Das IX. Kapitel.

[40] Courasche quittiert den Krieg, nachdem ihr kein Stern mehr leuchten will und sie fast von jedermann vor einen Spott gehalten wird.


Also kam es nach und nach dahin, daß ich mich je länger je mehr leiden mußte. Meine Knechte wurden mir verführt, weil zu ihnen gesagt wurde: »Pfui Teufel, wie möcht ihr Kerl einer solchen Vettel dienen?« Ich hoffte, wieder einen Mann zu bekommen, aber ein jeder sagte: »Nimb du sie, ich begehr ihrer nicht!« Was ehrlich gesinnet war, schüttelt den Kopf über mich, und also täten auch beinahe alle Offizier; was aber geringe Leut und schlechte Potentaten waren, die dorften sich nicht bei mir anmelden; so hätte ich ohnedas auch keinen aus denselbigen angesehen. Ich empfande zwar nicht am Hals, wie mein Mann, was unser närrisch Fechten ausgerichtet; aber doch hatte ich länger daran, als er am Henken, zu verdauen. Ich wäre gerne in eine andere Haut geschloffen, aber beides, die Gewohnheit und meine tägliche Gesellschaften, wollten mir keine Besserung zulassen, wie dann die allermeinste Leute in Krieg viel eher ärger als frömmer zu werden pflegen. Ich butzte mich wieder und richtete dem einen und andern allerhand Netz und Strick, ob ich etwan diesen oder jenen anseilen und ins Garn bringen möchte; aber es half nichts; ich war schon allbereit viel zu tief im Geschrei; man kannte die Courasche schon allerdings bei der ganzen Armee, und wo ich bei den Regimentern vorüberritte, wurde mir meine Ehre durch viel tausend Stimmen öffentlich ausgerufen, also daß ich mich schier wie ein Nachteule bei Tage nicht mehr dorfte sehen lassen. Im[40] Marschieren äußerten mich ehrliche Weiber; das Lumpengesindel beim Troß schurrigelte mich sonst, und was etwan vor ledige Offizier wegen ihrer Nachtweid mich gern geschützt hätten, mußten bei den Regimentern bleiben, bei welchen mir aber durch ihr schändlichs Geschrei mit der allerschärfsten Laugen aufgegossen ward, also daß ich wohl sahe, daß meine Sach so in die Länge kein gut mehr tun werde. Etliche Offizier hatte ich noch zu Freunden, die aber nicht meinen, sondern ihren Nutzen suchten; teils suchten ihre Wollüste, teils mein Geld, andere meine schöne Pferd; sie alle aber machten mir Ungelegenheit mit Schmarotzen, und war doch keiner, der mich zu heuraten begehrte, entweder daß sie sich meiner schämten, oder daß sie mir eine unglückliche Eigenschaft zuschrieben, die alle meinen Männern schädlich wäre, oder aber daß sie sich sonst, ich weiß nicht warumb, vor mir förchteten.

Derowegen beschlosse ich mit mir selbsten, nicht nur dies. Regiment, sondern auch die Armada, ja den ganzen Krieg zu quittiern, und konnte es auch umb soviel desto leichter ins Werk setzen, weil die hohe Offizier meiner vorlängst gern losgewesen wären; ja ich kann mich auch nicht überreden lassen zu glauben, daß sich unter andern ehrlichen Leuten viel gefunden haben, die umb meine Hinfahrt viel geweinet, es seien dann etliche wenige junge Schnapper ledigs Stands unter den mittelmäßigen Offiziern gewest, denen ich zu Zeiten etwan ein Paar Schlafhosen gewaschen. Der Obriste hatte den Ruhm nicht gern, daß seine schöne Kutsche durch die Courasche vom Feind erobert und ihm verehrt worden sein sollte. Daß ich den verwundeten Obristleutenant aus der Battalia und Todsgefahr errettet und zu den Unserigen geführt, darvon schriebe er ihm so wenig Ehr zu, daß er mir meiner Mühe nicht allein mit »Potz Velten!« dankte, sondern auch, wann er mich sahe, mit griesgramenden Mienen errötet und mir, wie leicht zu gedenken, lauter Glück und Heil an den Hals wünschte. Das Frauenzimmer oder die Offiziersweiber hasseten mich, weil ich weit schöner war als eine unter dem ganzen Regiment, zumalen teils ihren Männern auch besser gefiele; und beides, hohe und niedere Soldaten, waren mir feind, umb daß ich trutz einem unter ihnen allen das Herz hatte, etwas zu unterstehen und ins Werk zu setzen, das die größte Tapferkeit und verwegneste Hazarde erfordert und darüber sonst manchen das kalte Wehe angestoßen hätte.

Gleichwie ich nun leicht merkte, daß ich viel mehr Feinde als Freunde hatte, also konnte ich mir auch wohl einbilden, es würde ein jedwedere von meiner widerwärtigen Gattung gar[41] nicht unterlassen, mir auf ihre sonderbare Manier eins anzumachen, wann sich nur die Gelegenheit darzu ereignet. »O Courasche,« sagte ich zu mir selbst, »wie willst du so vielen unterschiedlichen Feinden entgehen konnen, von denen vielleicht ein jeder seinen besonderen Anschlag auf dich hat? Wann du sonst nichts hättest als deine schöne Pferde, deine schöne Kleider, dein schönes Gewehr und den Glauben, daß du viel Geld bei dir habest, so wären es Feinde genug, einige Kerl anzuhetzen, dich heimlich hinzurichten. Wie? wann dich dergleichen Kerl ermordeten oder in einer Okkasion niedermachten? was würde wohl für ein Hahn darnach krähen? wer würde deinen Tod rächen? Was? solltest du auch wohl deinen eignen Knechten trauen dörfen?« Mit dergleichen Sorgen quälte ich mich selbst und fragte mich auch selbst, was Rats? weil ich sonst niemand hatte, ders treulich mit mir meinete; und eben deswegen mußte ich mir auch selbst folgen.

Demnach sprach ich den Obristen umb einen Paß an in die nächste Reichsstadt, die mir eben an der Hand stunde und wohlgelegen war, mich von dem Kriegsvolk zu rettiriern; den erlangte ich nicht allein ohne große Mühe, sondern noch anstatt eines Abschieds einen Urkund, daß ich einem Haubtmann vom Regiment (dann von meinem letzten Mann begehrte ich keinen Ruhm zu haben) ehrlich verheuratet gewesen und, als ich solchen vorm Feind verloren, mich eine Zeitlang bei dem Regiment aufgehalten und in solcher währenden Zeit also wohl, fromm und ehrlich gehalten, wie einer rechtschaffnen ehr- und tugendliebenden Damen gebühre und wohlanständig seie, mich derowegen jedermänniglichen umb solchen meines untadelhaften tugendlichen Wandels willen bestens rekommandierend. Und solche fette Lügen wurden mit eigenhändiger Subskription und beigedrucktem Sigill in bester Form bekräftigt. Solches lasse sich aber niemand wundern; dann je schlimmer sich einer hält, und je lieber man eines gerne los wäre, je trefflicher wird der Abschied sein, den man einem solchen mit auf den Weg gibt; sonderlich wann derselbe zugleich sein Lohn sein muß. Einen Knecht und ein Pferd ließe ich dem Obristen unter seiner Kompagnie, welcher trutz einem Offizier mundiert war, umb meine Dankbarkeit darmit zu bezeugen; hingegen brachte ich einen Knecht, einen Jungen, eine Magd, sechs schöne Pferd (darunter das eine 100 Dukaten wert gewesen) sambt einem wohlgespickten Wagen darvon; und kann ich bei meinem großen Gewissen (etliche nennen es ein weites Gewissen) nicht sagen, mit welcher Faust ich alle diese Sachen erobert und zuwegen gebracht habe.[42]

Da ich nun mich und das Meinige in bemeldte Stadt in Sicherheit gebracht hatte, versilberte ich meine Pferd und gab sonst alles hinweg, was Geld golte und ich nicht gar nötig brauchte; mein Gesind schaffte ich auch miteinander ab, einen geringen Kosten zu haben. Gleichwie mirs aber zu Wien war gangen, also gieng mirs auch hier: Ich konnte abermal des Namens Courasche nicht los werden, wiewohl ich ihn unter allen meinen Sachen am allerwohlfeilsten hinweggeben hätte; dann meine alte oder vielmehr die junge Kunden von der Armee ritten mir zu Gefallen in die Stadt und fragten mir mit solchem Namen nach, welchen auch die Kinder auf der Gassen ehender als das Vatterunser lerneten; und eben darumb wiese ich meinen Galanen die Feigen. Als aber hingegen diese den Stadtleuten erzählten, was ich vor ein Tauß-Es wäre, so erwiese ich hinwiederumb denselben ein anders mit Brief und Siegel und beredet sie, die Offizier gäben keiner anderen Ursachen halber solche lose Stück von mir aus, als weil ich nicht beschaffen sein wollte, wie sie mich gerne hätten. Und dergestalt bisse ich mich ziemlich heraus und brachte vermittelst meiner guten schriftlichen Zeugnis zuwegen, daß mich die Stadt, bis ich meine Gelegenheit anders machen konnte, umb ein geringes Schirmgelt in ihren Schutz nahm; allwo ich mich dann wider meinen Willen gar ehrbarlich, fromm, still und eingezogen hielte und meiner Schönheit, die je länger je mehr zunahm, aufs beste pflegte, der Hoffnung, mit der Zeit wiederumb einen wackern Mann zu bekommen.

Quelle:
Grimmelshausens Werke in vier Teilen. Band 3, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o.J. [1921], S. 40-43.
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