70.
Neujahrs-Wunsch an Eugenien

[129] Man fängt das Neue Jahr mit Wunsch und Gaben an/

Mein Hertz/ ihr hab ich selbst zu eigen mich gegeben/

Und bin nicht weiter frey/ mein ihr verpflichtet Leben

Hat nichts/ zu dem Sie nicht schon Anspruch haben kan.

Doch wünschen mag ich noch: der grosse Wunder-Mann

Durch den die Erde muß in ihrem Wesen schweben/

Durch den der Himmel muß sich in die Höh erheben/

Hat offt dem Wünschen Krafft und Fortgang zugethan.

Was wünsch ich aber ihr das gut vor sie und mich/

Und nicht vergänglich sey/ das iede Zeit für sich

Und nicht durch fremde Gunst beständig könne werden?

Wer achtet was die Zeit/ was Seuch und Räuber nimmt?[129]

Was seinen Untergang/ indem es wächst/ bestimmt/

Wenn Gott uns Zweyen nur wolt einen Geist bescheren.

Quelle:
Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Band 1, Tübingen 1963, S. 129-130.
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