Christliche Abend-Gedanken

[243] Der Sonnen Purpur-Flamm' ist in das Wasser gangen:

des Höchsten Gnaden- Liecht ist noch in vollem Schein;

es bleibt / nicht nur wann Sonn' und Tag' hinunter seyn /

besonder ewiglich pflegt es uns zu umfangen.

O klarer Seelen Glanz! laß mich mit dir auch prangen /

wann Sternen / Sonn' und Mond / Erd / Himmel / fället ein

am Ewig-Jüngsten Tag / bewahrt vor aller Pein:

dann laß in deinem Liecht / mein Antlitz / Liecht erlangen.

Es hat das Sternen-Feld nicht so viel Schimmer-blick /

als Gottes Vorsicht Aug' vor uns Erhaltungs-Sorgen.

In deinem Schutzgezelt / vor ganzer Welt voll Tück /

lebt man gesichert frey / ohn' alle Sorg / verborgen.

Dein' Allmacht-Hand regirt / auch schlaffend / unser Glück.

Die Gnad bleibt ewiglich / wird neu noch alle Morgen.

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 243-244.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte
Geistliche Sonnette, Lieder und Gedichte