Großgunstiger Leser

Die von mir begehrete Catharine trit nunmehr auff den Schauplatz vnsers Vaterlandes / vnd stellet dir dar in jhrem Leib vnd Leiden ein vor dieser Zeit kaum erhöretes Beyspiel vnaußsprechlicher Beständigkeit /die Crone Persens / die Ehr deß Siegreichesten vnd Berühmtesten Königes / die Blüthe der Jugend / die vnaußsprechlichen Wollüste / die Freyheit so höher zu schätzen als das Leben / die schreckliche Marter /die Gewalt der Parthen / die Art deß Todes / so grauser als der Tod selbst / die Thränen deß Mitgefangenen Frauenzimmers / das Verlangen nach jhrem Thron / Kind / vnd Königreich bekriegen eine zarte Fraw / vnd müssen überwunden vnter jhren Füssen ligen. Mit kurtzem: die Ehre / Tod / vnd Liebe ringen in jhrem Hertzen vmb den Preiß / welchen die Liebe /nicht zwar die Irrdische vnd Nichtige / sondern die heilig-Ewige erhält / der Tod aber darreichet vnd versichert. So kräfftig ist der in dem schwächsten Werckzeuge / dessen Ehre diese Königin mit jhrem Blut außstreichet / diß einige beklage ich; daß meine Feder zu schwach / so hohe Geduld / so hertzhafte Standhafftigkeit / so fertigen Schluß das Ewige dem Vergänglichen vorzuziehen / nach Würden herauß zustreichen. Zwar ist dieser Königin entwurff schier länger bey mir verborgen gewesen; Als sie selbst in den Banden deß Persischen Königes geschmachtet. Vnangesehen Ein / in diesem Stück nicht gar zu treuer Freund mir solche vnbedachtsam / vnd noch behafftet mit dem Vnlust jhres Kerckers zu entführen gesuchet. Sie ist grösser / als daß Sie einige Verläumbdung anspeyen können; (wie wol man / als sie noch bey mir verborgen gewesen / ich weiß nicht wie die / die Christi Gottheit mit Jhrem Sterben ehret / entehren wollen) Ich aber verständiger /[5] als daß ich glaube; man könne allen / ja auch denen gefallen / welche nur darumb lästern / daß man noch jemands gefället in dem man seine Vnvolkommenheit erkennet. Verzeihe mir Großgunstiger Leser / daß ich dich bißher auffgehalten / vnd wende dein Gesicht mit mir von dem was Vergänglich auff die ewigherrschende Ewigkeit.

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Andreas Gryphius: Catharina von Georgien. Stuttgart 1975, S. 5-6.
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