Uber das kleine wolbekandte Blümlein: Vergiß mein nicht

[238] Schönes Blümlein! deine Farbe / zeigt des Höchsten Hoheit an /

als spräch sie: vergiß mein nicht / du / dem also hoch beliebet

dieser Erden Eitelkeit / die doch endlich nur betrübet.

Wisse / daß man / meiner denkend / wol vergnüget leben kan.

Von dir kleinem Sitten-Lehrer lern' Geheimnus jederman.

Deiner Blätlein fünffte Zahl / in mir die Gedächtnus übet

ihre fünff ergebne Sinn / und sie durch betrachten schiebet

in die fünff hochwehrten Wunden / welche unsre Lebens-Bahn.

Deines Krauts und Stängels grün lehret / daß wir hoffen sollen /

Gott werd' unser nicht vergessen / ob wir wol auf Erden seyn /

unter manchem Creutz und Vnglück / werd auch bald zu sich uns holen.

Ach vergiß mein nicht / O Schöpffer! deine Hülf' auch mir erschein'.

Ist doch meiner Hoffnung Safft / her aus deinem Wort gequollen /

in dir liget grosse Weißheit / Blümlein / wärstu noch so klein!

Quelle:
Catharina Regina von Greiffenberg: Geistliche Sonnette, Nürnberg 1662, S. 238.
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