8. Auch auf das H. Leiden Christi

[270] 1.

Greiff-betrachter Wunder-Raht!

wer kan ihn recht ausdenken:

O Gott-allein nur- eigne That!

den ärgsten Feinden schenken /

sein einig Herz-geliebtes Kind:

zu tilgen aller Menschen Sünd;

auch zu erleiden Hohn und Spott /

ja gar den tod;

uns zu erlösen aus der Noht.


2.

Der alle Welt mit seinem Wort

erschaffen und regieret /

der Heiligkeit und Tugend Hort /

gefänglich wird geführet /

ja der der Erden Heil gesucht /

wird von-und auf ihr selbst verflucht /

der allerheiligst Gottes Sohn /

den Himmels Thron

verließ / und litte Schmach und Hohn.
[271]

3.

Den aller Engel Heer umgab' /

auch Cherubin anbeten /

der so mit seiner Allmacht Stab

kond' Israel erretten /

der alles kan / was er nur will:

steht wie ein Lämblein stät und still /

als ihm die böse Rott bekriegt

und falsch an ligt.

Erbschweigend' und besieget siegt.


4.

Der alle König' eingesetzt /

ja der mit Himmels Kronen

von seinem Vatter wird ergetzt /

der Herrscher über Thronen /

wird von den Motten hie verlacht

und von den Thoren ganz veracht.

Der Warheit Mund man glaubet nicht.

Das Urtheil spricht:

die Heiligkeit werd' hingericht!


5.

Die Hand / so auch den Himmel hat

umspannet und getragen /

wird von der Rott (O Frefel That!)

mit Nägeln angeschlagen.[272]

Die Füsse / so die Tugend-Bahn

nur giengen / man auch nagelt an /

diß nicht genug; sein Haupt man stach /

O Schmerz! ach! ach!

mit Dornen / daß das Blut herbrach.


6.

Es hänget an dem Creutzes-Stamm

ganz blutig / voller Striemen /

das unbefleckte Gottes-Lamm:

ach last uns das hoch rühmen!

sein Tod / uns ewiglich belebt.

Sein neigend Haupt / uns all' erhebt.

Des Herzens Blut-Brunn öffnet sich /

im Seiten Stich.

O Herr! wer dankt dir würdiglich?


Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 270-273.
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