Fünfter Auftritt.


[98] König jetzt mit dem Ordensbande. Der Erbprinz. Ein Lakai.


KÖNIG tritt näher.

ERBPRINZ betrachtet ihn. Ist das nicht –

KÖNIG. Ja, stutzen Sie nur. Eine kleine Verwechselung!

ERBPRINZ in Verlegenheit. Meine Unbekanntschaft, Majestät –

KÖNIG. Hat nichts zu sagen. Aber Sie waren schrecklich grob. Na, die Kammerhusaren tragen dicke Pelze. Also – ich wünschte Sie zu sprechen. Mein lieber Erbprinz von Baireuth – kommen Sie jetzt eben von Baireuth?

ERBPRINZ. Zu Befehl, Ew. Majestät. Das heißt, vor – vor drei Jahren bin ich von Baireuth abgereist.

KÖNIG. Und waren – in der Zeit?

ERBPRINZ. In – in – England!

KÖNIG. Ah! – – Lange in England?

ERBPRINZ beiseite. Jetzt sollt' ich nun wohl bei ihm für Österreich wirken und England schlecht machen? Laut. In England? Hm! Lange genug, um dies verkehrte und überwiegend lächerliche Land nach allen seinen Beziehungen kennen zu lernen.

KÖNIG. Was? England? Hören Sie! Da können wir noch lange laufen, bis wir dahin angekommen sind, wo schon jetzt die Engländer stehen. Hm – hm – Waren Sie denn auch in Italien, Österreich, da so herum?

ERBPRINZ beiseite. Ist er denn für England? Ich denke für Österreich? Er ist für Österreich! Laut. Österreich? O wohl! Eine ausgezeichnete Regierung, ein Gewerbfleiß, ein Handel, ein Verkehr, Bewegung und Leben in allen Kreisen.

KÖNIG. Hören Sie, Bewegung? Die wird sich in Österreich noch halten lassen.

ERBPRINZ beiseite. Ist er denn nicht für Österreich? Ich glaube, ich insinuier' mich gar nicht!

KÖNIG beiseite. Sollt' er sich bereits mit Seckendorf und der ganzen Clique verständigt haben und mir zu Munde reden wollen? Laut. Hübsches Ländchen da, Ihr Baireuth. Boden etwas steinig. Bringt Ihrem Vater wohl nicht viel ein?

ERBPRINZ. Man verbessert jetzt bei uns das Erdreich. Beiseite. Schöne geographische Vorurteile!

KÖNIG. Wohl durch die Lustschlösser, die Ihr Herr Vater bauen läßt? Was ist nur dem Mann eingefallen? Baut ja einen Firlefanz nach dem andern, ganz à la Ludewig quatorze, und stürzt sein Land in Schulden. Wieviel Schulden hat denn so beiläufig Ihr Ländchen?[99]

ERBPRINZ beiseite. Weiß ich wahrhaftig selbst nicht. Dreist. Zehn Millionen.

KÖNIG. Zehn Millionen!

ERBPRINZ. Etwas mehr oder weniger.

KÖNIG. Großer Gott, und wer soll denn die einmal bezahlen? Und bei solchen Kameralverhältnissen reisen Sie in Europa herum und tragen das bißchen Geld auch noch aus dem Lande?

ERBPRINZ. Sire, man bildet sich.

KÖNIG. In Versailles? In Rheinsberg? Nun darüber genug, lassen wir das. Pfeift sich den Anfang des Dessauer Marsches. Sagen Sie mal, Sie haben ja da bei meinem Sohn so manchmal in der Heidenkomödie mitgespielt?

ERBPRINZ. Vertrautenrollen – ja, Majestät.

KÖNIG. Gut, ich wollte wegen der Heidenkomödie mit Ihnen sprechen. Prinz, Sie sind ein Mann von Geschmack, wie man sagt, einer, der so recht das gottlose römische und griechische Wesen innehat. Da ich nun gesonnen bin, die Vermählung meiner Tochter mit jedem Aufwand zu feiern, der meiner Krone geziemt, so wollt' ich Sie gebeten haben, sich mit meinem Sohn zu verständigen, wie man acht Tage lang auf eine amüsante und graziöse Manier die Höfe von Polen, von Sachsen, von Braunschweig, von Mecklenburg, die alle herkommen werden, unterhalten kann, und wie man überhaupt mit unserer Hochzeit Ehre einlegt.

ERBPRINZ. Hochzeit – Ihrer Prinzessin Tochter?

KÖNIG. Ja, Erbprinz. Kanonenschüsse, die liefert meine Artillerie. Manövers, Revüen, Paraden, das ist meine Sache; dafür soll gesorgt werden. Aber abends, immer werden mir da die fremden Herrschaften in Berlin müde, da nicken sie ein; Biertrinken und Tabakrauchen ist leider noch nicht jedermanns Sache, und so muß man schon mit dem Strom gehen und für angemessene Unterhaltung sorgen durch Illumination, Operas, allegorische Geschichten und dergleichen Schnickschnack über – Preußen und England –

ERBPRINZ. England?

KÖNIG steht auf. Wetter, das ist mir so über die Zunge gelaufen wie der Hase übern Weg! Hm! ich meine ein Spektakulum von – na, also immerhin! – ja, Einhorn, Adler, Adler, Einhorn, Leoparden, immer eins ins andere, Preußisches und Englisches, und gereimt muß es auch sein, sozusagen gedichtet –

ERBPRINZ. England? Diese Nachricht ist so überraschend – das ganze Land, Europa, die Welt wird erstaunen, wie England zu der Ehre kommt![100]

KÖNIG. Oho, schmeicheln Sie dem alten Kammerhusaren nicht! Mit England sind das schon alte Geschichten und von meiner Frau seit Jahren eingefädelt.

ERBPRINZ. Von der Königin? Ich glaube, daß Ihre Majestät die Königin – bei weitem mehr – für – für Österreich sein wird.

KÖNIG. Für Österreich? Beiseite. Das konnt' ich mir denken, daß die schon wieder ihren eigenen Willen haben muß. Laut und entschieden. Nein, heut' hab' ich einen Kurier von unserm Gesandten bekommen, der mich versichert, daß es England mit dieser im stillen abgekarteten Heirat Ernst ist! Der Prinz von Wales hat sich in England eingeschifft, und man vermutet, daß er bereits an der hannöverschen Küste gelandet ist. Einstweilen ist im strengsten Inkognito ein Bevollmächtigter von London abgegangen, der alle Punkte dieser Heirat mit mir verhandeln soll. Dieser Gesandte kann jede Stunde in Berlin eintreffen. Sie würden mich also sehr verbinden –

ERBPRINZ in Verzweiflung. Soll es denn ein Schäferspiel sein?

KÖNIG. Ja! Und der Kronprinz kann dabei die Flöte blasen, die er doch nun mal hinter meinem Rücken gelernt hat.

ERBPRINZ will gehen und kommt wieder. Und die Herrschaften sollen selbst darin mitspielen?

KÖNIG. Na freilich. Ja! Schreiben Sie jedem was zu sagen vor – mir nichts. Grumbkow aber, der soll mitspielen, die Viereck, die Sonnsfeld, Seckendorf auch –

ERBPRINZ geht wieder zurück. Englisch oder Französisch?

KÖNIG. Nein! Lauter reines feuriges Deutsch! Hochdeutsch, verstehen Sie, nicht etwa Berlinisch. Vertraulich. Und wenn Sie etwas Holländisch dabei anbringen könnten, so wäre mir das aus gewissen Handelsrücksichten nicht unerwünscht, da es doch in die Zeitungen kommt und der holländische Gesandte zugegen ist – die Einfuhr des Tabaks müssen – Sie nämlich wissen Ins Ohr und mit dem Gestus des Rauchens. rauchen kann der feine Herr wohl nicht?

ERBPRINZ verzweifelnd. Das nicht, Majestät, aber meine Phantasie, die dampft schon wie ein Vulkan!

LAKAI tritt ein. Die Geheimen Räte bitten dringend Ew. Majestät um gnädiges Gehör.

KÖNIG. Die muß die Neugier plagen! Na mal herein mit! Lakai ab. Also wie gesagt! Allegorische Epithalamien! Nicht so ganz in der Manier von Versailles, aber doch ein Polterabend, der sich vor denen da drüben in – ich meine in Dresden – nicht zu sehr zu verstecken braucht. Und Holland! Bringen Sie mir[101] ja etwas von den Kolonien – von dem Land an, Erbprinz, wo der Tabak wächst. Sie wissen doch – es ist das Land –

ERBPRINZ außer sich. Wo der Pfeffer wächst! Ab.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 98-102.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf Und Schwert; Lustspiel In Fünf Aufzügen. With A Biographical And Historical Introd., English Notes, And An Index (German Edition)

Buchempfehlung

Holz, Arno

Phantasus / Dafnis

Phantasus / Dafnis

Der lyrische Zyklus um den Sohn des Schlafes und seine Verwandlungskünste, die dem Menschen die Träume geben, ist eine Allegorie auf das Schaffen des Dichters.

178 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon