Der dritte Auffzug.

[55] Bonosus. Palladius.


PALLADIUS. Es ist nicht anders / als wie ich erzehlet! Selenissa achtet weder meines Standes / noch seiner Vortreffligkeit. Sie ist mit dem Großsprecher nunmehr fest.[55] Mich schmertzt nicht mehr / als daß wir / wegen der nichts werthen unbedachtsamen / solche heimliche Feindschafften und Verbitterungen gegen einander getragen. Er hat die unvergleichliche Ariana verlassen / und ich habe die Sinn- und Tugendreiche Corneliam geringe gehalten / ja schier gezwungen meinen Vetter zu heyrathen / damit ich desto freyer dieser Wanckelmütigen auffwarten könte.

BONOSUS. Solte es aber wohl möglich seyn / daß es geschehen?

PALLADIUS. Des Capitains Diener / welcher des meinen Landsmann und getreuer Camerade, hat anitz in meinem Hause den gantzen Zustand entdecket.

BONOSUS. Unbesonnene! thörichte! leichtfertige undanckbare Selenissa!

PALLADIUS. Mein Herr / last uns nicht auff sie fluchen / ich trage ein hertzliches Mittleiden mit ihr / sie darff keiner Straffe mehr / die durch eine solche Heyrath mehr denn überhefftig gestraffet wird.

BONOSUS. Wo ich dem Capitain auff seine Hochzeit nicht einen sondern Schimpff erweise / so müsse die gantze Stadt von meiner Zagheit sagen.

PALLADIUS. Mein Herr / der hat Schimpffs mehr denn zu viel / dem man keinen Schimpff mehr erweisen kan. Die gantze Welt hält ihn für einen Landlügner. Er steckt in tausend Schulden vertäuffet biß über die Ohren. Selenissa hat auff der Welt nichts! wie kan man beyden mehr Unglücks wündschen?

BONOSUS. Jch kan mich nicht genung verwundern über der thörichten und unbesonnenen Jugend!


[56] Cleander. Bonosus. Palladius.


CLEANDER. Recht! Finde ich die Herren und wehrteste Freunde hir beysammen! Ich habe Herren Palladium den gantzen Morgen gesucht.

PALLADIUS. Mein Herr / die Ehre / die er seinem geringsten Diener erweiset / ist zu hoch! und ich bin schuldig ihm auch sonder sein Begehren stets auffzuwarten.

CLEANDER. Mein Herr Palladi, die Worte sind unvonnöthen. Jch komme anietz auff Befehl ihrer Durchlauchtigkeit / unsers gnädigsten Fürsten ihn auff den Hoff zufodern / da er den Eid / als von ihrer Fürstl. Durchl. selbst erkohrner Mareschall ablegen soll; zu welcher von ihm wohl verdienten Erhöhung ich ihm was er selbst begehren mag / von Hertzen verwüntsche.

BONOSUS. Was höre ich / Herr Cleander?

PALLADIUS. Jch halte mein Herr treibet den Spott mit seinem Diener!

CLEANDER. Was solte ich vor Ursach zu spotten haben in so wichtiger Sache. Jch bitte mein Herr wolle bald sich mit auff den Hoff begeben / und nach abgelegter Pflicht mir / nebenst andern werthen Freunden / welche sich über dieser seiner neuen Ehre höchlich ergetzen / seine Gegenwart an meiner Taffel gönnen! Mein Herr Bonosus wird / wie ich auffs höchste ihn bitte / kein Bedencken tragen uns Gesellschafft zuleisten.

BONOSUS. Mein Herr Palladi, ich erfreue mich höchstens über seinem unverhofften / doch wohlverdienten Glücke.

PALLADIUS. Mein Herr / ich weiß bey diesem Zustand nicht / wie oder wem ich zuförderst zu dancken verpflichtet; Diß einige ergetzet mich / daß ich Mittel an die Hand bekommen / ihnen in der That zu erweisen / daß ich ihrer allerhöchst verpflichtester Diener.


[57] Sempronius. Cyrilla.


SEMPRONIUS. Amor vinumqve nihil moderabile svadent.

CYRILLA. Schwaden in Milch gekocht ist gut.

SEMPRONIUS. Nihil ad Rhombum.

CYRILLA. Michel worum drum?

SEMPRONIUS. ᾽Εγὼ σκόροδά σοι λέγω, σὺ δὲ κρόμμυ᾽ ἀποκρίνεις.

CYRILLA. Ja freylich muß man das Korn lesen / wenn es krum und nicht grüne ist.

SEMPRONIUS. Jch rede de plaustris, ihr antwortet de trahis.

CYRILLA. Jhr redet von der Plautze / die ich wegtrag itz?

SEMPRONIUS. Jch rede von meinem Cordolio.

CYRILLA. Jo ich hab den Korb voll jo.

SEMPRONIUS. Von meiner Coelestina, bey der ihr um Antwort anhalten sollet / wo es in fatis.

CYRILLA. Ja ich soll fragen / ob sie Fladen isst?

SEMPRONIUS. Der sollet ihr bringen diese margaritas.

CYRILLA. Das soll ich bringen meiner Margritte.

SEMPRONIUS. Jhr sollt die Perlen Jungfer Coelestinen geben sag ich / zu einem Mnemosyno.

CYRILLA. Sol ich sie geben meinem Sohn?

SEMPRONIUS. Ey nein doch / ihr sollet sie zustellen Fräulein Coelestinen zum Mnemosyno.[58]

CYRILLA. Ja ich meine so.

SEMPRONIUS. Wenn seh ich euch rursus.

CYRILLA. Herr ihr vergesset euch / ich heisse nicht Urse.

SEMPRONIUS. Ερωτάω.

CYRILLA. Ein rot Auge?

SEMPRONIUS. Ego qvaero, ego interrogo, ego sciscitor, das heist / ich frage euch / quando reversura sis?

CYRILLA. Nu seht nur Herr / ihr redet so geschwinde / und fraget immer / ob Anne eine Hure ist.

SEMPRONIUS. Ey was ist mir daran gelegen. Jch frage / wenn ihr wiederkommen wollet mit Antwort und guter Verrichtung.

CYRILLA. So bald es möglich.

SEMPRONIUS. ὕπαγε εἰς εἰρήνην.

CYRILLA. Ja / ja ich wohne hierinnen.


Coelestina. Camilla.


COELESTINA. Nun ists vergebens! meine Hoffnung ist todt! Himmel / muß meine getreue Liebe mit einem so traurigen Außgang belohnet werden!

CAMILLA. Gedult und Zeit / werthe Jungfrau / ändert und heilet alles.

COELESTINA. Die Wunde ist zu groß / und der Schmertz zu hefftig.

CAMILLA. Jch glaub es gern / daß nichts verdrießlichers und schändlichers / als wann man treuer Liebe mit Undanck begegnet. Aber was kan euren Verstand besser auff den rechten Weg bringen / als wenn ihr überleget / wie übel er mit euch biß anher gehandelt.[59]

COELESTINA. Aber warum schneid ich mir selbst alle Hoffnung ab? liebeste Camilla, suche doch noch einmahl Gelegenheit mit ihm zu reden / und ihm meine grosse Gewogenheit zu verstehen zu geben.

CAMILLA. Meine Jungfrau / hat er sie nicht geachtet / als er noch im geringerm Stande geschwebet / was wird er ietzund thun / nun er so unversehens so hoch gestiegen? Ehre ändert die Gemüther und macht aus Muth Hochmuth.

COELESTINA. Wolte GOtt / sie änderte sein Gemüthe / daß er ein wenig besser um sich sehe und betrachtete / wer diese wäre / die er verachtet.

CAMILLA. Ach / meine Jungfrau! Jhr begehret ein Wunderwerck und eine zu unsern Zeiten unerhörte Sache! kennet ihr Palladii unveränderlichen Vorsatz nicht? Eher wolte ich wilde / ja Felsen bewegen / als ihn / wenn er einen Schluß einmal gefasset.

COELESTINA. Mit einem Wort / ich höre nichts mehr als meine Verdamnüß in dem Rechtshandel der Liebe.

CAMILLA. Es kan hier nicht anders seyn. Euer Richter ist gar zu unbarmhertzig.

COELESTINA. Gilt denn keine fernere Beruffung? kein Auffschub? keine Linderung des Urtheils?

CAMILLA. Zu oder vor wen wollen wir des zihen?

COELESTINA. Zu Palladio selber: wofern meine Schönheit / meine Jugend / mein Stand / Vermögen und Tugenden / welche andere / ihrer Einbildung nach / bey mir reichlich antreffen / nicht seiner Gunst würdig; wird ihm doch vielleicht meine unvergleichliche Standhafftigkeit zu Gemüthe dringen.

CAMILLA. Jch fürchte gegentheils / er werde unsers Elendes spotten / und uns aus seinem eignen Munde hören[60] lassen / was wir schon ohne diß vernünfftig muthmassen können.

COELESTINA. Jch bin bereit nicht nur aus seinem Munde das Urtheil meines Todes anzuhören / sondern wolte wündschen / wenn möglich / von seiner Hand zu sterben; ja ich wolte mir solchen Untergang für die höchste Glückseligkeit und letzte Ervöllung alles meines Wündschens halten.

CAMILLA. Jch bin weit anders gesinnet. Aber / ich sehe den Capitain! last uns beyseit / daß er meiner Jungfrauen nicht verdrießlich falle.


Capitain Horribilicribrifax. Harpax.


HORRIBILICRIBRIFAX. Hast du es glaubwürdig vernommen?

HARPAX. Mit diesen meinen zweyen Ohren hab ich es gehöret.

HORRIBILICRIBRIFAX. Und du hast es gehöret?

HARPAX. Jch hab es gehöret.

HORRIBILICRIBRIFAX. Du hast es gehöret?

HARPAX. Jch / ich / ich / ich hab es gehöret.

HORRIBILICRIBRIFAX. Mit deinen Ohren?

HARPAX. So wol mit den Ohren / als offnem Munde / ja Gehirne und allen fünff Sinnen!

HORRIBILICRIBRIFAX. Daß Sempronius sich unterstehet seine Gedancken da einzuqvartiren / wo allein der unüberwindliche Horribilicribrifax Winterläger halten soll?

HARPAX. Signor Capitano, wird eure Herrligkeit nicht bey Zeiten darzu thun / so dürfften noch wol andere / als Sempronius ehe eine Feldschlacht aldort liefern / als er an das Winterqvartir gedencken.

HORRIBILICRIBRIFAX. Se mi monta il grillo nella testa, sarò huomo da[61] scannar Marte e Morte, e Sempronio, e far si, che di lei non si ragioni mai piu. Welch Bellerophon, Rinocerote, Olivir, Palmerin, Roland, Galmy, Peter mit dem silbernen Schlüssel / Tristrant, Pontus, dürffen sich unterstehen nur dergleichen Sache zugedencken / schweige denn ins Werck zusetzen. Jch erbasiliske mich gantz und gar / die Haare vermedusiren sich in Schlangen / die Augen erdrachen sich / die Stirne benebelt sich mit Donnerspeienden Wolcken. Die Wangen sind Aetna und Mon Gibello, die Feurfuncken stieben mir aus dem Munde wie aus dem Heckelberge / der Hals starret wie der Thurm zu Babel / es blitzet mir im Hertzen nicht anders / als wenn tausend Hexen Wetter darinnen gemacht hätten. Jedweder Finger vertheilet sich in noch dreissig andere. Die Füsse schiessen in so viel Wurtzeln aus. Somma ich erzürne mich zu tode. Io Sputo Archibusi, Pistolle, e fulmini, daß mir nicht einer von den Mordvögeln entgegen geflogen käme / daß ich meinen Grimm an ihm auslassen könte / mit einem Anblick wolte ich ihn in lauter Asch verkehren nicht anders / als die Granaten / wenn sie in die Heuschober fliegen.[62]

HARPAX. Signor Capitano, Signore e Patron mio gloriosissimo, darff ich euch unter Augen treten?

HORRIBILICRIBRIFAX. Wozu dienet diese Frage?

HARPAX. Jch fürchte / ihr möchtet mich auch anzünden / ich bin etwas dürre von Hunger.

HORRIBILICRIBRIFAX. Sey sonder Sorge! meine Augenstralen haben Verstand. Qvelli che meco vivono, e che Servono la persona mia ornata di tanti trofei e triomfi, non vivono in pericolo.

HARPAX. Nun ist Noth vorhanden: Sempronius komt selbst selber zu seinem Unglück E. Herrligkeit in die Hände.


Horribilicribrifax. Sempronius. Harpax.


SEMPRONIUS. Omnes homines summa ope niti decet, ne vitam silentio transigant veluti pecora. Salust. de Conjuratione Catilinae. Multa dies variusque labor mutabilis aevi rettulit in melius. Virgil. lib. 9. AEn. Amavi, amavisti, amavit, amo, der Fuchs ändert die Haare / nicht das Gemüthe / saget das Deutsche Sprichwort. Unter dieser grauen Aschen meines Kopffs / sub hisce canis, liegen noch viel glüende Kohlen der Liebe verborgen / ignes suppositi cineri doloso. Horatius.[63]

HORRIBILICRIBRIFAX. Er ist verlohren! er hat gelebt! er ist todt.

HARPAX. Ey / Ey / Herr Capitain!

SEMPRONIUS. Sed qvid sibi vult Pyrgopolynices iste qvi ita gladiatorio animo ad nos affectat viam?

HORRIBILICRIBRIFAX. Wer bist du?

SEMPRONIUS. Wer bist du?

HORRIBILICRIBRIFAX. Qvesta è una domanda impertinente, la qvale merita per risposta una pugnalata nel cuore.

SEMPRONIUS. Du magst wohl ein Bernhäuter in der Haut seyn! hastu redliche Leute nicht lernen grüssen? Saluta libenter, sagt Cato.

HORRIBILICRIBRIFAX. Jch werde rasend.

SEMPRONIUS. Helleboro opus est homini! er ist toll.

HORRIBILICRIBRIFAX. Bisogna, ch'io faccia in pezzi, ch'io fulmini, qvaesto ladrone! Sag ihm wer ich sey!

HARPAX. Mein Herr Sempronius thut sehr übel / daß er sich an einem so fürtrefflichen Mann vergreifft! Er ist der Welt berühmte Capitain Horribilicribrifax von Donnerkeil!

SEMPRONIUS. Jst er Horribilicribrifax von Donnerkeil / so bin ich Sempronius vom Wetterleuchten / famâ super aethera notus.

HORRIBILICRIBRIFAX. Tu sei un Bufalo. Wo ich mich recht erzürne /[64] so haue ich euch in kleine Stücken / daß euch die Ameissen in zweyen Augenblicken wegtragen.

SEMPRONIUS. Qvi moritur minis, illi pulsabitur bombis. Wer für Dräuen stirbet / dem läutet man mit Eselsfürtzen aus. Πολλὰ μεταξὺ πέλει κύλικος καὶ χείλεος ἄκρου. Oder meinet ihr / daß ich in meiner Jugend auff der Universität nicht auch habe fechten lernen? πολλῶν ἐγὼ Θρίων ψόφους ἀκήκοα! Huc si qvid animi!

HARPAX. Jch verstehe nichts was er wolle. Jch glaube daß er gesonnen uns zu beschweren.

HORRIBILICRIBRIFAX. Jhr habt die unvergleichliche Coelestinam lieb.

SEMPRONIUS. Das thu ich zu trotz / euch und allen den es leid ist / qvid id ad te?

HORRIBILICRIBRIFAX. Jch sage / daß ich ihrer Liebe würdiger bin.

SEMPRONIUS. Mentiris, Das heist auff deutsch / es ist erlogen.

HORRIBILICRIBRIFAX. Oh qval' oltragio! Sol ich dis Wort hören? was hindert mich / daß ich euch nicht in einem Streich in hundert tausend Stücken zertheile.

SEMPRONIUS. Qvid me retinet, daß ich nicht mit diesem meinem alten guten Spannischen Degen / mit welchem ich auff so vielen Universitäten den Bachanten Löcher geschlagen / den Häschern Schenckel und Köpff abgehauen / die tollesten Teuffel blutrünstig gemacht / die Steine auff der Gassen zuspalten / dem Rectori Magnifico die Fenster ausgestochen /[65] den Pedellen die Füsse gelähmet / eine solche That verübe / daß die Sonne am Himmel drüber erschwartze / und die Planeten zurücke lauffen / nec dum omnis haebet effeoto in corpore Sangvis. Virgil.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ob ich euch wol mit diesem Degen könte auff andre Meinung bringen / (havent'io un giorno nel amfiteatro di Verona ucciso di mia mano molto mille gladiatori) wil ich euch doch darthun aus eurer eignen Wissenschafft / daß ich besser sey als ihr / damit ihr sehen sollet / daß ich eben wohl studiret bin / und in Artem Aratoriam Verstand habe. Jhr seyd ein Gelehrter / und macht profession von dem Buch / als ich von dem Degen. Jst das nicht wahr?

SEMPRONIUS. Rem acu!

HORRIBILICRIBRIFAX. Nu wisset ihr ja wohl / daß man das Buch unter dem lincken Arm trägt: und den blossen Degen in der rechten Hand führet / Ergò gehen die Gelehrten unten und wir oben an.

SEMPRONIUS. Καλῶς. Ergo gefehlet. Als wenn man nicht den Degen auff der lincken Seiten trüge / und ein offen Buch in der rechten Hand hielte: als wenn man nicht die Feder oben auff den Hut steckte / welches ich weitläufftiger mit vielen Syllogismis, Enthymematibus, Soritibus, Inductionibus, Elenchis, Mesosyllogismis, Argumentationibus crypticis, Distinctionibus, Divisionibus, Exceptionibus, außführen könte / nisi res esset liqvidissima per se, und klärer als die Sonne in ipso meridie.[66]

HARPAX. Last uns fliehen / mein Herr / er zaubert / er redet der bösen Geister Sprache.

HORRIBILICRIBRIFAX. Si me lo direte: lo sapero! als wenn ich nicht mit vielen Sonneten, Madrigalen, Qvadrimen, Oden, Canzonen, Concerten, Sarabanden, Serenaden, Aubaden, das Widerspiel beweisen könte: doch damit ich euch Schamröthe abzwinge / und beweise / daß ich ein besser Arator bin / als ihr; so wil ich eine Roration halten die ich gethan / als Pappenheim Magdeburg einnahm / und man kurtz zuvor in dem Kriegsrath herum fottirete. Habt ihr so viel Muhts / so beantwortet mir dieselbe Augenblicks.

SEMPRONIUS. Ego sum contentissimus.

HORRIBILICRIBRIFAX. Harpax, Du solst unterdessen General Tylli seyn. Setze dich derowegen hier nieder. Bildet euch nun ein / hir sitze General Tylli, und neben ihm Feldmarschall Pappenheim. Hora, diamo principio alla narrativa! Es wurd deliberiret, ob man Magdeburg denselben Morgen antasten oder verziehen solte / biß unsre Abgeordneten wieder ins Läger kämen / Don Arias von Toleto, welcher in dem übrigen ein hurtiger Cavalier, aber in dergleichen actionen troppo ardito: hatte vor mir geredet / ich richtete mich con la grandezza mia superbissima e con meraviglia e tremore di tutti circonstanti, auf diese meine marmörne[67] Schenckel / gab ihm einen unversehenen Blick mit diesen zweyen brennenden Carfunckeln / oder gläntzernden Laternen dieses meines fleischlichen Thurms. Die Frantzosen nennen es une olliade.

HARPAX. Jch zittere und bebe über diesem Angesichte!

HORRIBILICRIBRIFAX. Nachmals als ich sah / daß ich dem Don Arias ein Schrecken durch alle Beine gejagt; und sich die gantze Compagnie über mir entsetzete / wolte ich die Gemüther etwas sänfftigen / damit sie mich mit desto grösserer Anmuth hören möchten / derowegen prima d'ogn'altro, bacio le ginochia Jhrer Excellentzen, des Tylli und des Pappenheims / come si conviene. Nachmals / inchinai la testa gegen die umstehenden Herren / und sprach also:

HARPAX. Herr Semproni! ihr habt schon verlohren! Jhr werdet diß nimmermehr nachthun.

HORRIBILICRIBRIFAX. Sintemal Jhre Excellentzeste Excellentze, die Zeit sehr kurtz / in dem wir den Feind vor der Stirne haben und eine Stunde / Minute / ja Augenblick uns die Victorie geben oder nehmen kan; dirò ancor' io qvalche cosa, und wil mit wenigem mein Gemüth entdecken und sagen / daß ob es wohl uns Cavaliren übel anstehe / mehr mit der Zungen / als dem Degen zu reden / und du mein berühmtes Schwerd / tu mia spada fulminea, tagliente e fendente! Wenn du eine Zunge hättest / eben diß sagen würdest; nichts desto weniger wil ich sagen / weil mir zu sagen gebühret / und die Reye zusagen an mich gelanget ist / und wil nicht sagen / daß ich zu beweisen willens / daß ich wohl und viel sagen könte / sondern wil auffs einfältigste[68] vor euch sagen / was mich düncket / das gesaget werden müste / und will nichts weniger sagen / als was gesaget ist von den berühmtesten Leuten / denn wenn ich etwas anders sagete / würde ich sagen wider Kriegsmanier / nach dessen Gewonheit ich auffgestanden bin / etwas zusagen. Und so iemand unter dem Hauffen ist / der sich einbildet / daß er mir sagen dürffte / ich solte nicht also sagen / der mache sich herfür und sage es / ich weiß / daß er nicht anders sagen wird / als was ich sagen wil. Jch sage denn was drey Personen aus diesem unzehlichen und unüberwündlichen Heere werden sagen / können sagen / müssen sagen / wollen sagen / und sagen auch sonder ein Wort zusagen. Die ersten Zwey sind ihr excellentzeste Excellentz, (und hiermit machte ich einen Reverentz) die Dritte bin ich. Weil mir aber nicht wohl anziemet was zu sagen / so schweige ich aus Modestie, und remittire mich im übrigen auff dieselbe / die etwas gesaget haben / und noch sagen werden. Hor su, Finiamo, la qvi. Könte man wohl was schöners gesaget haben / Harpax?

HARPAX. Das ist ein schön untereinander gemischetes Gesage! wäre nicht eine Abschrifft darvon zu erlangen?

HORRIBILICRIBRIFAX. Mi sarà di sommo contento, gar sehr wohl / aber zu einer andern Zeit! itzund last uns hören / was dieser dargegen zu sagen habe.

HARPAX. Monsieur Sempronius, die Reye etwas zu sagen / ist nun an euch gelanget.

SEMPRONIUS. Jch sage derowegen / qvod nihil dictum sit ab eo, qvod non sit dictum prius; und bey dieser Gelegenheit[69] etwas zu sagen / wolte ich lieber also gesaget haben: ὑψηλᾶν ἀρετᾶν Ἄνακτες!

HARPAX. Höret Wunder! höret!

SEMPRONIUS. Daß man mir nicht in die Rede falle! O ihr durchlauchtigsten und unuberwindlichsten Heroës, welcher unvergleichliche Stärcke sich nicht aufhalten lässet in den alten und gedrangen Gräntzen / Montium Pyreneorum, Alpium, Atlanticorum, Apenninorum und Sarmaticorum, sondern weit über die Gräntzen / in welchen Calisto nicht auffgehet / sese penetrat, und herum fähret durch den zwölffthierigen Kreis des Titanis, penetrans die beschwärtzten Aethiopes, streiffet um das Vorgebirge bonae Spei, floret durch die wolrichenden Moluccas, henget sich an die bepfefferte Bengala, gehet fürüber bey denen / ihrer Einbildung nach zwey-äugichten Chinesern, und hält Mittags Ruh in Japan. Jch der ich nicht bin der andere Marcus Tullius Cicero, der nicht erreichen kan lactifluam eloqventiam Titi Livii, qvi non adspiro ad gravitatem Salustianam, neqve asseqvor Cornelii Taciti divinam Majestatem. Jch / sage ich / der ich gleichwol diese Discursus vor die treflichsten halte / οἵτινες περὶ μεγίστων τυγχάνουσιν[70] ὄντες, καὶ τούς τε λέγοντας μάλιστα ὲπιδεικνύουσι, will euch mit vielen Worten nicht auffhalten / cùm alias die Zeit kurtz / & jus sit in armis: Remittire mich also auff die / die bißanher geschwiegen haben / und noch de facto schweigen. Dixi. Was hält Harpax von dieser Oration?

HARPAX. Sie war bey meiner Seel auch schön: ob ich wol kein Wort darvon verstanden habe. Herr Capitain es muß ein verdrießlich Ding seyn einen General abzugeben.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ohimè che parole son qveste? Warum?

HARPAX. Warum? solte er doch tolle werden / wenn er nur iedweden Tag solcher zwey Rorationes hören müste.

HORRIBILICRIBRIFAX. Tu non m'intendi? Va! Va! Du bist ein ignorant, und verstehest nicht Zierligkeit der Wohlredenheit.

HARPAX. Dem sey / wie ihm wolle.

SEMPRONIUS. Aber welches Oration war nu die beste?

HARPAX. Mir ist / als wenn ich bey einer Fürstlichen Taffel sässe / und nicht wüste unter den Gerichten zu wehlen / oder eins mit mir zu werden / welches das Schmackhaffteste. Vertraget euch selber unter einander. Jch resignire euch die Excellentz, mit sampt der Tyllischafft und dem Generalat.

SEMPRONIUS. Ergò ἔρρωσο, Herr Capitain.

HORRIBILICRIBRIFAX. Adio signor Semproni.

HARPAX. Ho / ho / sie kommen ja beyde noch lebend von einander.


[71] Rabbi Isaschar. Frau Antonia.

Der Jude trägt ein silbern Gießbecken unter dem Arm / und die Kanne in der Hand.


RABBI. Ey bey meinem Jüdischen Madda! bey meinem Eyde! es ist nicht anders / als ich euch sage! mezzekenim ethbonan!

ANTONIA. So were ich die elendeste Frau auff dem gantzen Erdboden. Andere reden gleichwol gar anders.

RABBI. Lo jadeu velo jasinu. Jhr werdet das in der That erfahren / denn ich sage euch nichts als die blosse lautere Warheit! Was hatte ich für Ursach euch zu betriegen? ich weiß / ihr seyd eine ehrliche Frau / es ist nicht anders / so wahr / als ich Rabbi bin / und heute gedarascht habe.

ANTONIA. Es scheinet aber unglaublich zu seyn.

RABBI. Unglaublich? warum unglaublich? es geschehen wohl mehr derogleichen Sachen / und ihr kennet das gemeine Sprichwort: Der Tod und Heyrath entdecken alle Dinge / wenn es nicht so wäre / man würde malcanderen den gehelen Dag sonder Ersgatt beschiten / spricht der Holländer.

ANTONIA. Mein lieber Rabbi, seyd mir doch zu Dienste mit zwey oder dreihundert Reichsthalern / nur auff wenige Tage / gegen genugsames Pfand.

RABBI. Ey warum das nicht / liebe Frau? auff ein Jahr[72] und länger / wenn das Chafol Tof und Thuf ist; last mich es schauen!

ANTONIA. Hir hab ich es. Sehet welch eine treffliche Kette mit Diamanten versetzet.

RABBI. Ey Frau Antonia? welch schön Ding ist das? col hefel hefalim!

ANTONIA. Es ist ein trefflich Stück / wie ihr selber sehet / nehmts in eure Hände / und beseht sie gar wohl.

RABBI. Frau Antonia, wir sind gute Freunde; ich habe euch mehrmahls gedienet / und thu es noch gern: Hoffe auch / ihr werdet mir erlauben / daß ich ein omer oder zwey mit euch reden möge. Wie viel begehret ihr / daß ich euch auff diese Chach leihe?

ANTONIA. Dreyhundert Reichsthaler.

RABBI. Wolt ihr / daß ich euch mit einem nifo sage!

ANTONIA. Ey Rabbi Isaschar, machet die Sache nicht schwer! die Kette ist auffs wenigste zwey tausend Ducaten werth.

RABBI. Frau Antonia! mit einem Wort ich wil euch auff diese Kette schilen – – –

ANTONIA. Wie viel?

RABBI. Fünff Silbergroschen! und ist noch heediph.

ANTONIA. Was fünff Silbergroschen? seid ihr toll?

RABBI. Mein / Frau Antonia, ich bin chacham, aber die Kette ist von Messing / und die Steinichen von Glaß. Das sag ich euch bey meinem Jüdischen Alah!

ANTONIA. Wie kan es möglich seyn? es hat sie noch vor[73] zwey Stunden der tapfferste Cavalier an seinem Halse getragen!

RABBI. Traut meinen Worten / und gebt die Kette dem wider / von dem ihr sie empfangen habet. Die Kette ist von Messing. Der braveste Cavalier? O es ist lo achat geschehen! ihr sind mehr / die derogleichen Ketten tragen!

ANTONIA. So ist weder Treu noch Glauben in der Welt!

RABBI. Von wem habt ihr sie geachazt?

ANTONIA. von Capitain Daradiridatumtarides.

RABBI. Hoh? es ist der gröste maschgeh, Bescheisser und Betrüger in der Welt!

ANTONIA. Ey Rabbi, bedencket euch! was saget ihr?

RABBI. Jch wolte es ihm in die Augen sagen / zu heteln, falsche Siegel nachzumachen / Handschrifften zuverfälschen / Brieffe zu erdichten / ist seines gleichen nicht! Er ist mir achthundert Kronen schuldig / und schier so viel neschech, und schweret alle Tage / daß ihn der Schet holen möchte. Aber ich sehe weder Zahaff noch Silber / noch Zinse. Das beste wird seyn / daß ich ihn lasse Thapsen / und in das Esur stecken.

ANTONIA. Es ist unmöglich!

RABBI. Er ist mir nicht allein schuldig; es ist kein Kenaani, kein Kramer / kein Schneider / kein Schuster / kein Hutmacher / der ihn nicht auff seinem megillha oder Buche habe.

ANTONIA. Das sey GOtt in dem hohen Himmel geklagt![74]

RABBI. Glück zu / Frau Antonia, ich muß bacek und dieses silberne aggan mit der Gießkanne einschliessen. Schaut dieses hat mir auch ein Cavalier, der den Fürsten heute eingeladen / zu Pfande gegeben / gleich als sich die Gäste gewaschen / damit ich ihm Keseph zu Brodt liehe. Wenn sie werden Taffel gehalten haben / hat er mir versprochen das Saltzfaß mit den Tellern und Schüsseln dargegen zuschicken / damit ich ihm das Becken wieder folgen lasse / daß sie sich nach der Mahlzeit wider Thaharn können.

ANTONIA. O das Hertz möchte mir für Ungedult in tausend Stücken brechen; O meine Tochter! meine Tochter! in was Elend hast du dich und mich durch deine Unbesonnenheit gestürtzet!

Quelle:
Andreas Gryphius: Horribilicribrifax Teutsch. Stuttgart 1976, S. 55-75.
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