Die Andere Abhandelung.

[26] Bassianus. Laetus.


LAETUS.

Der Fürst verschertzt die Zeit / und schertzt mit seinem Heil.

BASSIANUS.

Ist denn der Zepter nur umb Blut und Wunden feil?

LAETUS.

Ja! wenn jhn zwey zu gleich mit aller Schaden führen.

BASSIANUS.

Das grosse Reich kan zwey mit einer Würde zieren.

LAETUS.

Das ließ weil Rom erbaut sich nicht ohn Schaden thun.[26]

BASSIANUS.

Heist dieses auff dem Thron in höchsten Würden ruhn!

LAETUS.

Der ruht nicht der so eng' auff einem Thron muß sitzen.

BASSIANUS.

Soll ich mit diesem Dolch deß Brudern Hertz auffritzen?

LAETUS.

Der in deß Fürsten Geist stets neue Wunden macht.

BASSIANUS.

Die Wunden rühren wol zum meisten auß Verdacht.

LAETUS.

Wer schon Verdacht erweckt; kan leicht was mehr erregen.

BASSIANUS.

Nicht jede Wolcke dräut mit Blitz und Donner-Schlägen.

LAETUS.

Was Blitz und Donner schafft dämpfft auß der Erden vor.

BASSIANUS.

Man gibt Verläumbdern offt ein gar zu günstig Ohr.

LAETUS.

Was durch so viel entdeckt / kan nicht Verläumbdung heissen.

BASSIANUS.

Die freche Jugend pflegt unbändig außzureissen.

LAETUS.

Kan Jugend diß; was wird das Alter unterstehn!

BASSIANUS.

Hiran sind Schuld die jhm an seiner Seiten gehn.

LAETUS.

Dafern der Häuptmann weg: Halt ich das Heer geschlagen.

BASSIANUS.

Solt ich ein solches Stück an meinem Bruder wagen!

LAETUS.

Man siht nicht Brüder an wenn man umb Kronen spielt.

BASSIANUS.

Der Artzt ist scharff der nicht die Wunden selber fühlt.

LAETUS.

Nicht scharff / wenn schon der Leib nicht ohn den Schnidt zu heilen.

BASSIANUS.

Der schneidet viel zu tieff / der selbst den Stamm wil theilen.[27]

LAETUS.

Der selbst zwey-stämmig wuchs / auß zweyer Mütter Leib.

BASSIANUS.

Auß eines Vatern Blut! auß eines Fürsten Weib!

LAETUS.

Wo nicht ein Mutter-Hertz / sind weit gesinnte Sinnen.

BASSIANUS.

Man kan auch frembd' und Feind durch Lieb und Gunst gewinnen.

LAETUS.

Viel leichter frembd' und Feind als Stiff-geschwistert Blut.

BASSIANUS.

Auch dieses / wenn die Art und Sinn und Seele gut.

LAETUS.

Wer kennt nicht Juliens hochmütigste Gedancken?

BASSIANUS.

Die nur auff Schönheit gehn / und fern von diesen Schrancken.

LAETUS.

Was mehr denn Schönheit gibt ihr diese Sinnen ein.

BASSIANUS.

Ein prächtig Antlitz kan nicht ohn Einbildung seyn.

LAETUS.

Hat ihr Geburts-Stern17 nicht ihr Kron und Thron versprochen?

BASSIANUS.

Was ihr der Vater gab / hat ihr sein Tod zerbrochen.

LAETUS.

Weil noch das Leben blüht würckt der Gestirne Macht.

BASSIANUS.

Diß ist deß Himmels Lauff / der Sonnen folgt die Nacht.

LAETUS.

Und doch muß nach der Nacht die Morgenröth auffgehen.

BASSIANUS.

Kont Agrippine sich / wie Drusus starb,18 erhöhen?

LAETUS.

Ja / wenn Ihr Nero nicht die Sehnen gantz zerschljtzt.

BASSIANUS.

Auff den der Pöfel noch mit Schmach und höhnen spjtzt.[28]

LAETUS.

Der Pöfel / aber nicht die die den Stat erwegen.

BASSIANUS.

Er hat deß Brudern Tod offt zu beklagen pflegen.

LAETUS.

Den Bruder besser / denn sich selbst zu spät beklagt.

BASSIANUS.

Dort hatt' es Agrippin19 nur gar zu vil gewagt.

LAETUS.

Pflegt man nicht jeden Schluß anjtzt frech auß zu schelten?

BASSIANUS.

Dennoch muß unser Schluß / trotz dem es leid! stets gelten.

LAETUS.

Jtzt gilt er / weil mit Macht Ihm nicht zu wider stehn.

BASSIANUS.

Wer solt uns wol mit Macht entgegen können gehn?

LAETUS.

Der / dem die Läger hold / dem Rath und Volck geschworen.

BASSIANUS.

Sie haben gegen uns noch Hold noch Pflicht verloren.

LAETUS.

Noch gegen Julien, die vor Ihr Blut bemüht.

BASSIANUS.

In dem deß Vatern Stamm in frischen Zweygen blüht.

LAETUS.

Stamm / Reich und Stab beruht auff dem der erst geboren.

BASSIANUS.

Der Vater hat uns beyd' auff einen Thron erkoren.

LAETUS.

Als Vater / ich gestehs / nicht als ein Fürst der Welt.

BASSIANUS.

Wir thun was Vater / Rom und Göttern wolgefällt.

LAETUS.

Ein Fürst muß Eltern zwar / doch nur als Fürsten ehren.

BASSIANUS.

Was wird man von Sever, das nicht gantz Fürstlich / hören?

LAETUS.

Das Er / was man nicht kan zutheilen / theilen hiß.

BASSIANUS.

Weil Läger / Volck und Rath es jhm gefallen liß.[29]

LAETUS.

Ja was wird Ihnen nicht (wil nur der Fürst) gefallen!

BASSIANUS.

Sie speyn auff Fürsten offt stanck / rasen / gifft und gallen.

LAETUS.

Diß thun Sie / doch auß Furcht der Straffen / in geheim.

BASSIANUS.

Und bringen in den Rath geklärtes Honigseim.

LAETUS.

Das sich in Wermut kehrt wenn jemand Sie entzündet.

BASSIANUS.

Es ist der Völcker Recht / das Blut mit Blut verbindet.

LAETUS.

Ein Fürst ist von dem Recht und allen Banden frey.

BASSIANUS.

Jhn bindt der Götter Furcht. Diß Band geht nicht entzwey.

LAETUS.

Wil Jupiter nicht selbst allein den Zepter führen?

BASSIANUS.

So daß die Brüder nichts an Jhrer Macht verliren.

LAETUS.

Die stehn doch unter Jhm und unter eines macht.

BASSIANUS.

Jhr Götter dises Reichs! wo sind Wir hingebracht!

LAETUS.

Die Götter haben selbst die Theilung nie belibet.

BASSIANUS.

Ist jemand der mit Grund diß was du sagst vorgibet?

LAETUS.

Gab nicht Severus an ein doppelt Kammer-Bild?20

BASSIANUS.

Du meinst das Fürsten Glück gezihrt mit Palm und Schild?

LAETUS.

Recht! aber ward sein Wuntsch eh' Er verschid vollführet?

BASSIANUS.

Nein! weil Er daß der Tod Jhm schon zu nahe / spüret.

LAETUS.

Was aber gab der Geist Jhm vor dem Abschied ein?

BASSIANUS.

Daß eines Tag' umb Tag solt umb die Fürsten seyn.

LAETUS.

Und haben besser je die Götter sich erklehret?

BASSIANUS.

Wir glauben fast daß Sie den Anschlag abgekehret.[30]

LAETUS.

Sie reitzen noch das Volck das nur nach einem siht.

BASSIANUS.

Weil noch der Widerwill' in einem Hofe blüht.

LAETUS.

Die Blüte wird uns noch gar saure Früchte bringen.

BASSIANUS.

Dörfft uns das Läger auch / wenn was gewagt / bespringen?

LAETUS.

Eh wenn man gar nichts wagt / und andre wagen läst.

BASSIANUS.

Wenn nur Papinian mit steter Trew uns fest.

LAETUS.

Er ists. Doch Zeit und Glück verändert offt die Sinnen.

BASSIANUS.

Wie? Solte diser Mann sein Hertz auch ändern können?

LAETUS.

Man nenne keinen nicht beständig biß er tod.

BASSIANUS.

Wir haben seine Trew geprüft in grimmster Noht.

LAETUS.

Auch Geta, dem Er wol so hoch als Jhm verbunden!

BASSIANUS.

Wie offt hat Er nicht Rath vor beyder Zanck gefunden!

LAETUS.

Wer vor so grosse findt; sucht offtmals wol vor sich.

BASSIANUS.

Gewissen / grosser Mann! und Wissen spricht vor dich.

LAETUS.

Wer offt das meiste weiß: Gibt wenig auff Gewissen.

BASSIANUS.

Recht. Doch Papinian ist allhir auß zu schlissen.

LAETUS.

Ich geb es nach / und wüntsch Jhn ewig wie er ist.

BASSIANUS.

Wanckt er / so ist vor dich sein Ehren-Stand erkist.


Bassianus. Laetus. Flavius.


FLAVIUS.

Fürst Antonin steht an den Schluß zu unterschreiben

Krafft dessen Celsus soll Aegyptens Land-Vogt bleiben /

Biß Er / mein Herr / mit Jhm diß Stück was überlegt.

LAETUS.

Merckt Bassian wie sich sein hoher Vorsatz regt?[31]

BASSIANUS.

Was? Wil uns Antonin numehr Gesetze stellen?

Wer sind wir? Wir und er! darff er wol Urthel fällen?

Nun? Nach verfastem Werck / umbstossen was man schloß?

Sind wir sein Gauckel-Spiel?

LAETUS.

Er gibt sich was zu bloß.

BASSIANUS.

Jhr Götter / welche Rom und dieses Reich anflehet;

Die Jhr durch uns vermehrt / was Jhr beschützt / ansehet:

Schaut auff den Ubermut der in der Brust entglimmt /

Deß Brudern / der als Feind uns zu verterben stimmt /

Was kan man doch forthin auß den verwegnen Wercken /

Durch jeden Sonnen-Lauff / als steiffe Frechheit mercken /

Die auff verdecktem grund uns vor das Licht auffbaut

Und einig von dem Thron nach unser Baare schaut.

Wie können in dem zwang' und hohn Wir länger stehen?

Eh soll der Abend-Stern nicht auß der See auffgehen /

Eh soll Apollo nicht uns weigern sein Gesicht

Als mittel uns und Jhn / (wo Mittel ja gebricht

Als letzte Macht) getrennt: Er scheid' in seine Britten /

Ja wo umb Calidon die kalten Norden wüten

Er geh wo Tagus reist / ja wo der Rhein entspringt /

Wo sich der Rhodanus durch See und Felder dringt /

Er geh wo Ister sucht das rauhe Land zu trennen /

Und hundertfach vermehrt ins schwartze Meer zu rennen /

Er such' umb Macedon Jhm ein bequemer Reich!

Beherrsche Phrygien! es gilt uns alles gleich!

Er jag' in Nabatra die niemals zahmen Löwen!

Wenn nicht in einer Burg Wir seinen Trotz zu scheuen.

Wir lassen Rom Jhm selbst / er bleib allhier! Wir zjhn

Wo seinem Ubermut und Vorsatz zu entfljhn.

LAETUS.

Bewegung wird numehr die Gifft nicht dämpffen können.

Man ändert zwar den Ort / nicht die erhjtzten Sinnen.

Der Brand glimmt hier in Rom / und lodert / und erkracht /

Ob schon der jhn entsteckt sich in die ferne macht.[32]

Solt Er wol weit von uns sich ruhig halten können /

Wo Läger / Heere / Städt' / und Schlösser zu gewinnen?

Wenn Jhn deß Fürsten Aug' in dem besetzten Zelt

Und hart umbschränckter Macht nicht in den Gräntzen hält.

Wehn schickt man mit Jhm auß? Die Er durch Gunst verbunden?

Die wagens Jhm zu gut. Die Wir stets trew gefunden?

Denn stehn Wir gantz entblöst! wenn Er gestärckt umbkehrt /

Und mit entblöstem Stahl durchstöst was Wir entwehrt.

Wird nicht der Außzug selbst / (solt Er erbittert weichen)

Erhitzen Land und See? Es gilt den höchsten Eichen

Wenn Boreas ergrimmt auß seinen Klippen reist /

Und den entdeckten Stamm zerschmettert und zerschmeist /

Wenn umb den Apenin die Wolcken sich bewegen;

Erklingt die schwartze Lufft von hellen Donner-Schlägen.

BASSIANUS.

Wer hilfft? Wer rettet uns auß der verwirrten Noht?

LAETUS.

Man rettet gantze Reich durch eines Menschen Tod.

BASSIANUS.

Der uns so nah verwandt! der uns so hoch verpflichtet!

LAETUS.

Der durch Verwandter Fall sein Haus und Haubt auffrichtet.

BASSIANUS.

Umbsonst! der Schluß ist fest! wir dinen länger nicht.

LAETUS.

Umbsonst! wenn man nicht bald das Joch in Stücken bricht.

BASSIANUS.

Was Römisch soll fort an nur eines wincken ehren.

LAETUS.

Was Römisch kan sich nur durch eine Macht vermehren.

BASSIANUS.

Halt an! Er kommt mit der / die Jhm den Wahn eingibt.

Und mehr Jhn hoch allein / denn beyde ruhig libt.


[33] Geta. Julia. Bassianus. Laetus. Nebenst der Käyserin Frauenzimmer.


GETA.

Dem Bruder wüntschen Wir Sig / Heil und glücklich Leben.

BASSIANUS.

Wir Jhm / und daß Er sich nicht höher mög erheben.

Als sein selbst eigen Heil und Nutz der Römer wil.

GETA.

Sein und der Römer Nutz ist unser höchstes Zil.

BASSIANUS.

Diß spricht der Mund: Sein Hertz ist fern von disem sagen.

GETA.

Man zeig' uns ob das Hertz je anders sich getragen.

BASSIANUS.

Diß zeigt die stete That. Wenn fällt uns Geta bey?

GETA.

Stets! wenn nicht Bassian den Bund reist selbst entzwey.

BASSIANUS.

Wer? Wir?

JULIA.

Wofern sein Hertz noch eine Flamme kennet;

Gekrönter Fürst und Sohn! die vor / Jhn gantz durchbrennet;

Als Er umb disen Hals die liben Armen schlug /

Und uns stets feste Trew mit seinem Kuß aufftrug.

Als Er sich umb die Brust voll keuscher Glut gewunden /

Und Mutter-hold in uns,21 und Mutter selbst gefunden /

Wo sein Gedächtnüß noch die Wort22 in Obacht hält

Mit den der Vater schid / als nun die grosse Welt

Zu klein vor seinen Ruhm / der Jhm den Weg gebähnet

In heilger Götter23 Schloß dahin Er sich gesehnet

Als nichts Jhm hir anstand: So bitten Wir / Er schaw

Uns gnädigst-freundlich an: So bitten Wir / Er traw

Daß Julie sich nie / noch je ihr Kind erkühnet

Zu wagen was nicht Jhm zu Ehren-Nutz gedinet.

Wir bitten Er erkenn' ob schon ein Meuchel-Hund

Verdacht und Galle speyt / ob ein verläumbdend Mund

Jhm unsre Redli[ch]keit weit anders auß wil streichen;

Daß dennoch eh' ein Fels soll von dem Abgrund weichen /[34]

Daß eh' ein Ancker soll gehefft an Wolcken stehn

Daß eh' ein kreischend Roß soll durch die Wellen gehn /

Wenn sie in höchstem Zorn die Sternen fast besprützen /

Ja / daß das Reich der Nacht soll zeigen Ditis Pfützen;

Als jemand / sonder falsch uns darthun; daß man nicht

Nach seiner Wolfahrt Mast und Lauff und Ruder richt /

BASSIANUS.

Fraw Mutter und Princeß; es läst sich nicht verblümen

Was mehr denn häßlich scheint. Sie mag Jhr Hertze rühmen:

Sie fuss' auff Jhre Treu' und stell auffrichtig vor

Was Sie uns je erwiß: Sie findt ein offen Ohr

Und noch verlibte Seel. Eh soll die See verrinnen /

Eh soll der strenge Nord vor Schlossen / Gold gewinnen /

Und Demant vor Crystall / als Sie in diser Brust

Nicht fest verschlossen stehn. Sie prüf' es / hat sie Lust!

Und forder / was man nur kan von der Welt erheben /

Und Jhr Princess' / allein / der Römer Haubt kan geben.

Daß aber Sie was mehr sorgt vor Jhr eigen Blut

Als es der Stat erlaubt; ist freilich nicht zu gut.

Die Mutter (wir gestehns!) muß ja ihr Kind hoch liben /

Es pflegt ein rasend Wild sich hefftig zu betrüben

Wenn die noch junge Zucht durch Unfall wird verletzt.

Fürstinnen die das Glück auff steile Throne setzt;

Schreibt man ein härter Recht! Sie müssen diß nur achten;

Durch dessen Untergang Sie sincken und verschmachten.

Die Libe der Gewalt geht weit vor Blut und Kind.

Doch Sie ists (werthe Fraw) die kein Gesetze bindt.

Sie siht auff einem Thron zwey Jhrer Söhne blühen /

Der Ein ist ja ihr Kind / durch Sorg und aufferzihen /

Der Ander durch Geburt. Sie herrscht durch beyder Macht /

Wolan! Sie nehme beyd' auff gleiche Weis' in acht.

Geh' auß dem Mittelweg nicht auff die eine Seiten /

Sie laß Jhr eigen Fleisch sich nicht in irre leiten.

JULIA.

Zeugt Fürsten jener Welt! du vorhin Ehgemahl

Und numehr Göttern gleich! Wir wissen keine Wahl.[35]

Hört beyde Söhn' und glaubt! Wir wissen nicht zu sagen:

Zu welchem Wir mehr Lib' und wahre Neigung tragen.

BASSIANUS.

O Mutter! wär' es so! wol stünd es umb das Reich!

Wol auch umb Sie und Uns! Wir herrschten beyde gleich!

Entbränt in eine Lib' / hergegen muß man klagen:

Daß es der Bruder nur zu viel auff Sie darff wagen.

Was stöst er jtzt nicht umb? Nur weil es uns belibt:

Und Jhm der Mutter Gunst was frecher Sinnen gibt!

JULIA.

Fürst! ewig werthes Kind! Wir knien vor beyder Füssen /

Und wüntschen (ists geschehn!) durch unser Blut zu büssen /

Er mäss' uns diß nicht zu / was nie von uns gedacht.

Ein Hof-Verläumbder hat uns in diß Netz gebracht.

Ein toller frecher Mann / der Euer beyder Leben

Verfolgt / und sich selb-selbst wil auff den Thron erheben.

GETA.

Auff Mutter von der Erd! Es ist nicht weinens Zeit:

Wenn jeder wider uns und unser Unschuld schreyt.

Wenn jeder Sie durch uns sucht in das Grab zu stürtzen /

Ja selbst deß Brudern Macht durch beyder Fall zu kürtzen.

JULIA.

Ist denn die Brüder-Lib' in beyder Hertzen kalt?

GETA.

Hir brennt Sie! Bassian libt leider nur Gewalt.

BASSIANUS.

Hir brant Sie! Geta dämpfft sie mit list / haß und zancken.

GETA.

Der seinem Bruder trew / wenn Reich und Thron wird wancken.

BASSIANUS.

Der seine Schlüss' umbstöst / und sein Gesetz verlacht.

GETA.

Offt / wenn man schlüssen nicht zu embsig nachgedacht.

BASSIANUS.

Der seine Diner höhnt und die Verwalter schändet.

GETA.

Wenn man die besten nicht zu Land-Verwaltern sendet.

BASSIANUS.

Die besten / die Er uns nicht treulos machen kan.[36]

GETA.

Treulos ist / der von uns diß gab dem Bruder an.

BASSIANUS.

Warumb verwirfft man dehn dem Wir Aegypten gönnten?

GETA.

Dieweil Wir seinen Geitz nicht mehr vertragen könten.

BASSIANUS.

Wird darmit unser Wort und Hand nicht höchst geschertzt?

GETA.

Nein! wenn der Fürst was Recht und Fürsten-Wort behertzt.

BASSIANUS.

So glaubt man daß Wir blind und unbedacht hin schreiben?

GETA.

Man soll nicht sonder Rath ein hohes Werck betreiben.

BASSIANUS.

Steckt Er denn voll von Rath; und schätzt uns ohn Verstand?

GETA.

Warumb setzt man den Rath dem Fürsten an die Hand?

JULIA.

O Kinder haltet inn!

BASSIANUS.

Man muß den Zäncker hören.

GETA.

Und den / der weis' allein sich dünckt / noch Weißheit lehren.

LAETUS.

Verträgt der Fürst den Hohn?

JULIA.

Gib nach mein Blut! gib nach!

O Fürst! O Bassian!

BASSIANUS.

Nim hin vor dise Schmach!

GETA.

Ach Bruder! Mutter Ach!

JULIA.

Ach Antonin! mein Hoffen!

GETA.

O Bruder! Ach verzeih!

JULIA.

Schaw unsre Brust ist offen!

O Kind! O Fürst! halt inn! O Jungfern! Diner! reist!

O reist den Fürsten hin! Eh' Er deß Brudern Geist

Durch so viel Stich' erschöpfft! O Himmel! Ich verschwinde.

GETA.

O Bruder! O Sever! O Mutter![37]

REYEN.

O was finde!

Ich für ein Jammer-Spil! O Fürst!

BASSIANUS.

Last! last uns loß!

Wie nun! wer hölt uns hir! Ist frech' Eur Trotz so groß?

Dörfft Jhr / verwogne / Faust an Euren Fürsten schlagen?

Wo sind wir! dörfft ihr Knecht' / Jhr auch Leib-eigne wagen

Zu gehn auff unserm Leib'? Jetzt bricht der Meyneid auß!

Man hat den Platz umbschranckt! man hat das sicher' Haus

Mit Mördern gantz umbsetzt! Mord! Mord! wir sind verrathen!

Man steht nach unserm Hals! O grimme grause Thaten.


Julia. Reyen deß Frauenzimmers.


REYEN.

O rauer Donnerschlag!

REYEN.

Ach werther Fürst! schöpfft mut!

Schöpfft mut mein Fürst!

REYEN.

Er ligt / ertränckt in mildem Blut.

REYEN.

Bringt Balsam!

REYEN.

Nur umbsonst!

REYEN.

Umbsonst! Er ist vergangen!

Ach hat der Götter macht so herben Fall verhangen!

Princess'! auff! auff!

REYEN.

O! last Sie in der Ruh

Der letzten Ohnmacht / setzt Jhr nicht mit disem herben Anblick zu!

Weh! Weh! der Fürst ist hin! durch Zorn erhjtzter Hände!

Die Mutter fällt dahin / durch ihres Sohnes ende.

Weh! Weh! der Fürst ist hin!

REYEN.

Unser Lust! der Erden Wonne! Trost der Welt! der Römer hoffen!

Hat der unverhoffte Blitz / dein belorbert Haupt getroffen![38]

O daß Ich Zeugin bin!

Dises schrecklichen Beginnens /

O deß herben Threnen-rinnens!

Mit dem die Mutter wird das milde Blut abwaschen!

Fürstin! Ach! fällt deine Cron / auff deß werthen Kindes Aschen!

JULIA.

Wo sind Wir! Ach!

REYEN.

Ach Fürstin! Ach und Weh!

JULIA.

O Kind! O Geta!

REYEN.

Weh! Weh!

JULIA.

Recht der Welt vergeh!

Brecht Himmel! Sternen kracht! Sprützt Schwefel-blaue Flammen!

Jhr Lichter jener Welt fallt! Klippen stürtzt zusammen!

Und werfft den Grund der hart-befleckten Erden ein!

REYEN.

O Weh! O Pein!

JULIA.

Bruder-Mörder! Vater-Feind! Mutter-Hencker! Rechts-Verterb!

Menschen-Pest! Gesetz-Verlacher! Laster-Fürst! Cocytus Erb!

Sohn der schwartzen Rasereyen! die dich mit Nattern-Gifft genähret!

Alecto hat dir Jhre Schoß / Tysiphone die Brust gewehret!

Drachen-Blut hat dich getränckt! Basilisken-Fleisch gespeist!

REYEN.

O Schmertz! der unaußsprechlich beist und reist!

JULIA.

Götter! schaut Jhr dises an!

Schaut Jhr und mögt ruhig sitzen?

Ist kein Stral der treffen kan?

Waffnet Jhr Euch nur umbsonst mit den Donnerschwangern Blitzen /

Oder tragt Jhr Eure Pfeil' auff die Laster-losen Eichen?

Oder kan diß Mord-Geschrey nicht an Eur Gehöre reichen?

REYEN.

O Weh! O Ach!

JULIA.

Heilge Themis! Rach! O Rach!

Heilge Themis! wo du nicht[39]

Vor gekrönte taub und blind;

Wo noch jemand Urthel spricht;

Wo noch eine Straffen sind;

Blitze! verhere! zustöre! verbrenne!

Wüte! verterbe! verwüste! zutrenne!

Reiß alle Grundfest umb auff die der Mörder baut!

Zuschmetter was Jhn schützt! zustoß auff was er traut!

REYEN.

O Weh! O herbes Weh!

JULIA.

Schau' ab von deiner Höh!

Schaw weiland mein Sever, numehr der Römer Gott!

Ja wol! Gott sonder Macht! dein Kind mein Sohn ist tod!

Soll man mit räuchren dich in so viel Tempeln ehren?

Und kanst nicht auff dein Blut / auff Julien nicht hören?

Ist diß was meinem Fleisch / was Mir dein Mund versprochen?

Ist dises Reich und Cron?

Beherrschest du die Welt? Und lässest ungerochen

Dein' Eh-Gemahl und Sohn?

REYEN.

O immer-neues Leid! O unerschöpffte Schmertzen!

JULIA.

Wehm geht ihr Sterblichen mein Hertzeleid zu Hertzen?

Ist jemand der nicht weiß was Zepter und Paläste /

Der komm' und blick uns an! Wir sitzen Demant-feste /

Umbringt mit glantzem Stahl; verwahrt mit Tausend Wehren /

Umbschrenckt mit strenger Macht / beschützt mit Tausend Heeren /

Biß sich das schnelle Rad umbwendet

Und ein schneller Augenblick

Die Herrli[ch]keit in nichts: Die Cron in Band und Strick

Die Ehr' in Schmach / die Lust in tiffste Schmertzen endet.

REYEN.

Ach! hochgestürtzte Fraw!

JULIA.

Ach hochgestürtztes Kind!

Mein Geta! meine Lust! mein herrschen und mein hoffen!

Ach hätt' uns doch vor dich der raue Schlag getroffen!

Ach leider! Ich empfind[40]

Nur mehr denn vil was eine Mutter sey!

Man stiß mein Hertz durch deine Wund' entzwey!

Mein eigen Blut sprützt vor auß deinen grimmen Wunden!

Ich fühle deine Qual! dich hat der Tod entbunden.

Dein Antlitz lebet noch / in dem das mein erblast;

Der Wangen Purpur stralt; weil mich der Tod umbfast.

Wahr ists! ich fühl' an dir die Adern nicht mehr spilen /

Was machts! Ich bin erstarrt / und fühle nicht mich fühlen.

O! könt Ich Niobe!

Mich plötzlich und noch warm in rauen Marmel schlissen!

O könt ich Salmacis in Threnen-Ströme flissen!

REYEN.

O Weh! O Weh!

JULIA.

O Blume deiner Zeit!

Deß hohen Vaters Wonne!

Der weiten Länder Freud und deiner Mutter Sonne!

Du Bild der Freundli[ch]keit!

Wirst du / in dem Morgen-Taw so entblättert und zutreten!

Ach gebährst du solches trauren deinem Rom und allen Städten?

Kanst du angenehmes Licht / nicht biß auff den Abend stehn

Must du eh der Tag sich theilet finster-bluttig untergehn?

REYEN.

O rauer Untergang! O Uhrsprung harter Nacht!

JULIA.

O Nacht! die uns zu früh' auß ihrer Klufft erwacht!

Die uns mit Finsternüß und schwartzem Dunckel decket!

Und mit Qual / Angst / und Furcht / Gespenst und rasen schrecket.

Was thu / was fang ich an?

Was schreibt dein Blut mir vor / ob dem die Erd' errötet!

Ich kan und bin behertzt zu tödten / der getödtet /

Ich eil! Ich wil! Ich kan!

Durch deß Verräthers Tod den Bruder-Mord versöhnen /

Auff Läger! Läger auff! wer kan die That beschönen?

Die Bassian verübt? Auff Läger! steht mir bey!

Eur Fürst / Eur Geta rufft! hört auff sein Mord-Geschrey![41]

Auff! waffnet Euch / die Jhr dem Fürsten theur verschworen!

Dem Fürsten! den (Ach!) Ich zu herrschen nicht geboren!

Betrübtes Rom! der dich zu schützen dachte:

Verbluttet und erstarrt.

Bestürtztes Rom! komm schaw doch und betrachte;

Was dein Fürst' in dir erharrt.

O wer die Colcher! O! wer Haemus raue Wälder /

Wer Schyten! wer den Pont / und der Cyrener Felder

Vor deine Pracht erwehlt!

Wer der Cimmerier uns nicht entdeckte Steine /

Wer Celten, wo es der geopfferten Gebeine

An Feur und Grabe fehlt

Für deinen Hof erkist. Du sahst es ja vorhin

Der du uns zu weichen rithest! Ach zu spät! nun glaub ich dir!

Uns war Sinn' und Witz verblendet / das Verhängnüß hilt uns hir.

Mich / Mich vor allen / die deß Unheils Ursach bin!

Was red' Ich und mit wehm? Kommt schwartze Rasereyen!

Jhr Töchter jener Nacht! entdeckt eur Schlangen-Haar!

Es wil noch Gott / noch Mensch uns einig Ohre leihen!

Kommt steckt umb dise Baar

Die Jammer-Fackeln an / steckt an mit Grimm und wüten /

Der Mutter feige Seel / deß Mörders Geist mit zagen /

Denn Hof mit Durst nach Blut / trotzt Menschen diß zu wagen /

Was selbst dem Laster nicht erlaubt von Euch zu bitten.

Fegt Schmach mit Meyneid ab / Ich leih Euch Hertz und Hand!

Führt heut ein Traur-Spil auß / daß wer durchs weite Land /

Von unserm Jammer hör't auch ob der Rach erschrecke /

Und sein ertäubtes Ohr und starrend Auge decke /[42]

Der unbesonnen' Anfang müß auff ein so kläglich End' außgehn

Ob dem versteinten Völckern auch die nassen haar zu berge stehn!


Julia. Reyen deß Frauenzimmers. Thrasullus.


THRASULLUS.

Durchläuchtigst ich bekenn': es ist was frech gewaget

Daß Ich mich untersteh / Sie / die die Welt beklaget /

Daß Ich mich untersteh / weil noch der Donnerschlag

Der disen Augenblick auff Jhren haaren lag /

Durch alle Zimmer kracht; weil Sie sich kaum kan regen /

Noch minder starrend weiß Jhr Leid zu überlegen;

Durch Red' und Gegenwart zu hindern ihr gewein.

Wenn Hertz und Seele weg / geht uns kein trösten ein

Durchlauchtigst'. Ich der stets geflissen Jhr zu dinen /

Bin Jhr zu Dinst / mit Jhr zu klagen / hir erschinen.

In dem die grosse Stadt geheul' auff heulen häufft /

Und sich ob disem Fall in Threnen gantz vertäufft.

JULIA.

In Threnen! weil der Fürst in Fürsten-Blut uns badet.

Doch numehr hats ein End' / ein Wetter hat geschadet

So hefftig: Daß kein Sturm uns mehr verletzen kan!

Schaw wo Sever uns liß! schaw unsre Zepter an!

Schaw endlich unsern Sohn! ja unsers Sohnes Leichen!

Könt auch ein grösser Schmertz ein grösser Weib erreichen?

Ist diß das hohe Glück / ist diß deß Himmels Schluß

Der Cron' auff Cronen gab? Furcht / Kummer / Noth / Verdruß /

Neid / Argwohn / falsche Freund / Zanck / zagen / nichtig hoffen;

Ist was wir in dem Thron statt wahrer Schätz' antroffen.

Doch was uns einig lib / was je das Hertz erquickt /

Was über Cron und Thron ligt hir zerschellt / zerstückt /[43]

Zerschmettert und zerstäubt! O wer mit dir entbunden!

O Fürst! und seine Ruh durch deinen Stich gefunden!

THRASULLUS.

Der schmertzlich Anblick rjtzt die Wunden weiter auff

Und greifft sie schärffer an / der milden Zehren lauff

Ergeust und wil durchauß sich mit dem Purpur mischen /

Der auß den Brüsten strömt: Last uns das Blut abwischen!

Das als Corallen-äst an allen Glidern klebt.

Komm du bethrentes Volck: Kommt Jungfern / tragt und hebt

Den / der das Reich erhob / der alle Last ertragen /

Die unerträglich schien. Entfernt der Mutter zagen

Deß Sohns entseelte Leich. Geht! geht! schafft Nard und Wein!

Und hüllt den reinen Leib mit Myhr und Balsam ein /

In Stück-werck weiser Faust / zirt die gekrönten Haare

Mit Palm und Lorber-Laub / schmückt die bedeckte Baare

Mit euren Flechten auß. Princess' ich sucht allein

Auff zwey / drey Wort / Jhr Ohr: Ich bote neuer Pein /

Und Bürge neuer Lust. Sie dencke was zurücke!

Bin Ich nicht der vorlängst das ungeheure Stücke

Auß Jhren Sternen las? Und Jhr den fall entwarff

Den vor deß Fürsten Grimm kein Mensch beklagen darff?

JULIA.

Wahr ists! du bists der uns deß Käysers Eh versprochen /

Und eh Severus Stul durch seinen Tod zubrochen

Uns früh sein End entdeckt! ach aber! diser Schlag

Ist was ich nie gefurcht und noch kaum glauben mag.

THRASULLUS.

Princesse warnt Ich nicht daß Geta bald würd' enden.

JULIA.

Doch wer entsetzte sich vor Kind und Bruders Händen?

THRASULLUS.

Daß Jhn ein mördlich Stich solt opffern seiner Baar.[44]

JULIA.

Wahr ists. Doch scheuten wir nichts / denn nur Krigs-Gefahr.

THRASULLUS.

Durchlauchtigst': Jtzt ists Zeit für Heil und Haubt zu wachen.

JULIA.

Zu wachen nun mein Schatz und gut in Todes-Rachen!

THRASULLUS.

Sie hat noch mehr denn vil / das auff der Wage steht.

JULIA.

Reich / Cron und Sohn ist hin! und was nicht hin / vergeht.

THRASULLUS.

Sie hat noch Reich und Sohn und Leben zu verlieren.

JULIA.

Der Mörder lasse mich nur bald zur Schlacht-Banck führen!

THRASULLUS.

Princeß Sie linder was / den hart erhjtzten Mut.

JULIA.

Den durch und durch erhjtzt deß Kindes heisses Blut.

THRASULLUS.

Sie schon' Jhr eigen Blut unnötig zu vergissen!

JULIA.

O könt es dise Stund' auß allen Adern flissen!

THRASULLUS.

Es bringt den Fürsten nicht auß Ditis Klufft zurück.

JULIA.

Er führt in Ditis Klufft all unser Heil und Glück.

THRASULLUS.

Jhr blüht ein grösser Glück,24 wo Sie den Sturm kan meiden.

JULIA.

Und haben wir noch was nach disem Leid zu leiden!

THRASULLUS.

Ja wol! die Wolck ist noch mit einem Stral gefast.

JULIA.

Was dräut der Himmel denn vor eine neue Last?

THRASULLUS.

Er dräut Jhr Ach und Tod wo Sie den Schmertz läst blicken.25

JULIA.

Wie kan ein bluttend Hertz so raue Qual verdrücken.

THRASULLUS.

Geduld! hir muß es seyn wo Nero Zepter trägt.

JULIA.

Hört Götter jener Welt! was wird uns aufferlegt.

THRASULLUS.

Hir / hir steht Agrippin, wo Sie nicht kan verschmertzen.

JULIA.

Wie? soll denn Julie mit disem Traur-Spil schertzen?[45]

THRASULLUS.

Fürstinnen kommt was mehr denn schlechten Müttern zu.

JULIA.

Deß Pövels Mutter hat mehr denn Princessen Ruh.

THRASULLUS.

Fürstinnen suchen Nutz auch auß Verlust zu erben.

JULIA.

Nutz mehr denn vil vor uns / wenn Wir gerochen sterben.

THRASULLUS.

Das Glück beut Jhr die Rach mit Rom und Zepter an.

JULIA.

Es fahre Rom und Reich wenn man sich rächen kan!

THRASULLUS.

Sie traw auff meine Wort' und hemme Schmertz und Zehren!

Der Haubtmann so den Leib deß Fürsten wird begehren!

Hat Macht; wofern Sie muckt auff Jhren Hals zu gehn!

JULIA.

Der grimme Zorn reist auß / die weiche Threnen stehn!

So steht dem Mörder frey auff Tygers Art zu wüten?

Und uns wird nicht vergont die Wehmut außzuschütten /

Gedoppelt grimmer Grimm! er raubt dem Bruder Zeit!

Den Freunden letzte Gunst! und uns Empfindli[ch]keit!

Wo sind Wir!

THRASULLUS.

Werthe Fraw Sie lasse sich bewegen.

JULIA.

Wol! wol! du bist erhört / last uns das Leid hinlegen

Das schlecht und weibisch steht / das Hertz ergrimmt und klopfft

Stirn / Wang' und Auge feurt / wie wenn die Lufft verstopfft

In unter-irrdsche Gäng' und keinen Außfall kennet

Biß die erhjtzte Glut durch alle Klüffte brennet

Und Fels und steile Berg' / und gantze Städt umbreist /

Und Menschen / Flamm und Graus biß in die Wolcken schmeist.

Klagt alle den man nicht die Threnen kan verschrencken!

Wir suchen Geta dir was mehr auffs Grab zu schencken.


[46] Der Cämmerer. Julia. Thrasullus.


CÄMMERER.

Fürstin / Cleander kömmt mits Käysers Cammer-Wach!

JULIA.

Deß Laetus höchster Feind! mehr denn gewüntschte Sach!

THRASULLUS.

Jtzt / jtzt / ists Zeit den Grimm der Schmertzen was zu zwingen.

JULIA.

Bleib unbesorgt. Wir sind entschlossen durch zu dringen

Wohin der Himmel rufft. Jhr Götter jener Welt

Jhr Kräffte die das Reich der untern Kercker hält /

Führt meinen Anschlag auß. Was ist Jhm anbefohlen?

CÄMMERER.

Er wil auffs Käysers Wort deß Fürsten Leich abholen.

JULIA.

Man leit Jhn durch den Saal wo unser Volck sich müht

Umb Grab-Schmuck zu der Blum die vor der Zeit verblüht.

Wir folgen auff dem Fuss' erbötigst Jhn zu hören!

Dir Rach thu einig Ich diß was ich thu zu ehren.


Reyen der Themis und der Rasereyen.

Themis steigt unter dem Klang der Trompeten auß den Wolcken auff die Erden.


THEMIS.

Der Greuel ist vollbracht

Der ernsten Rache macht

Soll auff die That einbrechen!

Man wird durch Sud und Nord /

Von disem Bruder-mord;

Mehr von der Straffe sprechen.


Das umbgesprützte Blut;

Erfodert Schwerdt und Glut.

Ich werd ein Traur-spil stifften:

Das mit gewalt und leid /[47]

Wird die bestürtzte Zeit /

Erschrecken und vergifften.


Der Bruder-Mörder fällt /

Zu Hohn der grossen Welt /

In tiffer Sünd auß Sünden.

Doch muß Ich vor sein Hertz

Mit ewig heissem Schmertz

Erfüllen und entzünden.


Du steh Papinian!

Sih kein bedräuen an!

Erschrick vor keinem tödten!

Durch das gezuckte Beil;

Erlangst du Ruhm und Heil /

Und weichst den grimmen Nöthen.


Er schadet sich / nicht dir

Weil Er / was für und für

Hat vor sein Haubt gestanden;

Von seiner Seiten stöst /

Und sich dem Dolch entblöst

Der schon vor Jhn verhanden.


Reiß Ditis Klufft entzwey!

Kommt Schwestern alle drey!

Jhr Wolcken lasst mich nider.

Kommt Rasereyen vor!

Kommt auß der Höllen Thor!

Mir ist Verzug zu wider.


Reyen der Rasereyen.

Kommen auß der Erden hervor.


Höchstes Recht der heilgen Welt!

Schaw man stellt sich willig ein.[48]

Was Cocytus noch verhält:

Wil dir stracks zu Dinste seyn.

Soll man Reich und Reich verheeren?

Soll man Städt' in nichts verkehren?

Soll man Thron und Zepter brechen?

Soll man Recht' und Satzung schwächen?

ALECTO.

Wohin willst du daß ich eil?

Grimm und Fackel ist entbrant.

TISIPHONE.

Fürstin hir ist Flamm und Pfeil!

Worzu brauchst du meine Hand?

MEGAERA.

Schaw wie sich die Schlange wind'

Mehr durch deine Blick' erhjtzt

Gifft ist / Feindin aller Sünd /

Was von meiner Scheitel schwjtzt.

ALLE DREY.

Dir Heiligste zu dinen

Sind wir bereit erschinen.

GERECHTIGKEIT.

Das grosse Rom erstarrt / ob seinem Bassian.

Sein Bruder fil durch Jhn; fallt ihr den Mörder an.

Er tödte was Jhn trib diß Schand-Stück zu begehen.

Er tödte was Jhm trew / durch den sein Reich kan stehen.

Entsteckt den tollen Geist mit Höllen-heisser Brunst

Er suche (wo Jhr wist und Ich nicht nenne) Gunst.

Er zag ob idem Blat und beb ob seinen Thaten.

Und fall auff eignen Mist / tod / blutig / und verrathen.

ALLE DREY.

Wir gehn behertzt dein wollen zu vollbringen.

So müsse Thron und Cron in Stücken springen!

So zitter ob der Straffe schweren Pein

Wer Heilge dir mag widerspenstig seyn.


Themis steiget unter dem Trompeten-Schall wider in die Wolcken.


Quelle:
Andreas Gryphius: Großmütiger Rechtsgelehrter oder Sterbender Aemilius Paulus Papinianus. Stuttgart 1965, S. 26-49.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.

138 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon