Die andere Abhandelung.

[30] Horribilicribrifax Donnerkeil. Harpax sein Page.


HORRIBILICRIBRIFAX. WAs? daß der Keyser Friede gemacht habe sonder mich um Rath zu fragen? Oh gvarta! novella de spiritare il mondo!

PAGE. So sagen sie / daß der Keyser Frieden gemacht habe mit dem König in Schwaben.

HORRIBILICRIBRIFAX. Mit dem König in Schweden wilst du sagen?

PAGE. Ja Schweden oder Schwaben / es ist mir eins.

HORRIBILICRIBRIFAX. Friede zu machen sonder mich? a qvaesto modo si! hat er nicht alle seine Victorien mir zu dancken? hab ich nicht den König in Schweden niedergeschossen? bin ich nicht Ursach / daß die Schlacht vor Nördlingen erhalten? habe ich nicht den Sachsen sein Land eingenommen? hab ich nicht in Dennemarck solche reputation eingelegt? was wer es auff dem Weissen Berge gewesen / sonder mich? E che fama non m'acquistai, quando contesi col Gran Turca? Pfui! trit mir aus den Augen / denn ich erzürne mich zu tode / wo ich mich recht erbittere / Vinto dal ira calda e bollente e dallo sdegno arrabiato, so erwische ich den Stephans-Thurm zu Wien bey der Spitzen / und drück ihn so hart darnieder / si forte in terra, daß sich die gantze Welt mit demselben umkehret / als eine Kegel-Kaul.

PAGE. Ey / Signor mio. wo wolten wir denn stehen bleiben?

HORRIBILICRIBRIFAX. Non temere! Als wenn sich iemand kümmern[31] dürffte / der bey mir stehet! laß mich darvor sorgen! aber / siehe da / meine Sonne! mein Leben! meine Göttin erscheinet. Signora mia, bella di corpo, bellissima d'animo!


Coelestina. Camilla. Horribilicribrifax. Der Page.


COELESTINA. Jsts möglich Camilla, daß so inbrünstige Liebe / die ich zu ihm trage / müsse vergebens seyn? oder ist er aus allen löblichen Gemühtes Neigungen der einigen nicht fähig / welche man die Gegen-Liebe nennet? Muß ich / die ich vor diesen vielen bin unerbittlich gewesen / nun erfahren / daß ich von dem nicht geachtet werde / den ich höher halte / als mein Leben?

CAMILLA. Wenn er seine Gedancken anderswo hingesetzet / wie können wir ihn bewegen / nach uns zu sehen?

COELESTINA. Seine Gedancken anderswo hingesetzet? wird Er wohl mehr auffrichtige und reinere Liebe finden können / als bey mir?

CAMILLA. Warum nicht eben also / wie er gespielet? Solte ich mich wegen eines Menschen so hefftig kräncken / dem ich unwerth / oder der nicht so viel Verstand bey sich hat / als nöthig / eine keusche Gewogenheit zu erkennen?

COELESTINA. O wiewohl können wir Rath geben / wenn wir selber gesund seyn!

CAMILLA. Still meine Jungfrau! der Hauptmann ist verhanden.

COELESTINA. Jch habe diesen Tag ein gewisses Unglück zu verhoffen / weil mir der Vogel zu erst entgegen kommt.

HORRIBILICRIBRIFAX. Nobilissima Dea, Cortesissima Nimfa. Ochio del mondo. Durchleuchtigste unter allen schönen; berühmteste[32] unter den fürtrefflichsten / übernatürlichste an Vollkommenheit / unüberwindlichste an Tugenden / euer unterthänigster Leibeigner Sclav', der durch die Weltberühmete Capitain Horribilicribrifax von Donnerkeil / Herr auff Blitzen und Erbsaß auff Carthaunen Knall / präsentiret / nebenst Verwündschung unsterblicher Glückseligkeit / seiner Keyserin bey angehendem Morgen seine zwar wenige / doch jederzeit bereitwilligste Dienste!

COELESTINA. Mein Herr Capitain, er muß uns so gewogen nicht seyn / wie er vorgibt / sintemahl er uns so bald den Tod wündscht.

HORRIBILICRIBRIFAX. Den Tod? La morte? Io rimango petrificato dalla meraviglia! Ey da behüte mich der Blitz von diesem glorwürdigsten Degen für dergleichen Gotteslästerung!

COELESTINA. Er verwündschte uns unsterbliche Glückseligkeit.

HORRIBILICRIBRIFAX. Certo si. Nicht anders.

COELESTINA. Selbige erlangen wir / wie ich weiß in dem ewigen Leben. Dazu aber können wir nicht eingehen / als durch den Tod.

HORRIBILICRIBRIFAX. Meine schöne ist unüberwündlich so an Scharffsinnigkeit / als Schönheit. Quella fu buonissima e sapientissima dimostratione!

CAMILLA. Mein Herr Capitain liebet meine Jungfrau mit diesem Bedinge / daß sie bald sterbe: so würde er Erbe ihrer Güter / und theilete den Raub aus.

HORRIBILICRIBRIFAX. Ha Jungfrau Camilla, also mit mir zu spotten? il vostro fù un ragiona troppo mordente. Sie kennet mein[33] auffrichtig Gemüthe / und weiß / wie fest ich in Liebe gegen meine Englische Coelestinam verbunden stehe. Wenn mich nicht ihre Gegenwart allhier auffhielte / hätten die Venetier längst den Türcken durch mich aus Constantinopel vertrieben.

COELESTINA. Mein Herr Capitain, wir entschlagen euch dieses Arrests, des gemeinen Bestens wegen. Wir wollen nicht Ursach seyn / daß so eine schöne Gelegenheit das Christenthum zu befördern hindan gesetzet werde.

HORRIBILICRIBRIFAX. Fermate vi in cortesia & ascoltate mi per vostro bene, Anima mia! Meine himmlische! wil sie ein Probstück meiner Stärcke sehen / sie sage nur ein Wort / ich wil eine grössere That verrichten / als die Victorie vor Lepante auff der See gewesen.

COELESTINA. Hat sich mein Herr Capitain auch bey selben so berühmten Treffen befunden?

HORRIBILICRIBRIFAX. Jch war damahls des Don Gionanne, Austria Luogotenente.

COELESTINA. So muß mein Herr eines ziemlichen Alters seyn / weil dieselbe Victori noch vor unser Großväter Zeiten erhalten ist?

HORRIBILICRIBRIFAX. Ey es ist so lange nicht / ich bin noch Assai Giovane e Galant huomo gagliardo, robusto e di buona natura, um sie meinen Engel zu bedienen!

COELESTINA. Mein Herr Capitain, Jch bin so grosser Ehren nicht würdig.[34]

HORRIBILICRIBRIFAX. Meine Princessin / unico spechio di bellezza, Regina de gli astri, miraculo de i cieli, & honor della natura, wil sie Keyserin von Trapezont, Königin von Morenland / Fürstin von Egypten.

CAMILLA. Churfürstin von neu Zembla, und Gräfin von Nirgendsheim.

HORRIBILICRIBRIFAX. Anzi Hertzogin über Persen genennet werden? sie gebiethe! all diese Kronen sollen inner einem Monat / drey Tagen und zwey Stunden / und vielleicht in qvaesto giorno, zu ihren Füssen liegen.

COELESTINA. Mich wundert / Herr Capitain daß er nicht selbst für sich etliche aus gedachten Königreichen in Besitz genommen!

HORRIBILICRIBRIFAX. Ha! l'Honore e l'Avaritia non possono star insieme! Jch bin allein vergnügt mit meinem Glück und Degen / als mit welchem ich alles kan zuwege bringen.

CAMILLA. Das ist gut / daß man alles kan darmit zuwege bringen: unser Koch weiß sonsten aus Degen keine Pasteten zu machen.

COELESTINA. Uns genüget / Herr Capitain an unserm Stande.

HORRIBILICRIBRIFAX. Finalmente: wil meine Göttin sich anbeten lassen? sie wincke nur / sie soll mich stracks mit dem güldenen Rauchfaß für ihr auff den Knien sehen.

CAMILLA. Der Herr Capitain hält meine Jungfrau für eine heilige auff dem Altar einer Kirchen.

HORRIBILICRIBRIFAX. Für eine Heilige in meinem Hertzen / non è cosa più chiara, wil sie / daß ich ihr zu Ehren auff der Spitze eines Dachs nach dem Ringe reite?[35]

COELESTINA. Jch liebe meines Herrn Gefahr nicht.

HORRIBILICRIBRIFAX. Wil sie / daß ich einen grimmigen Löwen im vollem Lauff erwische / und ihm in ihrem Angesicht den Hals abreisse. Cosi sarà per certo.

CAMILLA. Hasen / Herr Capitain, weren besser.

COELESTINA. Einen Löwen / Herr Capitain, solte diß wohl möglich seyn?

PAGE. O / mein Herr hat wol grössere Thaten verrichtet; wenn ich erzehlen solte / was er einmahl auff der Jagt mit dem König in Persen zuwege gebracht; es würde weit anders lauten.

CAMILLA. Ey ein schönes Paar zusammen! so Herr / so Knecht!

COELESTINA. Lieber / last uns hören / was es für eine Helden-That gewesen!

HORRIBILICRIBRIFAX. Ob ich wohl in meiner Gegenwart mich ungern rühmen lasse / auch meine Diener derowegen nicht halte / dennoch weil es mein Engel zu wissen begehret / geb ich dir Freyheit dieses zu erzehlen. dite purè.

PAGE. Der König hatte die Ehre meinen Capitain neben sich auff die Jagt zu führen. Das Wild wurd angetroffen / die Jäger eileten so hir als dar zusammen / der Perß aber traff auff einen sehr grossen Hirschen. Mein Herr verfolgete denselben nebenst dem Könige: Doch umsonst / weil er zu hurtig auff die Füsse / und die Pferde allbereits zu müde.

CAMILLA. O weide Messer! O Jägerrecht!

PAGE. Als der Perß etliche Pfeile vergebens abgehen lassen / ergrimmte mein Capitain, daß er das Jägerhorn von seinem Halse rieß / und mit demselben nach dem Hirschen warff.

CAMILLA. Damit wird er ihm zweiffels ohn das Gewichte in Stücken zerschmissen haben.[36]

PAGE. Gefehlt Jungfrau Camilla! Denn das Horn flog just dem Hirsch zum Hindern hinein / und weil das Wild in vollen Fartzen war / gab es so ein wunderlich Getöne / daß alle Hunde herzu gelauffen kamen / und den Hirschen anhielten / also ward das Wild gefället.


Coelestina und Camilla fangen an zu lachen.


HORRIBILICRIBRIFAX. Du ungehobelter Galgenschwengel / Cane odioso! Furfante! Scimia di Barbaria, solst du deinen Herrn also schimpffen!

COELESTINA. Ey Herr Capitain, er erzürne sich nicht.

HORRIBILICRIBRIFAX. Wenn ich nicht meines Lebens Einrede gelten liesse / so wolte ich dich / al primo colpo, mit dem Stabe zwölff Ellen tieff in diese Mauren jagen / daß nichts von dir hier / ohn der rechte Arm / zusehen seyn solte mit welchem du den Hut abziehen köntest / wenn mein Engel etwa vorüber gienge.

COELESTINA. Herr Capitain, ich bitte um Verzeihung / daß ich ihm für dieses mahl nicht länger Gesellschafft halten kan.

HORRIBILICRIBRIFAX. Meine Schöne wird zum wenigsten mir zulassen sie zubegleiten. Sò che lo potete fare, per la commodita mia.

COELESTINA. Für diesesmal bitte ich zum höchsten um Entschuldigung.

HORRIBILICRIBRIFAX. Adio dann wenn es ja nicht anders seyn kan / mein Engel / Adio meine Göttin / Adio mein Auffenthalt / Adio mio bene, adio mia gloria, adio donna Celeste! adio!


[37] Palladius. Coelestina. Camilla.


COELESTINA. GOtt lob / daß wir des verdrüßlichen Menschen loß worden!

CAMILLA. Könt auch iemanden seines gleichen in dem Traum vorkommen?

COELESTINA. Diß ist unerträglich / daß er nicht verstehen will / daß weder Gunst noch Liebe für ihn zu finden sey. Trit zurück! Palladius ist vorhanden! O daß nu meine Augen reden könten.

CAMILLA. Es ist doch vergebens! Meine Jungfrau ist bey ihm in so grossem Ansehen / als ich bey dem Printzen von Peru.

COELESTINA. Jch hoffe durch Standhafftigkeit meiner Liebe ihn zugewinnen.

PALLADIUS. Jn dem ich mich auffhalte und bemühe andern zu rathen / vergesse ich meiner selbst. Herr Possidonius hat mir schier die Zeit gantz zu nichte gemacht / welche ich viel lieber mit dieser zugebracht hätte / welche meine Seele gefangen hält. Doch was versäumt / ist nicht wieder zu holen! Jch wil nur bald zu ihr mich begeben / ehe mir ein ander Hindernüß vorkommen möchte: aber schau / von dem Regen in die Trauffe! Coelestina kommet mir so recht entgegen / als wenn sie bestellet were / mir etwas in den Weg zulegen. Was thu ich nun? kehr ich um? diß solte zu rauhe scheinen. Jch wil nur fürüber / und sie mit kurtzen Worten abfertigen. Der Jungfrauen meine Dienst!

COELESTINA. Ach mein Herr Palladi, wie ist er so freygebig mit Dienst-Anbittungen / und so fest mit der Liefferung!

PALLADIUS. Was ich der Jungfrauen versprochen / und verspreche / bin ich stets willig zu leisten / ob mir wohl bewust / daß ihr an meinen geringschätzigen Diensten wenig oder nichts gelegen.[38]

COELESTINA. Die mag sich wohl seelig schätzen / welche seiner Dienste geniessen kan. Jch selbst wolte mir für die höchste Ehre achten / mit derselben umzugehn / so würde ich vielleicht ihrer Glückseligkeit in etwas theilhafftig.

PALLADIUS. Die Jungfrauen halten für ihre Lust / mit uns ein wenig zu schertzen / und wir für unsere Ehr / von ihnen umgeführet zu werden.

COELESTINA. Und mein Herr Palladius für seine Ergetzligkeit mit uns zuspotten.

PALLADIUS. Bey mir ist Hertz und Zunge in guter Vertreuligkeit. Sie reden beyde eine Sprache. Jch bitte um Verzeihung / höchstwehrteste Jungfrau / daß ich dieselbe in ihren Gedancken verstöret; und befehle mich in dero stetsblühende Gewogenheit.

COELESTINA. Ey Herr Palladi, er eile doch nicht so hefftig! befiehlet er sich in meine Gunst / und wil mir seine Gegenwart nicht einen Augenblick vergönnen

PALLADIUS. Jch fürchte der Jungfrauen durch mein unnützes Geschwätz beschwerlich zu seyn / und dadurch ihrer Gunst gantz entsetzet zu werden.

COELESTINA. Jch wil ihn versichern / daß er die Gunst / die ich zu ihm trage / nimmermehr verlieren kan! So wenig / als ich die jenige die er zu mir trägt!

PALLADIUS. Jch verstehe nicht / was für ein Geheimnüß hinter diesen Worten stecke.

COELESTINA. Der Herr sage: er wolle es nicht verstehen. Diese Gunst / die ich zu ihm trage / zu verlieren ist mir unmöglich / weil sie zu tieff in mein Hertz eingewurtzelt: Seine gegen mir kan er nicht verlieren / weil er sie noch niemals gehabt.

PALLADIUS. Wie solte es denn meine Gunst seyn / wenn ich sie niemals gehabt hätte.

COELESTINA. Er hat Gunst genug / aber für eine / die derselben nicht würdig ist.[39]

PALLADIUS. Wenn sie gegenwertig were / wolten wir sie darüber vernehmen: unterdessen erkenne ich noch / daß ich Jungfrau Coelestine Gunst niemals würdig gewesen: nichts weniger wil ich mich bemühen selbige zuverdienen / und verbleibe der Jungfrauen stetswilligster!

COELESTINA. Noch ein Wort / Herr Palladi.

PALLADIUS. Die Jungfrau verzeih / ich seh daß eine Person sie ansprechen wil! Sie fahre wohl.

COELESTINA. Wie kaltsinnig zeucht er darvon.

Ach! Camilla, Camilla, wie schmertzlich ists auff unfruchtbaren Sand säen!

CAMILLA. Sie liebe / was sie liebet / und lasse fahren / was nicht bleiben wil.


Die alte Cyrilla.


DIE ALTE CYRILLA. Deus meus. der heilige Sanct Andereus! beschere uns ein gutes Jahr / und guten Abgang zu meiner Wahr / Amen. Hodie tibi, cras sibi, Sanct Paulus, Sanct Bartholomeus, Die zween Söhne Zebedaeus, der heilige Sanct Wenzel / und der Seelige Stenzel, die seyn gut vors kalte Weh / und behüten für Donner und Schnee. Nu / ich bin bey Jungfer Sophien gewest / und habe Vögel gesucht in einem leeren Nest: Die wil nichts von Don Diego wissen und hören. Wenn ich so schöne wär / als sie / ich wolte meiner Zeit besser warnehmen: es käme doch hernach ein einfältig Schaaff / daß mich unter der Musterung durchgehen lisse. Nun wir woln sehn / wies bey Coelestinen gehen wird. Sie ist schöne / sie ist reich / sie ist jung / und[40] schoffert allein in ihrem Kopff. Nach dem alten Ceremonigis wird sie wohl nicht sehen / wo nicht seyn Geld was zu wege bringt. Doch / die Liebe ist blind / und fällt wie die Sonne / so bald auff eine Grase Mücke / als auff ein liebes Kind. Last sehen! hier wohnt sie: ich wil anklopffen. Sie klopfft.


Camilla. Coelestina. Cyrilla.

Die Pagen und Gesinde von Coelestina.


CAMILLA. Wer klopfft?

CYRILLA. INRI. Memnentau mauri.

CAMILLA. Wer klopfft?

CYRILLA. Ein gute Freundin / liebe Jungfer.

CAMILLA. Verziehet / ich thue auff. Was bringet ihr / Frau Cyrilla?

CYRILLA. Nicht gar zu viel Jungfer Simille. Jst Jungfer Coelestine nicht anzutreffen?

CAMILLA. Habt ihr etwas anzumelden?

CYRILLA. Jch habe etliche Stücke schöne Spitzen zu verkauffen.

CAMILLA. Jch wil sie herausser fodern.

CYRILLA. Geht / geht / geschwinde geht / liebes Kind! Die heilgen sieben Planeten / die trösten uns in allen Nöthen! Haccus, Maccus, Baccus, die heiligen Wort / die bewahren uns in allem Ort!

COELESTINA. Willkommen Frau Cyrilla! was bringet ihr uns guts neues?

CYRILLA. O liebes Kind! ach eure Mutter war eine fromme[41] redliche Frau! O GOtt sey ihrer Seelen genädig! O was hat sie mir guts gethan! ihr gleicht ihr so eben / als wenn ihr ihr auß den Augen geschnitten wäret. O liebes Kind! liebes Kind! welch eine gute Zeit war damals.

COELESTINA. Weinet nicht / weinet nicht / Frau Cyrilla.

CYRILLA. Seht es ist nu alles theur / man kauffet ein Stein Flachs um einen Thaler / den man da um achtzehn gute Groschen kriegte.

COELESTINA. Man hat mir gesagt / ihr brächtet was zuverkauffen. Wolt ihr uns nicht euren Kram sehen lassen.

CYRILLA. O ja: gar gerne. Harret nur / ich wil die Brillen auff setzen. Denn sehet / ich bin etwas übersichtig und habe trieffende Augen! Seht / wie gefallen euch diese Spitzen? es ist recht Brabandisch Gut.

COELESTINA. So mässig! habet ihr nur dieser Gattung?

CYRILLA. Nein / ich habe noch unterschiedene: das Hertzgen / zwey Hertzgen / das Hertzgen mit dem Pfeil / das Toden Köppigen / das HasenZänichen.

COELESTINA. Wie theur die Elle von dieser Gattung?

CYRILLA. Nicht näher als um fünff Gülden / sechs Groschen.

COELESTINA. Und von dieser Art?

CYRILLA. Diese kostet mit einem Wort / achtzehn Gülden und vierzehn Groschen.

COELESTINA. Ey / Frau Cyrilla, ihr seyd viel zu theur.

CYRILLA. Die Lilie wil ich euch um zehn Gülden lassen.

COELESTINA. Zehn Gülden / und nicht mehr geh ich für die gedoppelten Hertzgen. Die Lilie ist nicht sechse werth.

CYRILLA. Ey / Jungfer Coelestine, wo wolte ich hin? ich würde zu einer armen Frauen dabey. Gebt eilff Gülden und ein halben für die gedoppelten Hertzen! So eine reiche Jungfer muß nicht so genau dingen! Unser HErr GOtt segnet sie denn wieder mit einem reichen Manne.[42]

COELESTINA. Jhr schertzet / Cyrilla. Nun / daß wir zu einem Ende kommen; Eilff Gülden wil ich geben.

CYRILLA. Gebet noch die fünff Groschen dazu.

COELESTINA. Nicht einen Heller mehr.

CYRILLA. Nun / nun! um eines andernmahls Willen. Wie viel Elen wolt ihr haben.

COELESTINA. Jch wil das gantze Stück behalten. Wie viel helt es?

CYRILLA. Gleich achtzehn Elen und eine halbe; das macht gerade 203. Gülden / und ein halben. Sehet / ich wils euch in den Fingern her rechnen. Ein Elle ist 11. Gülden. 2. Elen sind 22. Gülden. 4. Elen 44. Gülden. 8. Elen 88. Gülden. 16. Elen 176. Gülden. Nu die übrigen zwo Elen sein wieder 22. Gülden. Die zu den vorigen gerechnet / machet 198. nu bleibet noch die halbe Ele vor sechste halbe Gülden. Wenn wir die nu zu der vorigen Summe nehmen / so macht es gar zusammen / wie ich vor sagte 203. und ein halben Gülden.

COELESTINA. Hie habt ihr Geld.

CYRILLA. Drey / sechs / neun / zwölff / funfftzehn. Jst der Ducaten auch wichtig?

COELESTINA. Es ist abgewogen Gold.

CYRILLA. Seht liebes Kind / alte Leute die irren sich leichtlich / achtzen / ein vnd zwantzig / vier und zwantzig / sieben und zwantzig / dreissig / dar mangelt einer.

COELESTINA. zehlet noch einmahl / ich habe recht gezehlet.

CYRILLA. Es ist war: Ungrische Gülden soll man zweymal zehlen. Funffe / 10. 15. 20. 25. 30. 33. 1. Reißthaler / ein halben Reißthaler / ein Gülden. O Hertzes Kind / habt mirs ja nicht vorübel! ich bin so was vergeßlich: ich muß das Gold in die Tasche schliessen.

COELESTINA. Camilla, hole mir die Ele.[43]

CYRILLA. Meine liebe Jungfrau / weil wir so alleine sind / muß ich euch was erzehlen. Wenn ihr es nur nicht woltet übel oder auffs ärgste außlegen.

COELESTINA. Nein gar nicht. Erzehlet frey / was ihr wollet!

CYRILLA. Als ich heute außgehen wolte / ist mir ein Herr begegnet / der euch freundlich durch mich grüssen läst.

COELESTINA. So weit.

CYRILLA. Ein feiner reicher Mann / der übermassen in euch verliebet ist.

COELESTINA. Wie heist Er?

CYRILLA. Jhr werdet es wohl aus diesem Brieffe sehen.

COELESTINA. Wo ist der Brieff?

CYRILLA. Hier hab ich ihn in dem Ärmel stecken. O Hertzes Kind / euch wird wohl mit dem Manne gerathen seyn.

CAMILLA. Jungfrau Coelestina, hier bring ich die Elle.

CYRILLA. Wolt ihr die Spitzen messen?

COELESTINA. Camilla ruffe mir stracks den Pagen und das Gesinde hervor! Jch wil dir alten Kuppelhuren den Rücken mit Prügeln messen lassen: und wenn ich deiner grauen Haare nicht schonete / solten dir die Ohren so weit von einander genagelt werden / daß man sie mit zweyhundert Klafftern Bindfaden nicht solte zusammen knüpffen können.

CAMILLA mit dem Gesinde. Wie ists meine Jungfrau? ist die Maß nicht vollkommen?

COELESTINA. Soltest du altes Rabenfell dich unterstehen mit derogleichen Schandbrieffen für mein Gesicht zu treten.

CAMILLA. Frau Cyrilla! Heist dieses Spitzen verkaufft?

COELESTINA. Schmieret die alte Hexe zum tügen ab / daß andere eine Abscheu nehmen derogleichen zu begehen.


Coelestina gehet davon.
[44]

PAGE. Wir wollen dem Befehl schon ein Genügen thun. Alte Hexe / was macht der Teuffel?

CYRILLA. Nu / nu / last mir meine Mütze / ihr werdet mir die Schaub in Stücken reissen. A! meine Tasche / meine Tasche / mein Korb.

DER ANDER PAGE. Schau / das alte Ungeheur hat eine Peruqve auffgesetzet.

CYRILLA. A! gebt mir meine Tasche wieder.

PAGE. Still / wir wollen ihr einen Bart von Pech anschmieren.

CYRILLA. A! meine Tasche! meine Tasche!

CAMILLA. Gebet ihr die Tasche / und lasset sie vor den Teuffel lauffen!


Die Pagen schmieren sie um und um mit Koth / und gehen mit Camilla davon.


CYRILLA bleibet stehen / wischet die Augen ab / und fähret redent fort.): Ach mein Kopff! mein Bauch! mein Rücken! O mein Schleyer / meine Mütze! mein Körblin ist gar in Stücken. Hab ich auch noch meine Spitzen gar / 1. 2. 3. 4. 5. 8. 12. Stück; ja das heist Brieffe getragen. Aber schaut / dort komt Don Diego, der muß mirs wohl bezahlen.


Don Diego. Cyrilla.


DON DIEGO. Der Kopff thut mir weh über dem unmäßigen Auffschneiden unseres Capitains, welcher doch in Warheit nicht anders ist / als ein gehelmeter Hase; wer ihn reden höret / meinet er were der ander Hercules, oder der grosse Roland. So bald er aber in eine occasion gerathen / wil er für Furcht gar zu trieffen. An itzo weil er[45] sich fertig macht seine Selenisse zu besuchen / hab ich mich von ihm weg gestolen / in Meynung allhier der alten Cyrille zu erwarten. Welche ich nu zu unterschiedenen mahlen abgefertiget Jungfer Sophien zu überreden.

CYRILLA heulende. Ja Jungfer Sophien zu überreden.

DON DIEGO. Was potz hundert ist dieses? wo seyd ihr so übel angelaufen / Frau Cyrilla.

CYRILLA. Jch wolte noch wohl fragen / sehet nur wie mich eure Sophia abgewürtzet hat!

DON DIEGO. Sie weiß wohl / daß besser Würtze an euch verlohren ist.

CYRILLA. Ja / und ihr wolt mich noch darzu auslachen!

DIEGO. Wie das Fleisch ist / so ist der Pfeffer! aber ich kan kaum glauben / daß Sophia so unbarmhertzig mit euch umgegangen.

CYRILLA. Welcher Teuffel solle es sonst gethan haben / hat sie nicht Leute gnug bey sich im Hause / die sich ihrer annehmen.

DIEGO. Sie wohnet ja mit ihrer Mutter gantz alleine.

CYRILLA. Was weiß ich / wer stets bey ihr stecket / sehet nur ich speye Blut. Sie reuspert sich.

DIEGO. Purgiere dich Teuffel / friß Flechtenmacher / scheiß Siedeschneider / wische den Ars an Feuermeuerkehrer.

CYRILLA. Ja was hab ich nu darvon als Stanck und Undanck.

DIEGO. Wer nicht redet spielen kan / dem schläget man die Lauten an dem Kopffe entzwey.

CYRILLA. Das dacht ich.

DIEGO. Seyd zu frieden / seyd zu frieden / Mutter Cyrill, und folget mir! ich will euch schon Satisfaction thun.[46]

CYRILLA. Gehet voran; ich wil euch folgen. Wenn mich iemand sehen wird / muß ich sagen / ich sey so gefallen. Dar ist sen in dem Walde ein Rößlein roth / das hat sen geschaffen der liebe GOTT. / O trauriges Leben betrübte Zeit! Du hast mir genommen alle meine Freud. Gehet betend ab.


Coelestina. Camilla.


COELESTINA. Die thörichte Närrin dorffte sich unterstehen mir derogleichen Brieffe einzulieffern!

CAMILLA. Last uns doch sehen / wie und von wem er geschrieben!

COELESTINA. Da ist er: leset ihn / Camilla.

CAMILLA. Wenn er von Herren Palladio geschrieben were / würde Cyrille vielleicht eine bessere Belohnung darvon getragen haben.

COELESTINA. Was saget ihr?

CAMILLA. Jch verwundere mich / daß die Außschrifft so schön gestellet: Dem himmlischen auff der Erden scheinenden Nordstern meiner Sinnen / dem grossen Beeren meines Verstandes / der eintzigen subtilität und höchstem Enti meiner Metaphysica, der würdigsten Natur in der gantzen Physica, dem höchsten Gut aller Ethicorum, der Beredsamsten Phoebussin dieser Welt / der zehenden Musae, andern Veneri, vierdten Chariti und letzten Parcae, meines Verhängnisses / dem hochedlen wolgebornen Fräulin Coelestine, meiner glorwürdigsten Gebieterin / ad proprias.[47]

COELESTINA. Es blicket wohl an dem Gesang / was es für ein Vogel seyn muß.

CAMILLA. Si vales, benè est, ego autem valeo, sagt Cicero. Jch hergegen / O ihr einiger Schleiffstein meines Verstandes – – –

COELESTINA. Es wird ein Messerschmidt oder Glaßschneider seyn / weil er von Schleiffen redet.

CAMILLA. Si vales benè est: ego autem non valeo, das ist / ich aegrotire, melancholisire, decumbire, langvire, es sind mehr fremde Worte hierinnen / die ich nicht wohl lesen kan.

COELESTINA. Vielleicht ist es Türkisch oder Griechisch: last uns das überschlagen.

CAMILLA. Verstehen wir doch das Lateinische nicht.

COELESTINA. Woher könnet ihr aber so wohl Lateinisch lesen?

CAMILLA. Jch habe in meiner Jugend in einem Kloster Seiden stücken gelernet; da hab ich aus Kurtzweil diese Kunst von den Jungfrauen begriffen. Nun sie höre weiter! Jch langvire in dem Hospital der Liebe / in welches mich eure grausame Schönheit ein furiret, und wie ein Krancker sich nach nichts sehnet / als nach seinem Artzt. Ita ego vehementer opto nur einen Anblick eurer Clementz, welchen ihr doch Hunden und Katzen nicht mißzugönnen pfleget. Wiedrigen Falls gehet der Schneider schon zu Wercke / meiner Hoffnung / die nichts hat / als[48] Pein und Knochen ein Traurkleid zu machen; weil ich gäntzlich entschlossen bin mit dem ersten Schiff / welches Charon wird nach dem Campis Elysiis abgehen lassen / mich von hir dahin zubegeben / ubi veteri respondet amore Sichaeus. Dieses / wo euch möglich / verhütet und seyd gegrüsset von


Dem / der die Erde küsset

auff welcher das Gras gewachsen /

Welches der Ochse auffgessen /

aus dessen Leder eure Schuch-Solen geschnitten


Titus Sempronius,

Caji Filius,

Cornelii Nepos,

Sexti Abnepos.


COELESTINA. Ach armseliger Semproni! wilst du vor grossem Alter gar kindisch werden!

CAMILLA. Ja wohl / armseliger Semproni! warum bist du nicht Palladius! Was wollen wir aber mit dem Brieffe thun?

COELESTINA. Stellet ihn unserm Koch zu. Denn weil er so voll feuriger Gedancken / können wir etwas Holtz zu dem Braten ersparen.

CAMILLA. Jch fürchte fürwar / er würde mit seiner Kälte alles Feur in der gantzen Küchen außlöschen.


[49] Cyrilla. Sempronius.


SEMPRONIUS. λάλησον.

CYRILLA. Nicht die alte Lyse.

SEMPRONIUS. Et illa hat meinen Brieff angenommen?

CYRILLA. Nicht Camilla, sondern Coelestina selber.

SEMPRONIUS. Et qvid dixit?

CYRILLA. Sie schloß ihn nicht in die Büchse / sondern steckte ihn in den Schubsack.

SEMPRONIUS. εὖ, καλῶς, κάλλιστα. Lachrymor prae gaudio.

CYRILLA. Ja kalt ists / und sie lachte dennoch die Haut voll.

SEMPRONIUS. Ecqvis me felicior?

CYRILLA. Jn der Ecke ist sie vorgestanden / und hat den Brieff alleine gelesen.

SEMPRONIUS. Aber was giebt sie Solatii?

CYRILLA. Ja Herr Semororiis, Kohl hat sie hie / ihr müst ihr was anders schicken!

SEMPRONIUS. Ey / ihr verstehst nicht meum velle.

CYRILLA. Ey Herr / was soll es ihr mit Mäusefellen / es muß Gold oder was derogleichen seyn.

SEMPRONIUS. Auto venalia jura.

CYRILLA. Das versteh ich nicht! heist ihr mich eine Hure? meinet ihr / daß ichs ihr nicht geben werde.

SEMPRONIUS. Jhr verstehst nicht meinen mentem.

CYRILLA. Was Verstand darff ich zu euren Enten?[50]

SEMPRONIUS. Jch frage / was Jungfrau Coelestina mir zur Antwort schicket? Ecqvid responsi.

CYRILLA. Ja Herr / ich gewon sie / sie sah zwar erstlich ein wenig saur. Aber als sie euch nennen hörte / muste sie lächeln / wie sehr sie es auch verbergen wolte.

SEMPRONIUS. Sat est.

CYRILLA. Ja ich wil wol satt essen / wenn ihr mir nur was geben woltet.

SEMPRONIUS. Jch wil schon geben zu essen und zu trincken sine modo.

CYRILLA. Nein Herr Sbrosemigis, mein Rock darff nicht nach der Mode seyn.

SEMPRONIUS. Non intelligis.

CYRILLA. Jch sehs wohl / daß es helle ist / aber wenn der Winter komt / ist ein gantzer Rock besser als ein zuschnittener.

SEMPRONIUS. Kommet kommet sodes.

CYRILLA. Herr / ich esse nicht nur Sodt / es muß auch Fleisch drinnen seyn.

SEMPRONIUS. Pruriunt ipsi dentes.

CYRILLA. Sagt ihr / die Hure isset hübsche Enten?

SEMPRONIUS. Ey / ich rede Lateinisch / das verstehst ihr nicht. Jch rede wie Marcus Tullius zu Rom.

CYRILLA. Es schmeckt nicht übel auff dem grossen Stul / Marck und Rohm.

SEMPRONIUS. Jch sage / daß ich ῥωμαϊστί, Lateinisch rede.

CYRILLA. Ja Rohm isset sie! Herr Vicmonius, ich verstehe[51] es wohl / ich weiß aber nicht / ob ihr mich eine Hure heisset.

SEMPRONIUS. Ey nein / ihr seyd ein ehrlich Weib / ich meine meine Coqvam, welche der Teuffel zu reiten pflegt.

CYRILLA. Ja es ist wahr / daß der Teuffel auff dem Bock zu reiten pflegt. Aber ich habe keine Gemeinschafft darmit.

SEMPRONIUS. Conscientia mille Testes.

CYRILLA. Die Pestilentzia unter den Füllen / ist nicht die beste.

SEMPRONIUS. Jch sage / quod me haud intelligas.

CYRILLA. Da man ein Meisen Haupt auff dem Teller aß?

SEMPRONIUS. Auff deutsch! ihr verstehet mich nicht / haud capis me.

CYRILLA. Haupt Kapis ist mehr als eine Meise.

SEMPRONIUS. Jch rede nicht von Essen / nicht von edendo.

CYRILLA. Ja meint ihr dehn do.

SEMPRONIUS. Jhr verstehet den Element, was ich wolle. Jch rede noch von Coelestina, was läst sie mich endlich wissen / qvid vult?

CYRILLA. Ja sie ist euch huld.

SEMPRONIUS. Mere?

CYRILLA. Was wolt ihr mehre?

SEMPRONIUS. Nicht so / non fallis me?

CYRILLA. Ja Herr / ich fiele mehr / als einmal.

SEMPRONIUS. Seyd ihr truncken?

CYRILLA. Nein Herr Secconies, ich bin nicht ertruncken / aber gar tieff in den Dreck gesuncken.

SEMPRONIUS. O misera![52]

CYRILLA. Ja es kam mich sehr an.

SEMPRONIUS. Folget / folget / drinnen calesces ad ignem.

CYRILLA. Wenn man kahl ist / läst sichs übel singen.

SEMPRONIUS. Die Thür ist offen / folget hernach / wir wollen schon weiter / was zur Sachen dienlich / ponderiren.

CYRILLA. Eyre / Mehl und Butter lassen sich am besten unterrühren.


Daradiridatumtarides. Selenissa.

Cacciadiavolo. Diego.


DARADIRIDATUMTARIDES. Mon Dieu! So giebt sich endlich meine bißher unüberwindliche Schöne auff Gnade und Ungnade ihrem werthen Freinde dem streitbaren und tapffern Daradiridatumtarides Windbrecher von tausendmord.

SELENISSA. Ja / mein Herr Capitain, mit diesem Handschlag versprech ich mich auff ewig die Seine zu seyn / trotz allen / denen es leid / und die mir diß grosse Glücke mißgönnen.

DARADIRIDATUMTARIDES. Graces aux Dieux! Vos avez mis mon Ame au plus haut degrez de la felicité. Mit dieser güldenen Ketten / welche mir der unsterbliche Soldat von Pappenheim mit eigenen Händen an den Hals gehangen / als ich zu erst mich auff die Magdeburger Mauren gewagt / verbinde ich mir meine Göttin / welche mir GOtt Mars selber mit allen seinen Feuerspeyenden Granaten und Donnerschwangeren Canonen nicht abjagen soll.

SELENISSA. Jch bitte / mein werthester Bräutigam geruhe / als[53] ein Zeichen meines standhafftigen Gemüths und reinen Hertzens / diesen Demant von mir anzunehmen!

DARADIRIDATUMTARIDES. Den wil ich nicht verlieren / als mit dieser Faust. Jch gläube / daß Amor selbst seine Pfeile hierauff geschärffet habe. Wer ist auff der gantzen Welt glückseliger / als ich? Don Cacciadiavolo, Don Diego, herfür! wünschet eurem großmächtigsten Capitain Glück. J'ay gaigné mon proces! Die Festung / die ich bißher so lange belägert / hat parlamentiret, der Accord ist geschlossen / und soll von uns beyden auff künfftig unterzeichnet / auch bald darauff die Citadel in posses genommen werden. Vive l'amour & ma Deesse!

CACCIADIAVOLO UND DIEGO. Vive l'amour & sa Deesse!

CACCIADIAVOLO. Es ist kein Bluts-Tropffen in meinem gantzen Leibe / der sich nicht in lauter kleine Feur Granaten verkehre / und mir durch alle Sinnen und Geister schwerme. Jch wündsche diesem neuen Marti und der andern Veneri unvergleichliches Glück!

DON DIEGO. Pallas und Bellona lasse diß treffliche Paar glücklich zusammen kommen / frölich beysammen leben / und langsam von einander geschieden werden.

DARADIRIDATUMTARIDES. Aus uns werden Kinder geboren werden / welche die Welt bezwingen / die Hölle stürmen / und den Jupiter aus dem Himmel jagen werden / nicht anders / als wie die Riesen / welche Berge auff Berge gesetzet / durch die Wolcken gedrungen / und biß an die neundte Sphaer Sturm gelauffen sind. Jch kenne mein Geschlecht /[54] und weiß gar wohl / aus was für einer Art wir kommen. Alsbald ich auf diese Welt gebohren bin / hab ich auff der Erden herum gesprungen / ich habe meines Vatern Degen von der Maur herunter gezogen und damit so ritterlich herum geschwermet / daß ich der Hebammen den Kopff / und der Kinder-Magd den Leib entzwey gehauen.

DON DIEGO. Es brennet bey zeiten / was eine Nessel werden soll.

DARADIRIDATUMTARIDES. Muth komt vor den Jahren bey wackeren Gemütern. Einen Chevalieur muß man aus dem Bart nicht aestimiren. Cet assetz! Last uns herein / Don Diego, daß man die Trompeten bestelle / Don Cacciadiavolo, daß man unsre Hochzeit mit einem Salve verehren lasse!

DON DIEGO. Es soll geschehen / Gestrenger Herr! grosser GOtt / hier ist Zeit gewesen Hochzeit zumachen. Bey uns ist so viel Schuld / daß ich nicht weiß / die Wäscherin vor ein Hemde zu saubern / zubezahlen. Wird die Braut ein grosses Heyrath Gut mit sich bringen / so wird es hoch von nöthen seyn: wo nicht / so werden wir sämtlich Elend aus Essig essen / mit Mangel betreuffen / und in bittern Wermut arme Ritter backen.

Quelle:
Andreas Gryphius: Horribilicribrifax Teutsch. Stuttgart 1976, S. 30-55.
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