Das vermehrte verlangen

[38] Gleichwie der Wind sich pflegt gemählig anzufangen /

und mehrt sich mehr und mehr / biß er mit großem Schall

die dicken Büsch durchdringt und brauset überall /

weil immer fort mehr Dämpf' und Lüfft' ihm zugegangen:

Also vermehrt sich auch / Herr Jesu / mein verlangen

nach dir / dieweil es mehrt der Gnaden-starke Schwall /

der im Gedächtnuß fand den Lobes-Widerhall /

daß aus dem Vorzug sie der hell-erklingung rangen.

zu Zeiten bringt der Wind auch Regens Fruchtbarkeit:

ingleichen Gottes Gnad / der Amteswerk gedeyen.

bißweilen würket er die Sonnenklare Zeit:

wie diese uns auch kan herzinniglich erfreuen.

der Wind hat in dem Wald nie so viel Laub bewegt /

als Gottes Gnad' in mir hat Hoffnungs-Trost erregt.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 38-39.
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