Der vierdte Auffzug.

[75] Bonosus. Palladius. Cleander.


CLEANDER. Jch bitte die Herren verschonen meiner mit derogleichen Wortgepränge; Sintemal ich sie nach Würden vor diesesmal nicht habe bewirthen können: Doch verhoffe ich mein guter Wille werde die Taffel / stat der Speisen besetzet haben.

PALLADIUS. Mein werthester Cleander, ich bleibe ihm ewig verbunden.

CLEANDER. Herr Mareschall ich sterbe der Seinige.

BONOSUS. Mein Herr Cleander, ich bitte / er wolle mir[75] befehlen / er sol mich bereitwilligst finden / ihm zu dienen.

CLEANDER. Mein Herr / ich bin gantz der Seinige. Herr Mareschall / er denck unserm geheim Gespräche etwas nach. Fräulin Eudoxia ist eines Liebhabers von sonderbaren Vortreffligkeiten würdig.

BONOSUS. Dem Herrn meine Dienst!

PALLADIUS. Mein Herr / ich bleibe der Seine.

CLEANDER. Jch ersterbe der Herren bereitwilligst- und verpflichtester Diener.


Bonosus. Palladius.


BONOSUS. Jn warheit / Herr Mareschall / die Speisen waren überaus köstlich.

PALLADIUS. Der Stadthalter läst an Magnificentz nichts gebrechen / und verleuret lieber sechs Pfund Blut / als eine scrupel reputation.

BONOSUS. Aber / was sagen wir von Fräulin Eudoxia? Mein Herr Marschall / erseufftzet! sie ist wol verwechselt mit Selenen, und gehet ihr an Stande / Schönheit und Geschlecht ein weites voran.

PALLADIUS. Herr Bonosus schertzet nach seiner Art. Wir wollen zu anderer Zeit davon reden.

BONOSUS. Er ist getroffen / man merckt es aus allen seinen Geberden.

PALLADIUS. Sein Diener / mein Herr!

BONOSUS. Ein glückseliges Widersehen / mein Herr Mareschall.


[76] Flaccilla. Cleander.


FLACCILLA. O werthestes Pfand der keuschesten Seelen / welches die Ehre der Schönesten zuretten auffgesetzet wird. O Haar / das höheren Ruhms würdig / als das jenige / welches die unzüchtigen Liebhaber um die Arme winden! O Haar / das zwar mit keinen Perlen / aber doch mit den Thränen der Keuschesten gezieret. O Haar / das keinem Golde der Welt gleich zu schätzen / und doch geringer geachtet wird / als Staub / von denen / die ihres grossen Reichthums sich zu eigenem Verderb mißbrauchen.

CLEANDER. Dionysi, nim den Degen / und folge mit den Pagen. Diodor, vermelde dem Herren Mareschall / daß ich seiner nebenst einer angenehmen Gesellschafft zu der Abend Collation in meinem Lustgarten gewärtig.

FLACCILLA. Ach dort komt der Stadthalter! keiner ist / dem ich meine Wahre lieber feil bieten wolte als ihm / wenn mich nicht meine euserste Scham / und sein grosser Stand ihn anzureden / verhinderte! Jch weis doch wol / daß er einem vortrefflichen Fräulin auffwarte / welcher dieses ein angenehm Geschencke seyn würde! gehe ich? stehe ich? was thu ich?

CLEANDER. Allezeit Geschäffte. Jrre ich / oder bringet diese Frau eine Bittschrifft getragen?

FLACCILLA. Ach! Er hat mich erblickt!

CLEANDER. Und scheuet sich mich anzureden? Woher meine Frau?

FLACCILLA. Ach gnädiger Herr – – –

CLEANDER. Redet unerschrocken. Was traget ihr allhier verborgen? Wo kommt ihr mit diesen Haaren her?

FLACCILLA. Ach genädiger Herr / sie sind zuverkauffen. Jch bin in dieser Meinung auff den Hoff kommen / sie iemand aus dem Frauenzimmer anzubieten.[77]

CLEANDER. Trefflicher Handel! ich höre in Ost-Jn dien nehme man den Weibern Wolle von den Köpffen / und mache Schnuptücher draus. Was wird man bey uns nicht zu letzte mit den Haaren anfangen! last schauen eure Kramerey. Diß ist ein schönes Haar! wo der Baum so anmuthig als die Blätter / wolten wir uns wol in dessen Schatten ergetzen.

FLACCILLA. Jhr Genaden können ihrer Liebsten mit diesem Geschencke nicht unangenehm seyn.

CLEANDER. Wir wissen von keiner Liebe; und da wir unsere Gewogenheit auff eine Person geleget hätten; werde uns ja keine Kahle beliebet haben.

FLACCILLA. Die Vornehmsten unter dem Frauen- Zimmer pflegen fremde Haare mit einzuflechten.

CLEANDER. Die offt an dem Galgen abgefaulet / oder von den Frantzosen außgefressen.

FLACCILLA. Jch versichere eure Gnaden / daß von diesen Haaren nichts derogleichen zuvermuthen.

CLEANDER. Räudige Schaafe lassen die Wolle gerne gehen: und wenn der Fuchs kranck wird / so stäubet ihm der Balg.

FLACCILLA. Ach – – – Ach!

CLEANDER. Warum erseufftzet ihr so hefftig? geschichts vielleicht / weil ich euch die Warheit sage?

FLACCILLA. Ach Jhre Genaden irren in diesem Stück hefftig!

CLEANDER. Warum weinet ihr? Wessen sind diese Haare?

FLACCILLA. Jch bitte demüthigst / Jhre Genaden wolle meiner verschonen!

CLEANDER. Durchaus ich wils wissen! Sind sie vielleicht einer Todten abgeschnitten worden?

FLACCILLA. Ach ihr Genaden / die Person ist bey Leben / und wol die Keuscheste die in dieser Stadt zu finden.

CLEANDER. Sind sie irgend einer geistlichen Jungfrau?

FLACCILLA. Ach![78]

CLEANDER. Saget sonder Weinen heraus / wessen sind sie?

FLACCILLA. Ach Jhr Genaden / sie sind – – –

CLEANDER. Wessen? Nun fort.

FLACCILLA. Ach! meiner einigen Tochter.

CLEANDER. Also! Weil der Vogel nicht gelten will / so verkaufft ihr die Federn! betrübet euch nicht / meine Frau! mich dünckt / ich solle euch irgendswo vor diesem gesehen haben. Wo wohnet ihr?

FLACCILLA. Ach!

CLEANDER. Es muß etwas auff sich haben / daß sie sich nicht meldet. Wie ist euer Name?

FLACCILLA. Jch bin eurer Genaden Dienerin.

CLEANDER. Jch frage nach dem Namen.

FLACCILLA. Ach eure Genaden / ich heisse Flaccilla.

CLEANDER. Und die Tochter?

FLACCILLA. Sophia.

CLEANDER. Jst nicht euer Ehemann Possidippus genennet worden?

FLACCILLA. Ach ja!

CLEANDER. Was treibet euch solchen Handel zu führen?

FLACCILLA. Die eusserste Noth / mein Leben / und der Tochter Ehre zuretten.

CLEANDER. Seid ihr denn aller Mittel so gantz entblösset? weinet nicht! weinet nicht! was begehret ihr für die Haare?

FLACCILLA. Es wird in Eurer Genaden Belieben gestellet.

CLEANDER. Servili, führe sie in das Haus / und lasse ihr ein tutzend Ducaten zustellen. Verlasset euch auff mich! und wo euch was gebricht / so sprechet mich sicher an.


Cleander. Dionysius.


CLEANDER. Zurück ihr Diener und Pagen! Dionysi komm hieher! kennest du diese Frau?

DIONYSIUS. Sehr wohl / genädiger Herr / sie ist aus einem der berühmtesten Geschlechter dieses Landes.[79]

CLEANDER. Und ihre Tochter.

DIONYSIUS. Die Schönste und ärmeste / die irgend anzutreffen: aber / die zugleich den Ruhm der Keuschheit hinweg trägt.

CLEANDER. Die Jungfern sind alle Keusch / weil niemand mit Geschencken oder Fragen auffwartet.

DIONYSIUS. Gnädiger Herr / sie ist so hoch und offt bewehret / daß an ihrer Keuschheit nicht zu zweiffeln. Es hat nicht gemangelt an derogleichen Auffwartern / die bey ihrem höchsten Armuth ihr Goldes genung gebothen haben / und dennoch nichts außgerichtet.

CLEANDER. Hab ich sie nicht irgend gesehen?

DIONYSIUS. Sie hält sich trefflich eingezogen. Doch erinnere ich mich / daß sie vor dreyen Tagen in der Kirchen eurer Gnaden recht gegen über gesessen.

CLEANDER. Meinest du dieselbe in den weissen Haaren / und schwartzen Kleidern / nach welcher ich bald hernach fragen lassen?

DIONYSIUS. Eben dieselbe.

CLEANDER. Wohl / wir wollen sie auch auff die Prüfe setzen; Jch will dir Gelds genung reichen lassen. Verfüge dich noch heute zu ihr / und versuche / ob sie zubewegen.

DIONYSIUS. Gnädiger Herr / ich versichere Eure Gnaden / daß man mich in das Haus nicht lassen wird: oder / wo ich ja / als eurer Genaden Diener / eingelassen werde / und von dergleichen Sachen zu reden anfange / eines gewissen Schimpffs werde gewärtig seyn müssen.

CLEANDER. Thu was ich befohlen. Wofern sie so fest auff ihrer Keuschheit hält / so falle das Haus an / nim sie mit Gewalt heraus / und liefere sie uns auff den Hoff. Meine Diener sind starck genung dir beizustehen.

DIONYSIUS. Genädiger Herr / dieses Stück siehet etwas weitläufftig aus.

CLEANDER. Thue was ich befehle; Du verstehest meine Gedancken[80] nicht. Berichte mich mit ehesten / wie es abgelauffen. Jn dem Lustgarten werde ich anzutreffen seyn.

DIONYSIUS. Mein Herr hat die Federn gesehen / es scheinet er wil den Papagoy selbst haben. Doch ich bin ein Diener! Es stehet zu seiner Verantwortung.


Coelestina. Camilla. Palladius.


COELESTINA. Daß man zwischen ihm und Fräulin Eudoxia eine Heyrath schliessen wolle?

CAMILLA. Diß hab ich glaubwürdig vernommen.

COELESTINA. Camilla gehe zu meiner Näterin / und sage / daß sie mir meinen angedingeten Sterbeküttel verfertige. Eudoxiae hohes Geschlecht und vornehme Freundschafft lässet mich nu nichts mehr hoffen!

CAMILLA. Werthe Jungfrau / es sind mehr vortreffliche Männer vorhanden als Palladius! man findet ja seines gleichen noch! müssen es denn lauter Mareschalle seyn?

COELESTINA. Was sagest du von dem Mareschall? ich liebe nicht seinen Stand / sein Gut / sein Geschlecht / sondern nur ihn allein! ach / daß er der ärmeste auff der gantzen Welt wäre / und ich die grösseste Princessin / so könt ich ja vielleicht Mittel finden ihn zu meiner Liebe zu bewegen.

CAMILLA. Jch glaube bey meiner Seelen Seeligkeit / und wolte darauff sterben / daß unter allen Jungfrauen in dieser Stadt nicht eine / ja unter Eilff- Tausenden kaum eine zufinden / die dieser Ketzerey zugethan.

COELESTINA. Vielleicht ist in dieser Stadt / ja unter Eilfftausenden / nicht eine / die verstehe / was rechte Liebe sey. Sie lieben Geld / sie lieben Stand / sie lieben Ehre / und wenn sie sich in ihrem Sinn betrogen finden so verkehret sich die feurige Liebe in unauslöschlichen Haß. Jch liebe[81] diß an Palladio, was ihm keine Zeit / keines Fürsten Ungenade / keine Kranckheit / kein Zufall nehmen kan / nemlich seine Tugend.

CAMILLA. Jch hasse diß an Palladio, was ihm keine Zeit / kein Unfall / keine Widerwertigkeit nehmen wird / nemlich seine hartnäckigte Undanckbarkeit.

COELESTINA. O / er komt selber! was hindert mich daß ich ihm nicht entgegen gehe?

CAMILLA. Last uns in der Thüren stehn! meine Jungfrau wird dennoch Gelegenheit haben ihn anzusprechen.

PALLADIUS. Das ist eine frembde Sache / die mir der Stadthalter erzehlet von unserm Capitain Daradiridatumtaride, daß er ihm seine Braut mit einer so trefflichen Güldenen Kette verbunden! andere mögen hinfüro die Augen besser auffthun! doch ich schätze mich glückselig / nach dem ich Eudoxien erblicket / daß ich jener Bande so leicht erlediget worden. Aber / was ist dieses / ich dachte wol es würde an Coelestines Gesichte nicht fehlen! Der Jungfrauen meine Dienste.

CAMILLA. Mich verdreust dieses Schauspiel länger anzusehen. Mich jammert der armseligen Coelestinen!

COELESTINA. Mein Herr / ich dancke ihm von Hertzen für so werthes Anerbieten / und wündsche zu der neuerlangten Ehre von dem Allerhöchsten ihm stets beständiges Glück und immerblühendes Wohlergehen!

PALLADIUS. Der Wundsch ist mir übermassen angenehm / und wäre noch angenehmer / wenn er nicht mit diesem Seufftzen besiegelt wäre.

COELESTINA. Jch mag wohl seufftzen. Ja weinen möchte ich / wenn ich bedencke / welch einen werthen Freund ich verlohren.

PALLADIUS. Die Jungfrau erzehle / wen sie verlohren / daß ich Gelegenheit nehmen könne mein Mitleiden gegen sie zu erweisen.[82]

COELESTINA. Mein Herr / ich habe ihn selbst verlohren / sein höherer Stand hat mir ihn geraubet! auch ist es vergebens / daß er mich seines Mittleidens versichert; weil ich es nie damals von ihm hoffen können / da er noch der vorige Palladius gewesen.

PALLADIUS. Mein Stand ist mir um keiner anderen Ursachen willen angenehm / als daß ich vermeine / in und durch denselben meiner Werthen mehr und angenehmere Dienste zu leisten.

COELESTINA. Wolte GOtt / ich könte derselben seiner Werthen auffwarten!

PALLADIUS. Meine Jungfrau müste ihr denn selbst auffwarten.

CAMILLA. O falsche Wort! O verlarvetes Gesicht!

PALLADIUS. Was sagt Jungfrau Camilla?

CAMILLA. Nichts / als daß ihre Genaden in dem Wahn / daß sie Fräulin Eudoxien vor sich haben.

PALLADIUS. Warum das? verdienet Jungfrau Eudoxia nicht alle Ehrenpflicht?

COELESTINA. Mein Herr / ich muß es gestehen / daß sie die höchste verdiene: weil sie dem Gefallen / welchem nichts / als die Vollkommenheit selbst gefallen kan. Jch wündsche nur / daß selbige ihm ewig gefallen möge!

PALLADIUS. Sie gefällt mir nicht anders / als alle Fräulin von Tugend und Stande / welchen ich schuldig bin mit Darsetzung meines Lebens zu dienen; und Jungfrau Coelestina hat nicht anders von mir zu vermuthen / als eine auffrichtige Gewogenheit.

COELESTINA. O kalte Worte! mein Herr Palladi! ich bitte / er sey auffs wenigste eingedenck / daß Coelestine sich glückselig schätzen würde / wenn mein Herr Gelegenheit finden möchte / sich ihrer Güter und Mittel zu gebrauchen.

PALLADIUS. Habe ich nicht Ursach mich über Jungfrau Coelestinen zu beklagen / die mir ihre Güter anbeut / und die Gunst versaget / das ist / die Schalen anbietet und die Frucht vor sich behält.

COELESTINA. Man überreichet die Frucht keinem dem sie[83] nicht angenehm / vornemlich / wenn sie für sich selbst unwerth. Solte sich aber Gelegenheit finden / in welcher ich darthun könte / wie hoch Coelestine Palladium ehre / wolte ich kein Bedencken tragen / dieses mein weniges Leben vor das seine auffzusetzen.

PALLADIUS. O auffrichtiges Gemüth! Warum laß ich mich länger meine eigene Fantasien verleiten? Wolte GOtt / wertheste Jungfrau / mir were möglich ihr mit gleicher Liebe und Ehren-Neigungen zu begegnen. Unterdessen / gebe ihr ich mich selbst zu einem Pfande der von mir versprochenen Dienste / und bitte sie / sie geruhe zu glauben / daß sie die einige sey / welche durchaus und allein über Palladium gebieten mag.


Coelestina weinet.


CAMILLA. Mein Herr Palladi, wir haben die hohen Worte des Hofes längst kennen lernen!

PALLADIUS. Der Hoff führe solche Worte / wie er wolle! meine Worte sollen ewig feste bleiben. Jch schliesse mit dieser Faust / mit welcher ich die ihre umfange / die ich inbrünstig küsse.

COELESTINA. Mein Herr Palladi, was werde ich ihm für so werthes Geschenck übergeben können / daß ihm angenehm?

PALLADIUS. Jch begehre nichts / als ihre mir zuvor versprochene Gewogenheit!

CAMILLA. Meine Jungfrau / ich höre Volck ankommen.

COELESTINA. Jch bitte / mein Herr Palladi, trete etwas mit ab in mein Hauß / in welchem er über alle zu gebieten!


Selenissa. Antonia.


ANTONIA. Jch bin das allerelendeste Weib / das auff der Erden lebet!

SELENISSA. Der Auffschneider! der Holuncke! der Cujon! der Berenheuter! der Landlügner! der Ehren-Dieb![84] der Ertzberenheuter! Jch elende verlassene Jungfrau! was fange ich an?

ANTONIA. So gehts / wenn man der Eltern guten Rathe nicht folgen will.

SELENISSA. Jch will ihm seine falsche Kette um den Hals werffen / und den Buben darmit erwürgen.

ANTONIA. Jhr werdet beyde zu Landläuffern werden / und ich vor Wehmuth sterben müssen.

SELENISSA. Ey Frau Mutter! es ist noch Rath / Palladius liebet mich von gantzer Seelen. Er wird kein Mittel unterlassen mich von dem Betrieger loß zu machen: Bonosus ist auch der meine / nehmet nur die Mühe auff euch / und redet ihn an / ich wil Gelegenheit suchen Palladium zu finden. Es sind ja Mittel vor alles Ubel / ausser dem Tode.

ANTONIA. Sol ich gehen / und soll unsre eigne Schande an die grosse Glocke schreiben? Die du vorhin so liederlich verachtet hast / werden nunmehr viel nach dir fragen.

SELENISSA. Frau Mutter / man muß das euserste versuchen! Jch wil mich lieber lebend begraben lassen / als mit diesem leichtfertigen Menschen vermählen. O sehet! sehet! das Glück selber spielet mit uns. Herren Palladii kleiner Page kommet dort hervor / durch diesen kan ich ihm auffs beqvemste meine Meynung wissen lassen.


Florianus. Antonia. Selenissa.


FLORIANUS hat beyde Hände voll Zuckerwerck / und taumelt von einer Seiten zu der andern. A sa! sa! sa! Jch bin sticke wicke voll! daß ist ein frölicher Tag / ich wollte / daß diß Leben hundert Jahr wäre / und dieses der erste Tag seyn solte! Der Herr Mareschall wird Morgen ein trefflich Pancket halten. Deswegen hat er mich nach[85] hause geschickt / daß ich es bestellen soll / wie ich aber die Thüre heraus gehen wolte / begegnete mir Jungfer Rosinichen / die ließ confect herauff tragen. Jch küssete sie einmal / und sie füllete mir alle beyde Hosen- Säcke voll Zucker Näscherey.

SELENISSA. Was saget er von dem Mareschall? Er wird ja nicht von dem Palladio abgeschafft worden seyn?

FLORIANUS. Sehet aber / was trug sich ferner zu; es blieb bey diesem Glücke nicht / Jungfrau Camilla ruffte mir zurück / und fragte ob ich nicht Durst hätte / und reichte mir eine grosse silberne Kanne von rotem süssen Weine / die schier so groß war / als ich selbst. Jch erbarmete mich darüber / und tranck aus allen meinen Kräfften / biß nicht ein Tropffen mehr darinnen übrig. Hernach lieff ich fort / und sah' daß Jungfer Coelestina an statt einer Thür zwey gebauet hatte! nu das gehet auff Hause zu.

SELENISSA. Florentin, steh stille.

FLORIANUS. Ho la! wer ruffet mir?

SELENISSA. Kennest du mich nicht mehr Florian?

FLORIANUS. O Jungfrau Selenissa, habt ihr doch zwey Häupter und vier Augen bekommen! O sehet doch / wie viel Sonnen! eine / zwey / drey / viere / fünffe.

SELENISSA. Höre doch Florian, was ich dir sagen will?

FLORIANUS. Guten Morgen! guten Morgen / Frau Antonia!

ANTONIA. Es ist ja nicht Morgen / ist es doch schon über Mittag.

FLORIANUS. Jungfrau Selenissa, wolt ihr ein paar überzogne Mandelkernen haben / oder ein Stücke Marzipan / die Lippen werden so süsse darnach werden.

SELENISSA. Wo hast du so viel confect bekommen?

FLORIANUS. Wo! bey Jungfrau Coelestinen ist die gantze Taffel voll gesetzet. Wir werden Hochzeit machen: Der Herr Marschall und Jungfrau Coelestina, und ich und Jungfrau Rosinichen.[86]

SELENISSA. Dienst du nicht mehr Herren Palladio?

FLORIANUS. Warum solte ich nicht mehr bey ihm dienen / sonderlich nun es so stattlich bey uns hergehet / morgen wird er uns allen neue Hosen und Mäntel geben von gelbem Sammet mit grünen güldenen Posementen.

ANTONIA. Was machst du denn bey dem Mareschall?

FLORIANUS. Jhr seyd truncken / Frau Selenissa, und auch ihr Jungfer Antonia! wenn ich bey Herrn Palladio bin / so bin ich ja bey dem Mareschall; wisset ihr nicht / daß mein Herr ist Marschall worden?

ANTONIA. O daß erbarme GOtt in Ewigkeit! Tochter Tochter / wir sind verlohren.

SELENISSA. Frau Mutter / es ist noch nichts nicht verlohren.

FLORIANUS. Jungfrau Selenissa! Auff meines Herren Hochzeit wollen wir mit einander tantzen!

SELENISSA. Ja wenn dein Herr wird mit mir Hochzeit haben.

FLORIANUS. Nein / nein! er wird mit Jungfrau Coelestina Hochzeit haben.

ANTONIA. Jch rauffe mir die Haare aus dem Kopffe.

SELENISSA. Wer hat das gesaget?

FLORIANUS. Jch habe es gesaget / mein Herr hat es gesaget / und Jungfer Coelestine hat es gesaget. Ach! er hat Jungfrau Coelestinen eine Schnur Perlen gegeben sechs Ruten lang / jedwede Perle war so groß / als mein Kopff / und einen grossen güldnen Ring mit einem gläntzernden Steinlein / nicht einen solchen Rinck / wie ihr mir neulich verehret; Nein / er war mehr als zwölff Silbergroschen werth.

SELENISSA. Was hat ihm Jungfrau Coelestina gegeben?

FLORIANUS. Sie küsset ihn / daß es eine Lust zu sehen war / gab ihm einen Hauffen Rosinen / Feigen / überzogne[87] Mandelkernen / überzogne Zienement / sie ließ die Musicanten holen / und stackte ihm an den kleinen Finger ein so gläntzend Steinlin / mit einem Ringe / daß ich mich drüber verwundern muste. Diese Worte singet er. Jch muß heimgehen / heimgehen / lasset mich heimgehen / daß ich bald wiederkommen kan; Jch höre so gerne singe Christoffen zu / der hat ein krummes Eisen von Messing / das stecket er in den Hals / und zeucht es immer auff und nieder / biß seine Gedärme zu schnurren beginnen.

SELENISSA. Wilst du nicht deinem Herren ein kleines Brieflein bringen / welches ihm ein guter Freund geschicket.

FLORIANUS. Gar gerne. Gebet mir den Brieff her.

SELENISSA. Lauff nach Hause; Wenn du wirst vorüber gehen / so klopfte hir an: ich wil den Brieff suchen.

FLORIANUS. Guten Tag denn / Jungfrau Antonia, guten Morgen / Frau Selenissa!

ANTONIA. O Tochter! Tochter! welch ein Glücke hast du muthwillig verschertzet?


Cyrilla. Daradiridatumtarides. Sempronius.


CYRILLA. Qvibus, qvabus! sanctus Haccabus. Surgite mortis; fenitur sie judis. Ach Jusuph du lieber Mann / bist mein Compan. Pater nisters gratibis plenis.

DARADIRIDATUMTARIDES. Unsre Erden-eindrückende Schenckel / les portecorps de moy mesme, werden nunmehr den betlichen Himmel meiner irdischen Juno, nieder treten sollen. Weil wir aber es an nothwendigen Speisen nicht müssen ermangeln[88] lassen, wollen wir unterdessen diesen Ring zu Pfande setzen / biß wir Gelegenheit haben selbigen wider an uns zubringen. Mein Diego hat die alte Cyrille, la diablesse des femmes, hieher bestellet / die wollen wir nun erwarten / denn wenn sie zu uns in das Hauß kommen solte würde es nur Argwohn verursachen.

CYRILLA. Der Kackelthen Drumtraris hat mich auff diesen Ort erbitten lassen / er wird vielleicht / weil er Hochzeit machet / meiner Hülffe von nöthen haben!

DARADIRIDATUMTARIDES. Dort kommet sie hergeschlichen.

CYRILLA. Da kommet er gegangen / Cosper, Baltzer, Melcher zart / Herodis hatte einen langen Bart / sie liegen zu Köllen am Rheine.

DARADIRIDATUMTARIDES. Bonjour, Bonjour, Madame Cyrille.

CYRILLA. Was saget ihr / o Hure / o Hure Mame Zyrille! och Herr! och Herr GOtt! heissen mich doch nun alle Leute eine Hure / sie thun mir groß Unrecht! ich halte Caetherle hat irgend was gesaget.

DARADIRIDATUMTARIDES. Je vous recontre heuresement.

CYRILLA. Seyd ihr contra Band.

DARADIRIDATUMTARIDES. Qvoy!

CYRILLA. Hoy! hoy!

DARADIRIDATUMTARIDES. Comment vous estes vous porté.

CYRILLA. Schreyet ihr über mich Mord und Weh? O mein Lebenlang habe ich kein Kind umgebracht!

DARADIRIDATUMTARIDES. Qvel Diable.

CYRILLA. Daß ich sie sabele.[89]

DARADIRIDATUMTARIDES. Jhr verstehet den Teuffel.

CYRILLA. Ach Herr / ich verstehe mich nicht mit dem Teuffel. Ach! in principipis Sie macht ein Creutze. ero verbibus, was erlebet man auff seine alte Tage nicht?

DARADIRIDATUMTARIDES. Jhr verstehet mich nicht recht / Frau Cyrill. Jch hab anders mit euch zu reden / Entendez vous.

CYRILLA. Tand zu der Kuh. Herr eine gute melcke Kuh ist kein Tand.

DARADIRIDATUMTARIDES. Ey mit dem Narrenpossen / Ecutez ecutez, Frau Cyrilla.

CYRILLA. Ja Herr / ich bin heut in den Koth gefallen / die schelmischen Jungen die Brodtschüler haben mich hinein gestossen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Jch darff nöthig Geld.

CYRILLA. Das sagt die gantze Welt.

DARADIRIDATUMTARIDES. Könnet ihr mir nicht auff diesen Ring etwas zuwege bringen? Doch ihr müstet ihn in einen Ort tragen / daß er nicht erkennet wird.

CYRILLA. Das will ich gar gerne thun. Aber Herr Muscetariis, wenn wolt ihr das Geld haben?

DARADIRIDATUMTARIDES. Noch heute vor Abends / si cela est dedans la sphere d'activite de vostre cognoissance.

CYRILLA. Es ist ein schweres gehacke / rothe Eyer in die Mohnsantzen. Doch will ich sehen / was ich kan zuwege bringen.[90]

DARADIRIDATUMTARIDES. Kommet fein zeitlich wider / und lasset mich durch Don Diego wissen / was ihr verrichtet. Adieu.

CYRILLA. Nu der liebe GOtt bewahre euch. Das sagen die sieben Siegel / das alle Fische werden brüllen / die Engel werden weinen / und werffen sich mit Steinen / die Wege werden schwimmen / die Wasser werden glimmen / die Gräßlein werden zannen / und alle hoche Tannen. Da kommet her Feccphoniis, dem werde ich den Ring geben / und werde sprechen / daß ihm Jungfrau Coelestina dieses Liebes Pfand geschicket. Die Perlen will ich vor mein Kätterlein behalten / und den Kackelthen wil ich anderwerts wo ich kan / forthelffen.

SEMPRONIUS. Ut nox longa qvibus mentitur amica diesqve. Horatius in Satyr. Tot sunt in amore dolores. Virgilius in Ecclog. Wo mag sich Cyrille so lange auffhalten / suspicatur animus nescio qvid mali, videone illam? sie ist es selbst.

CYRILLA. Jm Himmel / im Himmel / sind Freuden so viel / da tantzen die Engelchen und haben ihr Spiel.

SEMPRONIUS. Expectata venis!

CYRILLA. Fragt ihr / ob Speck zu Wehn ist? O ich bin mein Lebenlang nicht dorte gewesen.

SEMPRONIUS. Διὰ τί οὕτω βραδέως ἥκεις;

CYRILLA. Nein / der Tod hat mich nicht geküsset.[91]

SEMPRONIUS. Non asseqveris divinas ratiocinationes meas, nec satis aptè respondes ad qvaesita.

CYRILLA. O Herr / ihr redet gar zu geschwinde. Jch weis nicht / ob es Böhmisch oder Polnisch sey.

SEMPRONIUS. Loqvar ergo tardius.

CYRILLA. Woher irgend ein Marder ist?

SEMPRONIUS. Antwortet purè.

CYRILLA. Beym heilgen Creutze / ich leid es in die Länge nicht! Last mich mit der Hure ungestichelt / bin ich eine / so bin ichs vor mich! Was ist euch daran gelegen? mir geschicht unrecht! ich bin so reine / als ich von Mutterleibe geboren worden bin! alle Leute heissen mich heute eine Hure. Ketterle / Ketterle muß geschwatzet haben.

SEMPRONIUS. Bildet euch doch nicht dergleichen Gedancken ein / absit injuria!

CYRILLA. Nun sehet / ihr heisset mich eine Pfaffenhure und ich soll immer schweigen.

SEMPRONIUS. Ey nein doch / ich rede Ciceroniane / und ihr verstehet es nicht.

CYRILLA. Jch verstehe genung / daß ihr mich stichelt / und außholippert.

SEMPRONIUS. Jch frage / qvid respondet Coelestina?

CYRILLA. Ja / ja / sie ist verwundet Coelestina, sie lässet euch einen freundlichen guten Tag vermelden.

SEMPRONIUS. Evax!

CYRILLA. Nein Herr / es ist nicht Kickskacks. Sie nahm die Perlen / und hieng sie an ihren Hals. Ach sie thät so freundlich das liebe Kind![92]

SEMPRONIUS. Deus sum!

CYRILLA. Sie gab sie nicht Matthesen um: sie behilt sie selber.

SEMPRONIUS. Qvid me beatius?

CYRILLA. Sie sagte nichts von Pilatzius!

SEMPRONIUS. Aber / num qvid addidit?

CYRILLA. Ob sie Vieh hütt?

SEMPRONIUS. Thut sie mir sonst kein präsent?

CYRILLA. Ja Herr / sie küsset euch die Händ / und schicket euch diesen Rinck; Sie lässet euch darneben einen guten Abend sagen / und andeuten / daß ihr auff den Abend um neune sie besuchen sollet in dem hinter Garten.

SEMPRONIUS. Υμὴν ὦ ὑμέναιε, ὦ ὑμήν.

CYRILLA. Simen wird nicht auff die Zeit zu Hause seyn.

SEMPRONIUS. Jch werde rasend prae laetitia atqve gaudio.

CYRILLA macht ein Creutz. Je behüte GOTT / Herr Ficfonys! ich hab es lange gedacht / daß er nicht muß klug seyn / weil er so seltzame Worte im Reden gebraucht.

SEMPRONIUS. Jch bin nicht unsinnig / sondern es ist eine Art also zu reden bey den Lateinern.

CYRILLA. Nu wollet ihr denn auff den Abend kommen?

SEMPRONIUS. Ἀσμένως ποιήσω.

CYRILLA. Nicht zu Herr Asman, sondern zu Jungfer Coelestinen.

SEMPRONIUS. Sic, sic, sic, sic, sic, sic, sic, sic, sic, sic.

CYRILLA. Je Herr ist doch keine Ziege dar!

SEMPRONIUS. Jch will schon da seyn mellea.

CYRILLA. Herr sie wird euch keine Merlin geben.

SEMPRONIUS. Unterdessen will ich gehen / und auff diesen[93] Rinck hoc amoris pignus, hanc fidei arrham, dreissig tausend Epigrammata, siebenhundert Sonneten / Septenarius est numerus mysticus, und hundert Oden machen.

CYRILLA. Jch will auff den Abend mich in den Garten verstecken / daß Herr Sephonius glaubt / Jch sey Coelestine, und kriegt er mich einmal / so muß er mich behalten sein Lebenlang.


Sophia. Flaccilla. Dionysius.

Palladii Gesinde mit blossen Degen um ihn her. Dionysius hat die Jungfrau auff den Arm. Flaccilla laufft hinter ihnen her.


SOPHIA. Gewalt / Gewalt! O rettet! rettet! kommet mir zu Hülffe / die ihr Ehre und Keuschheit achtet.

FLACCILLA. Kommt mir zu Hülffe / rettet! rettet!

DIONYSIUS. Fort ihr Brüder / fort! fort! gebet Feuer wo iemand kommet.

SOPHIA. O Himmel / ist denn keine Hülffe mehr verhanden!


Horribilicribrifax. Harpax.


HORRIBILICRIBRIFAX. Jch höre Gewalt ruffen! sind die Pistolen richtig?

HARPAX. Recht wol / gestrenger Herr!

HORRIBILICRIBRIFAX. Solte einer sich unterstehen eine Gewalt dar zuverüben / wo der grosse Horribilicribrifax (Essend' io persona d'altissimo affare) zugegen / da müste der Himmel drüber brechen / und die Erden in lauter Staub verkehret[94] werden. Kommet / wir wollen folgen. Qvesta è di cosa decente al esser mio.

HARPAX. Jch folge. Wo Noth vorhanden / wird mein Herr gewiß der fertigste zu dem Lauff seyn / und ich der nechste hinter ihm!

Quelle:
Andreas Gryphius: Horribilicribrifax Teutsch. Stuttgart 1976, S. 75-95.
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Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

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