Das XIV. Kapitel.

Erzählet Springinsfeld ferner Glück und Unglück.

[169] »Bei diesem Corpo genosse ich des Pappenheimers Glückseligkeit, der nach diesem glücklichen Streich in Westfalen herumfuhr wie eine Windsbraut; und das war ein Leben vor mich, dergleichen ich mir vorlängst eins gewünscht hatte. Als er die Städte Lengau, Herfort, Bielefeld und andere um Geld schätzte, bestahl ich hingegen da und dort die Dörfer und Bauren auf dem Land; als wir aber Paderborn einnahmen, setzte es bei mir zwar keine Beut; aber da wir den Bannier mit seinen vier Regimentern überfielen und Herzog Georg von Lüneburg butzten, folgte das Glück meiner gewohnlichen Verwegenheit und schaffte mir desto mehr Raubs. Vor Stade, allwo wir den schwedischen General Tott hinwegschlugen und es allerdings machten wie hiebevor zu Magdeburg, bekam ich einen Rittmeister gefangen und mit demselbigen ein güldene Kette von 300 Dukaten; darneben brachten ich und mein Knecht so viel Pferde zusammen, daß ich mich gar wohl vor einen Roßhändler hätte ausgeben dörfen; und dieweil sich mein Geld und Glück zugleich mit vermehrte, fieng ich an zu gedenken, ob ich nicht auch ein Offizier abgeben würde.

Nirgendhin gelangten wir, da wir nit siegten und Ehr einlegten, außer daß wir die Holländer aus ihren Schanzen vor Mastricht nicht schlagen konnten. Den Hessen und den Bavadis berupften wir gleichsam, wie wir wollten, und den Lüneburger, der Wolfenbüttel einzunehmen sich bemühete, lehreten wir einen Sprung, daß er sich selbst unter das braunschweigische Geschütz in Schutz geben müßte. Nachdem wir aber Hildesheim bezwungen, eilete unser Pappenheimer zu dem Wallensteiner und künftiger Schlacht vor Lützen wie zu einer Hochzeit, in welcher aber beiderseits allertapferste Helden und berühmteste Generalen ihrer Zeit gleichsam mitten in ihrem Glückslauf anstatt der Lorbeerkränze mit Myrrhen und Rauten bekrönet worden.

Nachdem nun daselbsten der große Gustavus Adolphus und unser berühmter Pappenheimer, beide ritterlich streitend, ihr Leben zu einer Zeit in einem Flügel gelassen, wie dann der Graf kaum eine viertel oder halbe Stund länger als der König gelebt haben soll, siehe, da erhub sich allererst die wütende Grausamkeit beiderseits fechtender Soldaten. Jedwedere Seite stund vor sich selbst so fest als eine unbewegliche Maur, und was von der Battalia tod niederfiele, machte mit den entseeleten Körpern seiner standhaften Partei eine Brustwehr bis[170] an den Nabel, gleichsam als wann selbige Walstatt, um weilen sie mit zweier so tapferer Helden martialischen Blut angefeuchtet worden, eine sonderbare Kraft und Würkung empfangen, beides, die auf sich habende Tote und Lebendige, zu demjenigen anzufrischen und zu entzünden, was ein rechtschaffner Soldat in dergleichen Okkasionen zu leisten schuldig, maßen beide Teil in solcher Beständigkeit verharrten, bis die stockfinstere Nacht den übrigverbliebenen abgematteten Rest selbiger streitbaren Kriegsheer voneinander sonderte.

Wir giengen noch dieselbige Nacht gegen Leipzig und folgends in Böhmen wie die Flüchtlinge, unangesehen unser Gegenteil die Kräfte nit hatte, uns zu jagen; und da ichs beim Liecht besahe, wurde ich gewahr, daß ich in der Schlacht meinen Knecht und bei der Bagage meinen Jungen samt allem, was ich vermöcht, verloren. Den letztern Schaden zwar hatten mir unsere eigne Völker zugefügt, und demnach solches auch andern mehr widerfahren, als seind von den Tätern auch viel aufgeknüpft worden, wordurch ich gleichwohl das Meinige nicht wiederbekam.

Diese Schlacht und darin erlittener Verlust war nur der Anfang und gleichsam nur ein Omen oder Präludium desjenigen Unglücks, das noch länger bei mir kontinuieren sollte; dann nachdem mich die Altringische erkannten, mußte ich wieder unter demjenigen Regiment ein Dragoner sein, worunter ich mich anfänglich vor einen unterhalten lassen; und solchergestalt hatte nicht allein meine Freireuterschaft ein End, sondern weil ich auch alles verloren außer dem, was ich am Leib darvon gebracht, so war auch die Hoffnung pritsch, ein Offizier zu werden.

In diesem Stand hab ich wie ein redlicher Soldat Memmingen und Kempten einnehmen und den schwedischen Forbus striegeln helfen, in allen diesen dreien Okkasionen aber kein andere Beut als die Pest an Hals bekommen, und zwar allererst, als wir mit dem Wallenstein in Sachsen und Schlesien gangen. Unserer zween von meiner Kompagnie verblieben an dieser abscheulichen Krankheit zuruck, leisteten einander auch in unserm Elend getreue Gesellschaft. Wann ich die erbärmliche Zufäll betrachte, denen ein Soldat unterworfen, so gibt mich wunder, daß dem einen und andern der Lust, in Krieg zu ziehen, nit vergehet. Aber viel ein mehrers verwundert mich, wann ich sehe, daß alte Soldaten, die allerhand Unglück, Leiden und Not ausgestanden, viel erfahren und zum öftern ihrem Verderben kümmerlich entronnen, dannoch den Krieg nicht quittieren, es seie[171] dann, daß er selbst ein Loch gewinne oder ihre Personen nichts mehr taugen, ferners in demselbigen fortzukommen und auszuharren. Nicht weiß ich, was vor eine Art einer sonderbaren unbesonnenen Unsinnigkeit uns behaftet; schätze wohl, es seie eine Art derjenigen Torheit, damit sich die Hofleute schleppen, welche dem Hofleben, darwider sie doch täglich murren, nicht ehender resignieren, als bis sie solches mit ihres Prinzen Ungnad aufgeben müssen, sie wollen oder wollen nicht.

Wir verharreten in einem Städtlein, welches auch mit unserer Kontagion behaftet war, und zwar bei einem Barbierer, der unsers Gelts, gleich wie wir seiner Arzneimittel bedörftig, wiewohl beide Teil desjenigen, so das ander mangelte, wenig übrig hatten; dann der Barbierer war arm, und wir waren nicht reich. Derowegen mußte meine güldene Kette, die ich hiebevor vor Stade erwischt, täglich ein Glaich nach dem andern hergeben, bis wir wieder gesund wurden; und als wir wieder zu reuten getrauten, machten wir sich auf den Weg, uns durch Mähren in Österreich zu begeben, allwo unser Regiment gute Winterquartier genosse.

Aber siehe, kein Unglück allein, wann es anfangt zu wüten. Wir beide Schwach und noch halb Kranke wurden von einer Rott Räuber, die wir mehr vor Bauren als Soldaten [hielten], angegriffen, abgesetzt, bis auf die nackende Haut ausgezogen und noch darzu mit Stößen übel traktiert, und konnten schwerlich unser eigen Leben und vor unsere Kleider etwas von ihren alten Lumpen von ihnen erhalten, uns vor der damaligen grausamen Winterskälte zu beschützen, welches aber nicht viel mehrers tät, als wann wir uns in zerrissene Fischergarn bekleidet gehabt hätten, weil gleichsam Stein und Bein zusammengefroren war. Ich hatte noch etliche Glaich von meiner göldenen Ketten verschluckt; darauf bestund all mein übriger Trost und Hoffnung, aber ich glaub, daß ihnen der Teufel gesagt haben muß, dann sie behielten uns 2 Tag bei ihnen, bis sie solche alle aus dem Exkrement bekommen, und mußte ichs noch vor einen großen Gewinn halten, daß sie mir den Bauch nicht aufgeschnitten, anstatt daß sie uns endlich wieder lebendig von sich ließen. In solchem elenden Zustand, da uns zugleich Gelt, Kleider, Gewöhr, Gesundheit und bequem Wetter zu unserer Reis mangelte, bewegten wir kaum etliche Leute, daß sie uns mit Nachtherberg und einem Stück Brot zu Hülf kamen, und war uns trefflich gesund, daß ich wie mein Kamerad kein Niemezy oder Niemey gewesen, der die sclavonische Sprach nicht gekönnt; sintemalen ich durch solches Parlaren vom mährischen[172] Landmann beides, Essenspeis und alte Kleider, erbettelte, damit wir sich, ob zwar nit ansehnlicher ziert, jedoch dicker wider die grimmige Winterskälte bewaffneten. Also armselig haben wir Mähren allgemach durchkrochen, viel Elend erlitten und von dem Bauersmann, der dem Soldaten niemals hold wird, mehr spitzige Schmachreden als willige Steur und Almosen eingenommen.«

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 169-173.
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