69.
An eben Selbige

[129] Sie dennoch sie/ mein Licht/ sie wil beständig seyn/

Ob die Zeit sich gleich verändert und die Sonne sich versteckt/

Und die wüsten Felder trauren/ und das Feld mit Schnee bedeckt/

Sie dennoch (wie sie schreibt) geht kein Verändern ein

Die Bäume sind entblöst/ das Wasser hart als Stein/

Der Palläste göldne Spitzen sind mit grauen Reiff befleckt/

Aller Blumen welcke Blätter die durchbeiste Kält erschreckt.

Nur ihre Rose steht in frischem Glantz allein/

Warum doch wil ich hier verziehen?

Wo nichts denn Unlust ist und kalte Winter-Lufft/

Weil sie mir noch/ mein Licht/ zu ihren Rosen rufft.

Ade ich muß von hinnen fliehen!

Wer länger schmachten wil in scharffer Frostes-Pein/

Wenn ihm der Frühling rufft/ muß es nicht würdig seyn.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 129.
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