[109] Pausanias. Empedokles.
EMPEDOKLES.
Ich fühle nur des Tages Neige, Freund!
Und dunkel will es werden mir und kalt!
Es gehet rückwärts, lieber! nicht zur Ruh,
Wie wenn der beutefrohe Vogel sich
Das Haupt verhüllt zu frischer erwachendem
Zufriednem Schlummer, anders ists mit mir!
Erspare mir die Klage! laß es mir!
PAUSANIAS.
Sehr fremde bist du mir geworden,
Mein Empedokles! kennest du mich nicht?
Und kenn ich nimmer dich, du Herrlicher? –
Du konntst dich so verwandeln, konntest so
Zum Rätsel werden, edel Angesicht,
Und so zur Erde beugen darf der Gram
Die Lieblinge des Himmels? bist du denn
Es nicht? und sieh! wie danken dir es all,
Und so in goldner Freude mächtig war
Kein anderer, wie du, in seinem Volke.
EMPEDOKLES.
Sie ehren mich? o sag es ihnen doch,
Sie sollens lassen – Übel steht[109]
Der Schmuck mir an und welkt
Das grüne Laub doch auch
Dem ausgerißnen Stamme!
PAUSANIAS.
Noch stehst du ja, und frisch Gewässer spielt
Um deine Wurzel dir, es atmet mild
Die Luft um deine Gipfel, nicht von Vergänglichem
Gedeiht dein Herz; es walten über dir
Unsterblichere Kräfte.
EMPEDOKLES.
Du mahnest mich der Jugendtage, lieber!
PAUSANIAS.
Noch schöner dünkt des Lebens Mitte mir.
EMPEDOKLES.
Und gerne sehen, wenn es nun
Hinab sich neigen will, die Augen
Der Schnellhinschwindenden noch Einmal
Zurück, der Dankenden. O jene Zeit!
Ihr Liebeswonnen, da die Seele mir
Von Göttern, wie Endymion, geweckt,
Die kindlich schlummernde, sich öffnete,
Lebendig sie, die Immerjugendlichen,
Des Lebens große Genien
Erkannte – schöne Sonne! Menschen hatten mich
Es nicht gelehrt, mich trieb mein eigen Herz
Unsterblich liebend zu Unsterblichen,
Zu dir, zu dir, ich konnte Göttlichers
Nicht finden, stilles Licht! und so wie du
Das Leben nicht an deinem Tage sparst
Und sorgenfrei der goldnen Fülle dich[110]
Entledigest, so gönnt auch ich, der Deine,
Den Sterblichen die beste Seele gern
Und furchtlosoffen gab
Mein Herz, wie du, der ernsten Erde sich,
Der schicksalvollen; ihr in Jünglingsfreude
Das Leben so zu eignen bis zuletzt,
Ich sagt ihrs oft in trauter Stunde zu,
Band so den teuern Todesbund mit ihr.
Da rauscht' es anders, denn zuvor, im Hain,
Und zärtlich tönten ihrer Berge Quellen –
All deine Freuden, Erde! wahr, wie sie,
Und warm und voll, aus Müh und Liebe reifen,
Sie alle gabst du mir. Und wenn ich oft
Auf stiller Bergeshöhe saß und staunend
Der Menschen wechselnd Irrsal übersann,
Zu tief von deinen Wandlungen ergriffen,
Und nah mein eignes Welken ahndete,
Dann atmete der Aether, so wie dir,
Mir heilend um die liebeswunde Brust,
Und, wie Gewölk der Flamme, löseten
Im hohen Blau die Sorgen mir sich auf.
PAUSANIAS.
O Sohn des Himmels!
EMPEDOKLES.
Ich war es! ja! und möcht es nun erzählen,
Ich Armer! möcht es Einmal noch
Mir in die Seele rufen,
Das Wirken deiner Geniuskräfte
Der Herrlichen deren Genoß ich war, o Natur,
Daß mir die stumme todesöde Brust
Von deinen Tönen allen widerklänge,[111]
Bin ich es noch? o Leben! und rauschten sie mir
All deine geflügelten Melodien und hört
Ich deinen alten Einklang, große Natur?
Ach! ich der Einsame, lebt ich nicht
Mit dieser heilgen Erd und diesem Licht
Und dir, von dem die Seele nimmer läßt,
O Vater Aether, und mit allen Lebenden
Der Götter Freund im gegenwärtigen
Olymp? ich bin heraus geworfen, bin
Ganz einsam, und das Weh ist nun
Mein Tagsgefährt' und Schlafgenosse mir.
Bei mir ist nicht der Segen, geh!
Geh! frage nicht! denkst du, ich träum?
O sieh mich an! und wundre des dich nicht,
Du Guter, daß ich daherab
Gekommen bin; des Himmels Söhnen ist,
Wenn überglücklich sie geworden sind,
Ein eigner Fluch beschieden.
PAUSANIAS.
Ich duld es nicht,
Weh! solche Reden! du? ich duld es nicht.
Du solltest so die Seele dir und mir
Nicht ängstigen. Ein böses Zeichen dünkt
Es mir, wenn so der Geist, der immerfrohe, sich
Der Mächtigen umwölket.
EMPEDOKLES.
Fühlst dus? Es deutet, daß er bald
Zur Erd hinab im Ungewitter muß.
PAUSANIAS.
O laß den Unmut, lieber!
O dieser, was tat er euch, dieser Reine,[112]
Daß ihm die Seele so verfinstert ist,
Ihr Todesgötter! haben die Sterblichen denn
Kein Eigenes nirgendswo, und reicht
Das Furchtbare denn ihnen bis ans Herz,
Und herrscht es in der Brust den Stärkeren noch
Das ewige Schicksal? Bändige den Gram
Und übe deine Macht, bist du es doch
Der mehr vermag, denn andere, o sieh
An meiner Liebe, wer du bist,
Und denke dein, und lebe!
EMPEDOKLES.
Du kennest mich und dich und Tod und Leben nicht.
PAUSANIAS.
Den Tod, ich kenn ihn wenig nur,
Denn wenig dacht ich seiner.
EMPEDOKLES.
Allein zu sein,
Und ohne Götter, ist der Tod.
PAUSANIAS.
Laß ihn, ich kenne dich, an deinen Taten
Erkannt ich dich, in seiner Macht
Erfuhr ich deinen Geist, und seine Welt,
Wenn oft ein Wort von dir
Im heilgen Augenblick
Das Leben vieler Jahre mir erschuf,
Daß eine neue große Zeit von da
Dem Jünglinge begann. Wie zahmen Hirschen,
Wenn ferne rauscht der Wald und sie
Der Heimat denken, schlug das Herz mir oft,
Wenn du vom Glück der alten Urwelt sprachst,[113]
Der reinen Tage kundig und dir lag
Das ganze Schicksal offen, zeichnetest
Du nicht der Zukunft große Linien
Mir vor das Auge, sichern Blicks, wie Künstler
Ein fehlend Glied zum ganzen Bilde reihn?
Und kennst du nicht die Kräfte der Natur,
Daß du vertraulich wie kein Sterblicher
Sie, wie du willst, in stiller Herrschaft lenkest?
EMPEDOKLES.
Recht! alles weiß ich, alles kann ich meistern.
Wie meiner Hände Werk, erkenn ich es
Durchaus, und lenke, wie ich will
Ein Herr der Geister, das Lebendige.
Mein ist die Welt, und untertan und dienstbar
Sind alle Kräfte mir,
zur Magd ist mir
Die herrnbedürftige Natur geworden.
Und hat sie Ehre noch, so ists von mir.
Was wäre denn der Himmel und das Meer
Und Inseln und Gestirn, und was vor Augen
Den Menschen alles liegt, was wär es,
Dies tote Saitenspiel, gäb ich ihm Ton
Und Sprach und Seele nicht? was sind
Die Götter und ihr Geist, wenn ich sie nicht
Verkündige? nun! sage, wer bin ich?
PAUSANIAS.
Verhöhne nur im Unmut dich und alles
Was Menschen herrlich macht,
Ihr Wirken und ihr Wort, verleide mir
Den Mut im Busen, schröcke mich zum Kinde[114]
Zurück. O sprich es nur heraus! du hassest dich
Und was dich liebt und was dir gleichen möcht;
Ein anders willst du, denn du bist, genügst dir
In deiner Ehre nicht und opferst dich an Fremdes.
Du willst nicht bleiben, willst
Zu Grunde gehen. Ach! in deiner Brust
Ist minder Ruhe, denn in mir.
EMPEDOKLES.
Unschuldiger!
PAUSANIAS.
Und dich verklagst du?
Was ist es denn? o mache mir dein Leiden
Zum Rätsel länger nicht! mich peinigets!
EMPEDOKLES.
Mit Ruhe wirken soll der Mensch,
Der sinnende, soll entfaltend
Das Leben um ihn fördern und heitern
Denn hoher Bedeutung voll,
Voll schweigender Kraft umfängt
Den ahnenden, daß er bilde die Welt,
Die große Natur,
Daß ihren Geist hervor er rufe, strebt
Tief wurzelnd
Das gewaltige Sehnen ihm auf.
Und viel vermag er und herrlich ist
Sein Wort, es wandelt die Welt
Und unter den Händen[115]
Ausgewählte Ausgaben von
Der Tod des Empedokles
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