Vierter Auftritt

[17] Empedokles. Pausanias.


PAUSANIAS.

O all

Ihr himmlischen Mächte, was ist das?

EMPEDOKLES.

Hinweg!

Wer hat dich hergesandt? willst du das Werk

Verrichten an mir? Ich will dir alles sagen,

Wenn dus nicht weißt; dann richte was du tust

Danach – Pausanias! o suche nicht

Den Mann, an dem dein Herz gehangen, denn

Er ist nicht mehr, und gehe, guter Jüngling!

Dein Angesicht entzündet mir den Sinn,

Und sei es Segen oder Fluch, von dir

Ist beedes mir zu viel. Doch wie du willst!

PAUSANIAS.

Was ist geschehn? Ich habe lange dein

Geharrt und dankte, da ich von ferne

Dich sah, dem Tageslicht, da find ich so

Du hoher Mann! ach! wie die Eiche, die Zeus erschlug,

Vom Haupte bis zur Sohle dich zerschmettert.

Warst du allein? Die Worte hört ich nicht,

Doch schallt mir noch der fremde Todeston.

EMPEDOKLES.

Es war des Mannes Stimme, der sich mehr,

Denn Sterbliche, gerühmt, weil ihn zu viel

Beglückt die gütige Natur.[17]

PAUSANIAS.

Wie du

Vertraut zu sein mit allen Göttlichen

Der Welt, ist nie zu viel.

EMPEDOKLES.

So sagt ich auch,

Du Guter, da der heilge Zauber noch

Aus meinem Geiste nicht gewichen war,

Und da sie mich den Innigliebenden

Noch liebten, sie die Genien der Welt.

O himmlisch Licht! – es hatten michs

Die Menschen nicht gelehrt – schon lange, da

Mein sehnend Herz die Allebendige

Nicht finden konnte, da wandt ich mich zu dir,

Hing, wie die Pflanze dir mich anvertrauend,

In frommer Lust dir lange blindlings nach,

Denn schwer erkennt der Sterbliche die Reinen,

Doch als

der Geist mir blühte, wie du selber blühst,

Da kannt ich dich, da rief ich es: du lebst,

Und wie du heiter wandelst um die Sterblichen,

Und himmlischjugendlich den holden Schein

Von dir auf jedes eigen überstrahlst,

Daß alle deines Geistes Farbe tragen,

So ward auch mir das Leben zum Gedicht.

Denn deine Seele war in mir, und offen gab

Mein Herz wie du der ernsten Erde sich,

Der Leidenden, und oft in heilger Nacht

Gelobt ichs ihr, bis in den Tod

Die Schicksalvolle furchtlos treu zu lieben

Und ihrer Rätsel keines zu verschmähn.[18]

Da rauscht' es anders denn zuvor im Hain,

Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen.

All deine Freuden, Erde! nicht wie du

Sie lächelnd reichst den Schwächern, herrlich, wie sie sind,

Und warm und wahr aus Müh und Liebe reifen, –

Sie alle gabst du mir und wenn ich oft

Auf ferner Bergeshöhe saß und staunend

Des Lebens heilig Irrsal übersann,

Zu tief von deinen Wandlungen bewegt,

Und eignes Schicksal ahndend,

Dann atmete der Aether, so wie dir,

Mir heilend um die liebeswunde Brust,

Und zauberisch in seine Tiefe lösten

Sich meine Rätsel auf –

PAUSANIAS.

Du Glücklicher!

EMPEDOKLES.

Ich wars! o könnt ichs sagen, wie es war,

Es nennen – das Wandeln und Wirken deiner Geniuskräfte,

Der Herrlichen, deren Genoß ich war, o Natur!

Könnt ichs noch Einmal vor die Seele rufen,

Daß mir die stumme todesöde Brust

Von deinen Tönen allen widerklänge!

Bin ich es noch? o Leben! und rauschten sie mir,

All deine geflügelten Melodien und hört

Ich deinen alten Einklang, große Natur?

Ach! ich der allverlassene, lebt ich nicht

Mit dieser heilgen Erd und diesem Licht

Und dir, von dem die Seele nimmer läßt,

O Vater Aether! und allen Lebenden

In einigem gegenwärtigem Olymp? –[19]

Nun wein ich, wie ein Ausgestoßener,

Und nirgend mag ich bleiben, ach und du

Bist auch von mir genommen, – sage nichts!

Die Liebe stirbt, sobald die Götter fliehn,

Das weißt du wohl, verlaß mich nun, ich bin

Es nimmer und ich hab an dir nichts mehr.

PAUSANIAS.

Du bist es noch, so wahr du es gewesen.

Und laß michs sagen, unbegreiflich ist

Es mir, wie du dich selber so vernichtest.

Ich glaub es wohl, es schlummert deine Seele

Dir auch, zu Zeiten, wenn sie sich genug

Der Welt geöffnet, wie die Erde, die

Du liebst, sich oft in tiefe Ruhe schließt.

Doch nennest du sie tot, die Ruhende?

EMPEDOKLES.

Wie du mit lieber Mühe Trost ersinnst!

PAUSANIAS.

Du spottest wohl des Unerfahrenen

Und denkest, weil ich deines Glücks, wie du,

Nicht inne ward, so sag ich, da du leidest,

Nur ungereimte Dinge dir? sah ich nicht dich

In deinen Taten, da der wilde Staat von dir

Gestalt und Sinn gewann, in seiner Macht

Erfuhr ich deinen Geist, und seine Welt, wenn oft

Ein Wort von dir im heilgen Augenblick

Das Leben vieler Jahre mir erschuf,

Daß eine neue schöne Zeit von da

Dem Jünglinge begann; wie zahmen Hirschen,

Wenn ferne rauscht der Wald und sie der Heimat denken,[20]

So schlug mir oft das Herz, wenn du vom Glück

Der alten Urwelt sprachst, und zeichnetest

Du nicht der Zukunft große Linien

Vor mir, so wie des Künstlers sichrer Blick

Ein fehlend Glied zum ganzen Bilde reiht;

Liegt nicht vor dir der Menschen Schicksal offen?

Und kennst du nicht die Kräfte der Natur,

Daß du vertraulich, wie kein Sterblicher,

Sie, wie du willst, in stiller Herrschaft lenkst?

EMPEDOKLES.

Genug! du weißt es nicht, wie jedes Wort,

So du gesprochen, mir ein Stachel ist.

PAUSANIAS.

So mußt du denn im Unmut alles hassen?

EMPEDOKLES.

O ehre, was du nicht verstehst!

PAUSANIAS.

Warum

Verbirgst du mirs, und machst dein Leiden mir

Zum Rätsel? glaube! schmerzlicher ist nichts.

EMPEDOKLES.

Und nichts ist schmerzlicher, Pausanias!

Denn Leiden zu enträtseln. Siehest du denn nicht?

Ach! lieber wäre mirs, du wüßtest nicht

Von mir und aller meiner Trauer. Nein!

Ich sollt es nicht aussprechen, heilge Natur!

Jungfräuliche, die dem rohen Sinn entflieht!

Verachtet hab ich dich und mich allein

Zum Herrn gesetzt, ein übermütiger[21]

Barbar? an eurer Einfalt hielt ich euch,

Ihr reinen immerjugendlichen Mächte!

Die mich mit Freud erzogen, mich mit Wonne genährt,

Und weil ihr immergleich mir wiederkehrtet,

Ihr Guten, ehrt ich eure Seele nicht!

Ich kannt es ja, ich hatt es ausgelernt,

Das Leben der Natur, wie sollt es mir

Noch heilig sein, wie einst! Die Götter waren

Mir dienstbar nun geworden, ich allein

War Gott, und sprachs im frechen Stolz heraus.

O glaub es mir, ich wäre lieber nicht

Geboren!

PAUSANIAS.

Was? um eines Wortes willen?

Wie kannst so du verzagen, kühner Mann!

EMPEDOKLES.

Um eines Wortes willen? ja. Und mögen

Die Götter mich zernichten, wie sie mich

Geliebt.

PAUSANIAS.

So sprechen andre nicht, wie du.

EMPEDOKLES.

Die andern! wie vermöchten sie's?

PAUSANIAS.

Ja wohl,

Du wunderbarer Mann! So innig liebt'

Und sah kein anderer die ewge Welt

Und ihre Genien und Kräfte nie,

Wie du, und darum sprachst das kühne Wort

Auch du allein, und darum fühlst du auch

So sehr, wie du mit Einer stolzen Silbe[22]

Vom Herzen aller Götter dich gerissen,

Und opferst liebend ihnen dich dahin,

O Empedokles! –

EMPEDOKLES.

Siehe! was ist das?

Hermokrates, der Priester, und mit ihm

Ein Haufe Volks! und Kritias, der Archon.

Was suchen sie bei mir?

PAUSANIAS.

Sie haben lang

Geforschet, wo du wärst.


Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Stuttgart 1962, S. 17-23.
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