Zum Marienkind. [5] No. 3.

Aehnlichkeit damit hat die Legende von der heil. Ottilie, zumal, wie sie Naubert in ihren Volksmährchen Th. 1. erzählt. Die gründliche Idee von vielen erlaubten und der einen verbotenen Thüre kehrt vielmal und unter verschiedener Einleitung, wie bei der Todtenbraut und dem Blaubart (No. 46 u. 62.) wieder. Eine andere Erzählung ist folgende: der arme Mann, da er seine Kinder nicht ernähren kann, geht in den Wald und will sich erhenken, da kommt eine schwarze Kutsche mit vier schwarzen Pferden und eine schöne schwarzgekleidete Jungfrau steig: aus und sagt ihm, er werde in einem Busch vor seinem Haus einen Sack mit Geld finden, dafür solle er ihr geben, was im Hause verborgen sey. Der Mann willigt ein, findet das Geld, das verborgene aber ist das Kind im Mutterleib; und wie das geboren ist, kommt die Jungfrau und will es abholen, doch, weil die Mutter so viel bittet, läßt sie es noch bis zum zwölften Jahr. Da aber führt sie es fort zu einem schwarzen Schloß, alles ist prächtig darin, es darf an alle Orte hin, nur nicht in eine Kammer. Vier Jahre gehorcht das Mädchen, da kann es der Qual der Neugierde nicht länger widerstehen und guckt durch einen Ritz hinein. Es sieht vier schwarze Jungfrauen, die, in Bücherlesen vertieft, in dem Augenblick zu erschrecken scheinen, seine Pflegemutter aber kommt heraus und sagt: »ich muß dich verstoßen, was willst du am liebsten verlieren?« – »Die Sprache,« antwortete das Mädchen. Da schlägt sie ihm auf den Mund, daß das Blut hervor quillt, und treibt es fort. Es muß unter einem Baum übernachten, da findet es am Morgen der Königssohn, führt es mit sich fort und vermählt sich, gegen seiner Mutter Willen, mit der stammen Schönheit. Als das erste Kind zur Welt kommt, nimmt es die[5] böse Schwiegermutter, wirft es ins Wasser, bespritzt die kranke Königin mit Blut und giebt vor, sie habe ihr eigen Kind gefressen. So geht es noch zweimal, da soll die Unschuldige, die sich nicht vertheidigen kann, verbrannt werden. Schon steht sie in dem Feuer, da kommt der schwarze Wagen, die Jungfrau tritt heraus, sie geht in die Flammen, die sich gleich niederlegen und auslöschen, hin zu der Königin, schlägt ihr auf den Mund und giebt ihr damit die Sprache wieder. Die drei andern Jungfrauen bringen die drei Kinder, aus dem Wasser gerettet; der Verrath kommt an den Tag, und die böse Schwiegermutter wird in ein Faß gethan, das ist mit Schlangen und giftigen Nattern ausgeschlagen und einen Berg herabgerollt.


auch im Pentamerone IV, 6. (le tre corune) schließt Marchetta die verbotene Cammer der Orca auf und wird darum von ihr ausgestoßen.

Quelle:
Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen. 2 Bände, Band 1, Berlin 1812/15, S. V5-VI6.
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