Der fünffte Auffzug.

[95] Florianus. Selenissa. Antonia.


ANTONIA. Bey Bonoso ist nichts mehr / wie du siehest / zu suchen / er verachtet / und nicht sonder Ursach / diese / die vorhin seiner nicht geachtet.

SELENISSA. Es ist daran nichts gelegen / wenn Palladius noch unser ist.

ANTONIA. Jch fürchte / wir werden bey Palladio ankommen / wie wir verdienet! ich sehe nichts / als unser höchstes Unglück in bester Vollkommenheit.

SELENISSA. Auffs wenigste hoffe ich Antwort auff mein Schreiben zu erhalten. Mich dünckt / ich sehe den kleinen Florian daher gelauffen kommen.

FLORIANUS singend.

Lustig ihr Brüder: auff lasset uns leben!

Lesbia meine Freud' hat sich ergeben!

Wer mich wil neiden / der müsse zuspringen!

Lustig ihr Brüder / es wil mir gelingen!

Hola! Er jauchtzet etliche mahl nacheinander / nachmals fähret er fort. Guten Morgen / guten Morgen / Jungfrau Selenissa.

SELENISSA. Es ist nunmehr Abend / nicht morgen.

FLORIANUS. Um welche Zeit des Abends wird es Abend?

ANTONIA. Wenn die Sonne wil untergehen.[95]

FLORIANUS. O warumb geht die Sonne nicht alle Abend dreymal unter / so gienge ich mit meinem Herren jedwedern Abend dreymal zu Gaste.

SELENISSA. Was machst du mit der Fackel?

FLORIANUS. Jch will sehen / ob gut Wetter ist / Jungfrau Selenissa, um welche Zeit des Abends schlägt es sechse?

ANTONIA. Wenn es vier Viertel nach fünffen geschlagen hat.

SELENISSA. Bringest du mir keinen Brieff / mein Kind?

FLORIANUS. Bin ich euer Kind? so seyd ihr meine Mutter: warum habt ihr mich denn keinmal geküsset?

SELENISSA. Wo du mir einen guten Brieff bringst / so will ich dich zweymahl küssen!

FLORIANUS. O ich habe einen schönen Brieff mit rothem Lack zugesiegelt. Jn meines Herren Schreibekammer ligen etliche tausend Brieffe; wo ihr mich für jedweden küssen wollet / wil ich euch morgen beyde Hosen Säcke und mein Hemde voll bringen / aber für die grossen / an welchen die Schönen Siegel hangen / müsset ihr mich viermal küssen.

SELENISSA. Hast du denn ietzunder keinen Brieff bey dir?

FLORIANUS. Ja / ja / mein Herr hat mir einen gegeben.

SELENISSA. Laß mich den Brieff sehen!

FLORIANUS. Jhr müsset mir zuvor Tranckgeld geben.

SELENISSA. Du solt auff meiner Hochzeit mit mir tantzen.

FLORIANUS. Nein / ich tantze nur mit meiner Rosinen! dis ist der Brieff!

ANTONIA. Es ist seine eigne Hand.

FLORIANUS. Guten Tag / guten Tag! ich muß fort! Morgen um zwey zu Mittage / wenn Mitternacht ist / wil ich widerkommen / und mehr Brieffe mitbringen.

ANTONIA. Laß schauen / was hat er geschrieben.

SELENISSA. O ich bin des Todes!

FLORIANUS.

Lustig ihr Himmel / ich habe gewonnen

Sie / die Durchlauchtigste unter der Sonnen;

Lustig ihr Sternen / ich werde sie haben:

welche die Götter und Geister begaben.


Gehet singend hinein.
[96]

SELENISSA lieset den Brieff. Wehlende und unbesonnene Jungfrau / die Zeit ist nunmehr aus / in welcher ich meiner Vernunfft beraubet / euch einig zu Gebote gestanden. Jzt erkenne ich meine Thorheit / und schertze mit eurer Unbedachtsamkeit. Die allerkeuscheste und vollkomneste Seele Coelestina hält mich auff ewig gebunden / und wünschet euch Glück zu eurer Hochzeit mit dem elenden Auffschneider / welchen ihr euch allein zu stetem Schimpffe / wackern Gemütern vorgezogen. Gehabt euch wohl mit ihm / und bleibet von mir / weil ihr meines Grusses nicht bedürffend / ewig gesegnet! Selen. fält nieder / und wird ohnmächtig.

ANTONIA. Dieses Unglück hab ich vor langer Zeit als gegenwärtig gesehen. Selene! Selene! Sie ziehet die Tochter hinein.


Daradiridatumtarides. Don Diego.


DARADIRIDATUMTARIDES. O rage! o dese Spoir! Daß müssen siebzehn hundert tausend Frantzosen walten / daß meine Braut so arm / und ich nichts / als lauter Betteley bey ihr zugewarten: das wäre ein Fressen für Capitain Daradiridatumtarides.

DON DIEGO. Was ich sage / hab ich aus glaubwürdigem Bericht.

DARADIRIDATUMTARIDES. Da hat pour dire le vrai, ein Teuffel den andern beschissen / wer wil sie nun beyde wischen? Ha funeste object! bey der Seele des Großvaters von Machomet, die Ertzbestien zihen auf! als lauter Prinzessen! es bleibet bey Tausenden nicht! man kommt auf hundert tausend. Wenn man es aber bey dem Lichte besihet / und man mit einander verkoppelt / so sind es ohngefehr zwey Papire / die[97] Le Grand Diable des Juristes selber nicht zu Gelde machen können; und kaum so viel kahle Marck bahres Geldes / daß man Arswische darvon auffs Scheishaus / und SchwefelLichter in die Küchen kauffen kan. Doch / point du prouit, sie hat noch etwas von göldnen Ketten und Perlen / das muß hebräisch lernen / dir in Vertrauen entdecket / Fendions le vent Morgen weil sie noch schläfft! was nicht mitgehen wil / das nehmen wir / und sehen / ob unsere Klepper noch das Thor finden können. Wir müssen anderswo unser Glück suchen! faisons, selon le lieu, & le temps.


Selenissa. Antonia. Daradiridatumtarides.


SELENISSA. Mit dem Klepper zu dem Thore hinaus? da soll dir der Teuffel ehe den Hals brechen / ehe es dazu kommet. Jch will ihn anreden.

DARADIRIDATUMTARIDES. Voila, dort kommt meine Reiche.

SELENISSA. Finde ich meinen Bräutigam so hier allein!

DARADIRIDATUMTARIDES. Nenni, sondern vergesellet mit seinem unüberwindlichen Gedancken / avec un ceur d'un Mars. Was machet meine Werthe hier vor der Thüren?

SELENISSA. Sie muß sehr unwerth seyn / weil ihr Geschencke so gering geachtet / daß es nicht an seinem Finger mehr Platz haben kan.

DARADIRIDATUMTARIDES. Mort de ma vie, es gilt hir eins ums ander![98] weil sie unsre Kette nicht würdiget an ihren Hals zuhencken / stehet uns auch der Rinck nicht an.

SELENISSA. Wir sind niemals gewohnet / Ketten von Messing zu tragen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Cocqvette arrogante! Habt ihr doch keine bessre zubezahlen. Jch wil lieber Messing das mein eigen ist als geliehen Gold! oder habt ihr mich wegen des Geldes genommen? Jch halte diese Ketten höher / als aller närrischen Jungfern Tocken-Kram! hab ich sie euch für golden gegeben? Jch habe sie dem Könige in China, als ich für dreyen Jahren mit den Tartern eingefallen / und ihr General gewesen / mit meinen eignen Händen von dem Halse gerissen. Und daselbst schätzet man Messing weit über Gold.

SELENISSA. Ander Land / andre Sitten! wenn ich ihm zu arm / hätte er eine mögen in China heyrathen / die etliche Königreiche besessen hätte.

DARADIRIDATUMTARIDES. C'est assetz. Je cherche vous. Andere kan ich ieden Augenblick haben. Als wenn mir nicht die Königin von Monopotapa noch gestern durch einen eignen Curir ihr Königreich hätte anbieten lassen / mit dem Bedinge / daß ich sie heyrathen solle!

ANTONIA. Er heyrathe sie denn nach seinen Willen / und lasse mich und mein Kind unbetrogen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Was? wolt ihr mir die Heyrath auffkündigen? Outrage pour l'outrage! da soll euch der Donnerknall von Carthaunen darfür erschlagen! euch zu Trotz müst ihr mich haben / jhr sollet mich haben / und wenn ich euch gleich nicht haben wolte / so will ich dennoch euch anietzo behalten; damit ihr sehet / daß es nicht in eurer / sondern in meiner Macht stehe mit euch zuhandeln / zu thun und[99] zu lassen / zu schalten und zu walten. Jch mag euch verschencken / verkauffen / verstechen / verjagen / verschicken / verwechseln / verbeuten / ihr seyd mein avec tous ces deffauts, nicht anders / als leibeigen; darnach habts euch zurichten / denn das ist unser endlicher / ernster / und ungnädigster Wille. Er gehet darvon.

SELENISSA. Jch will mein Leben daran setzen / und nicht ruhen / biß ich seiner loß worden / oder ihn von dem Platze gebracht. Jch will den Capiten Horribilicribrifax auff ein paar Worte zu mir bitten lassen. Der wird mir schon zu diesem Stück beförderlich seyn.


Coelestina. Palladius. Camilla.


COELESTINA. Nunmehr befinde ich mich in dem Besitz höchster Glückseligkeit / nun ich seiner treuen Gegenliebe versichert.

PALLADIUS. Welche in und um uns brennen und würcken soll / biß unsre Leiber in Aschen verkehret.

COELESTINA. Auch unter der Aschen der erblichenen Leichen sol sie noch glimmen / und unsre auffgerichtete Grabzeichen sollen nichts anders seyn / als Denckmahle der schlaffenden Liebe / biß wir auff den Tag der grossen Vereinigung in Vollkommenheit der Liebe auffs neue ewig mit einander vermählet werden.

PALLADIUS. Es ist numehr Zeit / den Herren Stadthalter zürsuchen. Wo sind die Diener?

COELESTINA. Camilla komm und folge.


Cyrilla mit schönen Kleidern angezogen / und auffgeflochtenen Haaren.
[100]

CYRILLA. Verwundert euch nicht / daß ich so schöne bin / die Kleider hab ich bey einer Jüdin geborget / um Herren Vixephonigis eine Nase zu machen. Jungfer Coelestina ist nicht daheime / das weiß ich wol. Deswegen kan ich mich desto besser in ihrem Lust-Garten verstecken. Wo ich ihn diesen Abend recht betrüge / muß er mich sein Lebenlang behalten! Da komt der Monden. Sey mir gnädig du neues Licht / für das Fieber und auch die Gicht. u.d.g.


Selenissa. Horribilicribrifax. Harpax.


HORRIBILICRIBRIFAX. Sie zweifele nicht / er ist todt! es ist unmöglich / daß er leben kan / wenn sie sich meines Degens / mit welchem io rompe esserciti, e fracasso armate, metto Spavento al Cielo, al mare & al inferno, darzu gebrauchen wolte. Ja mit einem Anblick kan ich ihn von der Erden heben. Solte mich eine Jungfrau um etwas ansprechen / das ich ihr versagen könte!

SELENISSA. Er muß entweder todt seyn / oder ich muß bey ihm nicht leben / und solte ich gleich des andern Tages den Kopff lassen! lieber einmal muthig und hurtig gestorben / als sein Lebenlang in Jammer und Elend gestecket.

HORRIBILICRIBRIFAX. Veramente pensiero nobilissimo. Und warum Verzogen? Die Jungfrau glaube sicher / das Werck ist sonder alle Gefahr.

SELENISSA. Wenn ihn nur niemand meldet.[101]

HORRIBILICRIBRIFAX. Was? mein gantzes Verlangen ist d'esser cognosciuto! Denn es ist vornemlich daran gelegen / daß man wisse / wer die That verrichte. Denn die gemeine Kundschafft von meiner Großmüthigkeit hebet alle Gefahr auff. So bald / als die tödlichen Wunden an den Leichen gesehen werden / schleust man / daß sie von keines andern Hand / als von der meinen herrühren. So bald als sie vor die meinigen erkennet werden / ist kein Mensch / welcher klagen / kein Zeuge / der etwas ablegen / kein Notario, der etwas schreiben / kein Advocato, der den Process formiren, kein Stadt-Diener der angreiffen / kein Richter der examiniren, keine Obrigkeit die urtheilen / kein Scharffrichter der exeqviren dörffte.

HARPAX. Es ist nicht anders / als wie mein Herr erzehlet. Jch weiß mich noch wohl zuerinnern / daß er / nach dem er einen niedergestossen / sich aus einem sondern capricio selber bey dem Richter für den Thäter angegeben habe. Der Richter aber / damit er nicht in Gefahr geriethe / gab für / als wenn er dem Capiten keinen Glauben zustellete / damit er seiner nur mit Ehren loß werden konte.

SELENISSA. Es ist unglaublich.

HARPAX. Noch ein andermal gab er sich für einen Bandito aus / und ließ sich zu dem Galgen führen. Es war zu Venedig auff Sanct Marcus Platz. Als er nun die Leiter mit dem Hencker hinauff gestiegen / rieß er die Stricke entzwey / sprang über das Volck in ein Schiff / und ließ den Hencker selbst angeknüpfft.

HORRIBILICRIBRIFAX. Cane cativo! furfante senza ingegno! Must du derogleichen Stücke von mir erzehlen / als wenn es sonst an Heldenthaten mangelte / die ich verrichtet habe. Nun[102] zu der Sachen! signora mia belissima, sie entschliesse sich / auff welche Art sie ihn will hinrichten lassen. Will sie / daß ich ihn mit dem Arm nel'aria in die Lufft schmeisse / daß er sich in dem Elementarischen Feuer anzünde? will sie / daß ich ihn mit einem zornigen Anblick in einen Felsen verwandele? will sie / daß er von dem Schnauben meiner Nasen / als Schnee zurschmeltzen müsse? will sie / daß ich ihn per le treccie auffhebe und zu Boden werffe / daß er in die Sechs und dreissig mahl hundert tausend Stücke zerspringe / wie Glaß?

SELENISSA. O ich komme von mir selber über diesem Erzehlen! Der Herr Capiten mache es auffs kürtzte / und schiesse ihm ein Pistol durch den Kopff!

HORRIBILICRIBRIFAX. Die Jungfrau verzeihe mir / ich gebrauche mich keiner vortheilhafften und berenhäuterischen Waffen de latri & assassini, wenn ich etwas verrichten will. Will sie / daß ich ihm einen Nasenstüber gebe / daß ihm Stirne / Gehirne / Augen / Nase / Maul / Wangen / so untereinander gemenget werden / daß er sich sein Lebenlang nicht mehr kenne?

SELENISSA. Jch stelle alles in des Herren Capitens Belieben / wenn ich nur seiner loß werde.

HORRIBILICRIBRIFAX. Or su! finiamo la qvi, es soll schon gehen / wie es gut ist.

SELENISSA. Jch stelle mich und meine Ehre in seine Hände. Der Herr Capitain bleibe gesegnet.


[103] Sempronius.


SEMPRONIUS. Nox erat & coelo fulgebat luna sereno, inter minora sidera. Horatius. Speluncam Dido, Dux & Trojanus eandem devenient, Virgilius Lib. 2. Aeneidos. Κωμάσδω ποτὶ τὰν Ἀμαρύλλιδα. Theocritus. Das heist / Herr Sempronius wird zu Jungfrau Coelestina gehen. Qvas volvit fortuna vices? Statius lib. 10. Thebaidos. Wer hätte dis heute morgen geglaubt? Aber es heist: kein verzagtes Hertz krieget eine schöne Dam. Non per dormire poteris ad alta venire! Sed per studere poteris ad alta sedere. Nun / das gehet drauff hin! Casta fave Lucina! Sparge marite nuces, hilaris, tibi ducitur uxor! Virgilius in Eclogis.


Bonosus.


BONOSUS. Die resolution ist gefasset. Herr Palladius ist fest mit Coelestinen, und ich / durch Zuthuen des Stadthalters mit Eudoxia. Man erwartet meiner / wie ich vernehme / bey dem Herren Cleander. Derowegen ist es Zeit / daß ich mich nicht länger auffhalte / sondern mit ehesten dahin verfüge.


[104] Daradiridatumtarides. Horribilicribrifax.


HORRIBILICRIBRIFAX. Und wenn du mir biß in den Himmel entwichest / und schon auff dem Lincken Fuß des grossen Beeren sessest / so wolte ich dich doch mit dem rechten Spornleder erwischen / und mit zweyen Fingern in den Berg Aetna werffen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Gardez-vous Follastreau! meinest du / daß ich vor dir gewichen? und wenn du des grossen Carols Bruder / der grosse Roland selbst / und mehr Thaten verrichtet hättest / als Scanderbeck / ja in die Haut von Tamerlanes gekrochen werest / soltest du mir doch keine Furcht einjagen.

HORRIBILICRIBRIFAX. Jch? ich will dir keine Furcht einjagen / sondern dich in zwey und siebentzigmal hundert tausend Stücke zersplittern / daß du in einer See von deinem eignen Blut ersticken sollest. Io ho vinto l'inferno e tutti i Diavoli.

DARADIRIDATUMTARIDES. Jch will mehr Stücker von dir hauen / als Sternen ietzund an dem Himmel stehen / und will dich also tractiren daß das Blut von dir flüssen soll / biß die oberste Spitze des Kirchturmes darinnen versuncken.

HORRIBILICRIBRIFAX. Per non lasciar piu oltre passar qvesta superba arroganza, will ich die gantze Belägerung von Troja mit dir spielen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Und ich die Zerstörung von Constantinopel.

HORRIBILICRIBRIFAX. Io spiro morte e furore, doch lasse ich dir noch[105] so viel Zeit / befiehle deine Seele GOtt / und bete ein Vater unser!

DARADIRIDATUMTARIDES. Sprich einen Englischen Gruß und hiermit stirb.

HORRIBILICRIBRIFAX. Du wirst zum wenigsten die reputation in deinem Tode haben / daß du von dessen unüberwindlichen Faust gestorben / der den König in Schweden niedergeschossen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Tröste dich mit dem / daß du durch dessen Hand hingerichtet wirst / der dem Tylli und Pappenheim den Rest gegeben.

HORRIBILICRIBRIFAX. So hab ich mein Schwerd ausgezogen in der Schlacht vor Lützen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Morbleu, me voyla en colere! mort de ma vie! Je suis fasché par ma foy. So hab ich zur Wehre gegriffen in dem Treffen vor Nerglingen.

HORRIBILICRIBRIFAX. Eine solche positur machte ich in der letzten Niederlage vor Leipzig.

DARADIRIDATUMTARIDES. So lieff ich in dem Waal-Graben / als man Glogau hat einbekommen.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ha! ha! Jst er nicht qvesto capitaino, mit dem ich Kugeln wechselte bey der Gula?

DARADIRIDATUMTARIDES. O! ist er nicht der jenige Signeur mit dem ich Brüderschafft machte zu Schlichtigheim?

HORRIBILICRIBRIFAX. Ha mon Signeur, mon Frere![106]

DARADIRIDATUMTARIDES. Ha Fradello mio illustrissimo!

HORRIBILICRIBRIFAX. Behüte GOtt / welch ein Unglück hätte bald geschehen sollen!

DARADIRIDATUMTARIDES. Welch ein Blutvergiessen! massacre & strage, wenn wir einander nicht erkennet hätten!

HORRIBILICRIBRIFAX. Magnifici & Cortesi Heroi können leicht unwissend zusammen gerathen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Les beaux Esprits lernen einander durch dergleichen rencontre erkennen.


Dionysius. Daradiridatumtarides. Horribilicribrifax.


DIONYSIUS. Welche Berenhäuter rasen hier für unsern Thüren? wisset ihr Holuncken nicht / daß man des Herren Stadthalters Pallast anders zu respectiren pfleget. Trollet euch von hier / oder ich lege euch beyden einen frischen Prügel um die Ohren.

HORRIBILICRIBRIFAX. Io rimango petrificato dalla meraviglia. Sol Capitain Horribilicribrifax dis leiden?

DARADIRIDATUMTARIDES. Sol Capitain von Donnerkeil sich also despectiren lassen?

HORRIBILICRIBRIFAX. Io mi levo il pugnale dal lato, der Herr Bruder leide es nicht!

DARADIRIDATUMTARIDES. Me Voila, der Herr Bruder greiffe zu der Wehre / ich folge.

HORRIBILICRIBRIFAX. Comminciate di gratia. Jch lasse dem Herren Bruder die Ehre des ersten Angriffs.[107]

DARADIRIDATUMTARIDES. Mein Herr Bruder / ich verdiene die Ehre nicht / er gehe voran. Cest trop discourir: Commensez.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ey der Herr Bruder fahre fort / er lasse sich nicht auffhalten. la necessita vuole.

DIONYSIUS. Heran / ihr Ertzberenhäuter / ich will euch die Haut sonder Seiffen und Balsam einschmieren.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ha! Patrone mio qvesta supercheria è molta ingiusta.

DARADIRIDATUMTARIDES. O monsieur bey dem Element / er sihet mich vor einen Unrechten an.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ey signore mio gratioso, ich bin signor Horribilicribrifax.

DIONYSIUS nimt beyden die Degen und schlägt sie darmit um die Köpffe. Auffschneider / Lügner / Berenhäuter / Bengel / Baurenschinder / Ertznarren / Cujonen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Ey ey monsieur, basta qvesto pour istesso, es ist genung / der Kopff blutet mir.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ey Ey Signor, Jch wuste nicht / daß der Stadthalter hier wohnete.

DIONYSIUS. Packet euch / oder ich will euch also zurichten / daß man euch mit Mistwagen soll von dem Platze führen.


Sempronius. Cyrilla.


SEMPRONIUS. Οἴμοι παρανοίας ὡς ἐμαινόμην ἄρα. Porro Qvirites! Deum atqve hominum fidem egonè ita sum deceptus.[108]

CYRILLA. Ja es heist nu Zepffe / es heist / hast du mich / so behalte mich.

SEMPRONIUS. Impura meretrix.

CYRILLA. Ja die Hure ist fix, wer hat mich darzu gemacht / als ihr? Jhr müst mich nun wieder redlich machen / oder der Hencker soll euch holen!

SEMPRONIUS. Ἀτταπατατά.

CYRILLA. Ey da! da!

SEMPRONIUS. Me miserum!

CYRILLA. Sehre hin sehre her.

SEMPRONIUS. Was rath nun! Qvid facio!

CYRILLA. Ein Patzen do. Nein / ich lasse mich so nicht abweisen.

SEMPRONIUS. Est aliàs dives vetula.

CYRILLA. Heist ihr mich die beste Fettel?

SEMPRONIUS. O du Hure!

CYRILLA. O du Schelm!

SEMPRONIUS. O du Kuppelhure! lena faeda!

CYRILLA. Wie Magdalenen? Du Ehbrecher!

SEMPRONIUS. Du Mägdehändlerin!

CYRILLA. Du Susannen Bube!

SEMPRONIUS. Du Teuffelsfettel!

CYRILLA. Du Teuffelsbanner!

SEMPRONIUS. Du Pileweissin!

CYRILLA. Du Hexenmeister!

SEMPRONIUS. Du Pulver Hure!

CYRILLA. Du Bley Schelme!

SEMPRONIUS. Du Excetra![109]

CYRILLA. Ja Zeter über dich!

SEMPRONIUS. Du Furia!

CYRILLA. Du Hurenjäger!

SEMPRONIUS. Du Erinnys.

CYRILLA. Ja darinn ists.

SEMPRONIUS. Jch wil dir die Haare aussreissen.

CYRILLA. Jch wil dir den Bart außrauffen.

SEMPRONIUS. Jch wil dir die Nase abbeissen.

CYRILLA. Jch wil dir die Augen außkratzen / und in die Löcher scheissen.

SEMPRONIUS. Jch wil dir den Ars an deine Zunge wischen.

CYRILLA. Jch wil dein Maul unter ein Scheißhaus nageln.

SEMPRONIUS. Der Hencker soll dir den Rücken mit Ruten abputzen.

CYRILLA. Der Hencker soll dir die Spinnweben mit Besen abkehren / und den Bart mit dem breiten Messer scheren.


Sie fallen über einander und schlagen einander zum guten Tiegen ab.


SEMPRONIUS. O mein Bart!

CYRILLA. O mein Haar.

SEMPRONIUS. O mein Auge.

CYRILLA. O mein einig Zahn! vertragen wir uns lieber in der Güte mit einander!

SEMPRONIUS. Je meinethalben! was haben wir auch sonsten vor?

CYRILLA. Jch kan trefflich gebrand Wasser machen / und Zähn-Pulver verkauffen / und habe ein schön Stücklein Heller vor mich bracht.

SEMPRONIUS. Wolan / unsre Güter mögen gemein seyn! ihr müst mich aber hübsch halten / weil ich ein Gelehrter bin.

CYRILLA. Jch will euch alle Morgen eine warme Suppen kochen.[110]

SEMPRONIUS. Hettet ihr das also bald gesaget / so hette es so vieler Weitläufftigkeiten nicht bedürffet.

CYRILLA. So gebet mir denn eure Hand drauff!

SEMPRONIUS. So sind wir vertragen. Sie erat in fatis!

CYRILLA. Ja in der Stadt ists. Kommet mit mir in mein Haus / ich will einen Notarigus holen lassen / der unsern Eh-contract auffsetzet / und uns / vor die Gebühr / ein in nominus macht.


Cleander. Bonosus. Eudoxia.

Palladius. Coelestina. Flaccilla. Sophia.


CLEANDER. Jch bitte / sie treten etwas hinter die Tapete / und hören unseren Reden mit Gedult zu! Dionysi ruffe die Jungfrau mit der Mutter herein.

SOPHIA. Wenn ich auffs wenigste die Freyheit zusterben erhalten kan / schätze ich mich glückselig / daß / in dem ich die Angst meines Lebens beschliesse / auch der Ehren die unbefleckte Seiden meiner Keuschheit mit der Purpur dieses Blutes zufärben / und / dadurch meine Auffrichtigkeit zu bezeugen / fähig worden.

CLEANDER. Jst dieses eure Tochter / meine Frau / welcher Schöne und Keuschheit ihr so sehr gerühmet?

SOPHIA fället vor ihm auff die Knie. Die unglückselige Schönheit / gnädiger Herr / ist diß eintzige / was mir / doch zu meinem Unglück / die Natur verliehen. Wenn sie mich und die Reinigkeit meines Gemüthes in Gefahr setzen soll / wündsche ich eher die weissen Brüste mit meinem eignen Blute zürröten / als ein durch Unehr beflecktes Gesicht / vor Euer Genaden auffzuheben. Jch bitte in diesen Schrancken in welchen mich Elend / Armuth[111] und Gewalt dringet und herum treibet / Eure Genaden wolle mir dieses eintzige erhalten und beschützen helffen / was mir noch die euserste und recht Eiserne Noth nicht abzwingen können / oder mitleidend gedulden / daß ich vor seinen Füssen dem geängsteten Geiste den Weg durch diese Brüste öffne!

CLEANDER. Meinet ihr / daß wir euren verstelleten Thränen und falschen Geberden so viel Glauben geben? Wir kennen der Weibes Personen Art und wissen / wie heilig sie sich stellen / wenn sie ihre Wahre hoch außbringen wollen.

SOPHIA. Himmel / ende nun meine armselige Tage! bin ich noch länger auff dieser Welt zu leben begierig / wenn ich Namen und Ehre verlohren?

CLEANDER. Namen und Ehre sind eine Hand voll Wind / und werden nicht gerühmet / als nur Scheines halber.

SOPHIA. O GOTT! ist es nicht genung / daß ich bey allen in Argwohn gerathen bin; durch diese gewaltsame Hinwegführung? Muß noch meine Unschuld von dem in Zweiffel gezogen werden / welcher von allen für den kräfftigsten Beschützer elender und verlassener Waisen gehalten wird? Gute Nacht Himmel! sey zum letzten mahl gegrüsset Erde! Was verziehe ich weiter?


Sie holet aus mit einem blossen Messer. Cleander fället ihr in die Armen: die andern kommen alle herzu gelauffen.


CLEANDER. Genung meine wertheste! Jhre Keuschheit hat wie ein lauteres Gold durch eine so hefftige Anfechtung bewehret werden müssen. Sie ist in diesen Hoff nicht durch Verlust der Ehren gedrungen / sondern durch ihre Tugend eingeführet / damit dieselbe nach so langem Verdienst prächtiger gekrönet würde. Diese Haarlocken sind es / welche uns gefangen: Doch die Keuschheit Sophiae hat diese Bande fester zusammen gezogen / welche eine heilige Ehe zwischen Mir und Jhr unaufflößlich verknüpffen soll. Dionysi, Thersander, Pompei, Ptolomaee, bringet Kleider /[112] Perlen und Demante / um meine Schöneste also außzukleiden / wie ihre Tugend und unser Stand erfordert / ob sie wohl mehr gezieret wird durch diese abgeschnittene Haare / als durch alles Reichthum dieser Welt.

COELESTINA. Werthe Jungfrau Sophia. Jch wündsche zu dieser unverhofften Ehe und Ehre Jhr so viel Glücks / als dero keusche Tugend verdienet / und schätze mich glückselig / in dem ich heute Jhre Kundschafft erhalte / von Jhr / als dem vollkommenen Spiegel aller Zucht / zu lernen / was uns allen anstehet.


Sophia. Wird von den Jungfrauen auffs prächtigste gekleidet. Jndessen wünschen die andern einander allerseits Glücke.


CLEANDER. Dionysius, welcher diesem unsern Vorsatz bey sich die Hand geboten / soll nicht sonder Lohn dieser Freude beiwohnen / wenn Jungfrau Coelestina ihre Camillam ihm vermählen will / werden wir Mittel finden / sie beyde bester massen zu befördern; Und damit Horribilicribrifax und Daradiridatumtarides nicht alleine bey der allgemeinen Freude sich mit Schlägen / wie uns erzehlet / behelffen dürffen / wollen wir dem Daradiridatumtaride, doch mehr aus Mittleiden gegen die unglückselige Selenissam, das Commendo über die gvarnison in dem nechsten Flecken / dem Horribilicribrifax aber eine Corporalschafft Tragoner in der Vorstadt vertrauen. Lasset die Personen alle auff den Hoff fordern / und unterdessen die Heerpaucken und Trompeten erschallen!


Die Personen gehen alle ab / biß auff Florentin.


FLORENTIN. Hochzeiten über Hochzeiten! was werde ich Marcepan bekommen! Laß schauen / ich muß zehlen / wie viel es Heyrathen setze! Jch und Rosina, das ist die Erste; mein Herr und Coelestina, das ist die Ander; Camilla und Dionysius, das ist die Dritte. Bonosus und Eudoxia,[113] das ist die Vierdte; der ungeheure Capitain mit dem Namen von sieben Meilen / und Selenissa, werden die fünffte halten; ja wol / es mangelt mir noch eine / ey ja! ja! der Stadthalter mit der fremden Jungfrau / das ist die Sechste. Wenn doch sieben wehren / so hätten wir eine gantze Woche voll Hochzeit! wolan! Capitain Horribilicribrifax mag unsre grosse / dicke / derbe / alte / vierschrötige / ungehobelte / trieffäugichte / spitznäsichte / schlüsseltragende Schleusserin nehmen / so ist die Reihe vollkommen. Jhr Herren / Jungfrauen und Frauen / wo euch Sophiae großmüthige Keuschheit / und Coelestinen beständige Anmuth / zuforderst aber Florentini (und der bin ich) hoher Verstand gefallen so kommet alle mit auff die Hochzeit / jener grosse weitmäulichte Baur der dort hinten stehet / mag wol zu Hause bleiben / Er möchte uns den Wein gar aussauffen / und alles auff fressen / daß die Braut selbst hungerig zu Bette gehen müste.


Der Auffzug wird beschlossen unter Trompeten und Heerpaucken mit einem Tantz / in welchem alle Personen / wie auch Sempronius mit seiner Cyrilla erscheinen.


Quelle:
Andreas Gryphius: Horribilicribrifax Teutsch. Stuttgart 1976, S. 95-114.
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