Seelen-Ruh /
schließ die Herzen-Liechter zu!
komm / mein Joseph / hilff mir wiegen
mein und aller Welt vergnügen!
ich hab' in den Armen hie /
den die Welt beschlosse nie.
In dem Herzen / in der Krippen /
mit den Händen / Sinn und Lippen /
wieg ich dich /
sänfftiglich.
Schlaff du süsse Seelen-Ruh /
schließ die Herzen Liechter zu!
2.
Schlaff du stille Seelen-Ruh /
schließ die Herzen-Liechter zu!
Du / dem sonst der Engel Säiten
eine Music zubereiten /
den der Himmel süsse Zier
lobt und ehret für und für.[257]
Laß mein Herz-ergossnes singen
wol in deinen Ohren klingen /
schönstes Kind /
schlaff geschwind /
schlaff du Edle Seelen Ruh /
schließ die Hertzen Liechter zu!
3.
Schlaff du stille Seelen-Ruh /
schließ die Herzen-Liechter zu!
schlaff du meiner Keuschheit Krone /
Gottes und der Engel Wonne!
schlaff mein Kind! mein Vatter schlaff /
und uns allen Ruh verschaff.
auch im Schlaff er vor uns wachet /
unsre Wolfart blühen machet /
mit Begier
für und für.
schlaff du sanffte Seelen-Ruh /
schließ die Herzen-Liechter zu!
4.
Schlaff du süsse Seelen-Ruh /
schließ die Herzen-Liechter zu!
helle Sonn / laß dir gefallen /
einzuhalten deine Strahlen.[258]
Kommt die Zeit / so wird der Blitz /
deiner Gottheit Macht und Hitz
alle Welt mit Glanz erfüllen /
nach bestimmtem Gottes willen.
Engel / singt /
spielt und klingt:
schlaff du holde Seelen-Ruh /
schließ die Herzen-Liechter zu!
5.
Jetzt schläfft unsre Seelen-Ruh /
schliest die Herzen-Liechter zu.
Doch sein Herz bleibt ewig offen /
wer nur fäst in ihn kan hoffen.
Der den Tod zum Schlaff gemacht /
und vor unser Glück stäts wacht /
der das Glücke schlaffend gibet
seinen Freunden / die er liebet;
schläfft ietzund:
daß er kund
werden unsre Seelen-Ruh /
schliesset er die Augen zu.
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
|
Buchempfehlung
Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.
78 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro