[17] Empedokles. Pausanias.
PAUSANIAS.
O all
Ihr himmlischen Mächte, was ist das?
EMPEDOKLES.
Hinweg!
Wer hat dich hergesandt? willst du das Werk
Verrichten an mir? Ich will dir alles sagen,
Wenn dus nicht weißt; dann richte was du tust
Danach – Pausanias! o suche nicht
Den Mann, an dem dein Herz gehangen, denn
Er ist nicht mehr, und gehe, guter Jüngling!
Dein Angesicht entzündet mir den Sinn,
Und sei es Segen oder Fluch, von dir
Ist beedes mir zu viel. Doch wie du willst!
PAUSANIAS.
Was ist geschehn? Ich habe lange dein
Geharrt und dankte, da ich von ferne
Dich sah, dem Tageslicht, da find ich so
Du hoher Mann! ach! wie die Eiche, die Zeus erschlug,
Vom Haupte bis zur Sohle dich zerschmettert.
Warst du allein? Die Worte hört ich nicht,
Doch schallt mir noch der fremde Todeston.
EMPEDOKLES.
Es war des Mannes Stimme, der sich mehr,
Denn Sterbliche, gerühmt, weil ihn zu viel
Beglückt die gütige Natur.[17]
PAUSANIAS.
Wie du
Vertraut zu sein mit allen Göttlichen
Der Welt, ist nie zu viel.
EMPEDOKLES.
So sagt ich auch,
Du Guter, da der heilge Zauber noch
Aus meinem Geiste nicht gewichen war,
Und da sie mich den Innigliebenden
Noch liebten, sie die Genien der Welt.
O himmlisch Licht! – es hatten michs
Die Menschen nicht gelehrt – schon lange, da
Mein sehnend Herz die Allebendige
Nicht finden konnte, da wandt ich mich zu dir,
Hing, wie die Pflanze dir mich anvertrauend,
In frommer Lust dir lange blindlings nach,
Denn schwer erkennt der Sterbliche die Reinen,
Doch als
der Geist mir blühte, wie du selber blühst,
Da kannt ich dich, da rief ich es: du lebst,
Und wie du heiter wandelst um die Sterblichen,
Und himmlischjugendlich den holden Schein
Von dir auf jedes eigen überstrahlst,
Daß alle deines Geistes Farbe tragen,
So ward auch mir das Leben zum Gedicht.
Denn deine Seele war in mir, und offen gab
Mein Herz wie du der ernsten Erde sich,
Der Leidenden, und oft in heilger Nacht
Gelobt ichs ihr, bis in den Tod
Die Schicksalvolle furchtlos treu zu lieben
Und ihrer Rätsel keines zu verschmähn.[18]
Da rauscht' es anders denn zuvor im Hain,
Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen.
All deine Freuden, Erde! nicht wie du
Sie lächelnd reichst den Schwächern, herrlich, wie sie sind,
Und warm und wahr aus Müh und Liebe reifen, –
Sie alle gabst du mir und wenn ich oft
Auf ferner Bergeshöhe saß und staunend
Des Lebens heilig Irrsal übersann,
Zu tief von deinen Wandlungen bewegt,
Und eignes Schicksal ahndend,
Dann atmete der Aether, so wie dir,
Mir heilend um die liebeswunde Brust,
Und zauberisch in seine Tiefe lösten
Sich meine Rätsel auf –
PAUSANIAS.
Du Glücklicher!
EMPEDOKLES.
Ich wars! o könnt ichs sagen, wie es war,
Es nennen – das Wandeln und Wirken deiner Geniuskräfte,
Der Herrlichen, deren Genoß ich war, o Natur!
Könnt ichs noch Einmal vor die Seele rufen,
Daß mir die stumme todesöde Brust
Von deinen Tönen allen widerklänge!
Bin ich es noch? o Leben! und rauschten sie mir,
All deine geflügelten Melodien und hört
Ich deinen alten Einklang, große Natur?
Ach! ich der allverlassene, lebt ich nicht
Mit dieser heilgen Erd und diesem Licht
Und dir, von dem die Seele nimmer läßt,
O Vater Aether! und allen Lebenden
In einigem gegenwärtigem Olymp? –[19]
Nun wein ich, wie ein Ausgestoßener,
Und nirgend mag ich bleiben, ach und du
Bist auch von mir genommen, – sage nichts!
Die Liebe stirbt, sobald die Götter fliehn,
Das weißt du wohl, verlaß mich nun, ich bin
Es nimmer und ich hab an dir nichts mehr.
PAUSANIAS.
Du bist es noch, so wahr du es gewesen.
Und laß michs sagen, unbegreiflich ist
Es mir, wie du dich selber so vernichtest.
Ich glaub es wohl, es schlummert deine Seele
Dir auch, zu Zeiten, wenn sie sich genug
Der Welt geöffnet, wie die Erde, die
Du liebst, sich oft in tiefe Ruhe schließt.
Doch nennest du sie tot, die Ruhende?
EMPEDOKLES.
Wie du mit lieber Mühe Trost ersinnst!
PAUSANIAS.
Du spottest wohl des Unerfahrenen
Und denkest, weil ich deines Glücks, wie du,
Nicht inne ward, so sag ich, da du leidest,
Nur ungereimte Dinge dir? sah ich nicht dich
In deinen Taten, da der wilde Staat von dir
Gestalt und Sinn gewann, in seiner Macht
Erfuhr ich deinen Geist, und seine Welt, wenn oft
Ein Wort von dir im heilgen Augenblick
Das Leben vieler Jahre mir erschuf,
Daß eine neue schöne Zeit von da
Dem Jünglinge begann; wie zahmen Hirschen,
Wenn ferne rauscht der Wald und sie der Heimat denken,[20]
So schlug mir oft das Herz, wenn du vom Glück
Der alten Urwelt sprachst, und zeichnetest
Du nicht der Zukunft große Linien
Vor mir, so wie des Künstlers sichrer Blick
Ein fehlend Glied zum ganzen Bilde reiht;
Liegt nicht vor dir der Menschen Schicksal offen?
Und kennst du nicht die Kräfte der Natur,
Daß du vertraulich, wie kein Sterblicher,
Sie, wie du willst, in stiller Herrschaft lenkst?
EMPEDOKLES.
Genug! du weißt es nicht, wie jedes Wort,
So du gesprochen, mir ein Stachel ist.
PAUSANIAS.
So mußt du denn im Unmut alles hassen?
EMPEDOKLES.
O ehre, was du nicht verstehst!
PAUSANIAS.
Warum
Verbirgst du mirs, und machst dein Leiden mir
Zum Rätsel? glaube! schmerzlicher ist nichts.
EMPEDOKLES.
Und nichts ist schmerzlicher, Pausanias!
Denn Leiden zu enträtseln. Siehest du denn nicht?
Ach! lieber wäre mirs, du wüßtest nicht
Von mir und aller meiner Trauer. Nein!
Ich sollt es nicht aussprechen, heilge Natur!
Jungfräuliche, die dem rohen Sinn entflieht!
Verachtet hab ich dich und mich allein
Zum Herrn gesetzt, ein übermütiger[21]
Barbar? an eurer Einfalt hielt ich euch,
Ihr reinen immerjugendlichen Mächte!
Die mich mit Freud erzogen, mich mit Wonne genährt,
Und weil ihr immergleich mir wiederkehrtet,
Ihr Guten, ehrt ich eure Seele nicht!
Ich kannt es ja, ich hatt es ausgelernt,
Das Leben der Natur, wie sollt es mir
Noch heilig sein, wie einst! Die Götter waren
Mir dienstbar nun geworden, ich allein
War Gott, und sprachs im frechen Stolz heraus.
O glaub es mir, ich wäre lieber nicht
Geboren!
PAUSANIAS.
Was? um eines Wortes willen?
Wie kannst so du verzagen, kühner Mann!
EMPEDOKLES.
Um eines Wortes willen? ja. Und mögen
Die Götter mich zernichten, wie sie mich
Geliebt.
PAUSANIAS.
So sprechen andre nicht, wie du.
EMPEDOKLES.
Die andern! wie vermöchten sie's?
PAUSANIAS.
Ja wohl,
Du wunderbarer Mann! So innig liebt'
Und sah kein anderer die ewge Welt
Und ihre Genien und Kräfte nie,
Wie du, und darum sprachst das kühne Wort
Auch du allein, und darum fühlst du auch
So sehr, wie du mit Einer stolzen Silbe[22]
Vom Herzen aller Götter dich gerissen,
Und opferst liebend ihnen dich dahin,
O Empedokles! –
EMPEDOKLES.
Siehe! was ist das?
Hermokrates, der Priester, und mit ihm
Ein Haufe Volks! und Kritias, der Archon.
Was suchen sie bei mir?
PAUSANIAS.
Sie haben lang
Geforschet, wo du wärst.
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