An Eduard

[39] [Erste Fassung]


Euch alten Freunde droben, unsterbliches

Gestirn! euch frag ich, Helden! woher es ist,

Daß ich so untertan ihm bin, und

So der Gewaltige sein mich nennet.


Denn wenig kann ich bieten, nur weniges

Kann ich verlieren, aber ein liebes Glück,

Ein einziges, zum Angedenken

Reicherer Tage zurückgeblieben;


Und so er mirs geböte, dies Eine noch,

Mein Saitenspiel, ich wagt es, wohin er wollt,

Und mit Gesange folgt ich, selbst ins

Ende der Tapferen, ihm hinunter.


»Die Wolke«, säng ich, »tränket mit Regen dich,

Du Mutterboden! aber mit Blut der Mensch;

So ruht, so kühlt die Liebe sich, die

Droben und drunten nicht Gleiches findet.


Wo ist am Tag ihr Zeichen? wo spricht das Herz

Sich aus? und wann im Leben, wann ist es frei,

Was unser Wort nicht nennt, wann wird, was

Trauert, gebannt in die Nacht, sein Wunsch ihm? –
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Jetzt, wann die Opfer fallen, ihr Freunde! jetzt!

Schon tritt hinzu der festliche Zug, schon blinkt

Der Stahl, die Wolke dampft, sie fallen, und es

Hallt in der Luft, und die Erde rühmt es! «


Wenn ich so singend fiele, dann rächtest du

Mich, mein Achill! und sprächest: »Er lebte doch

Treu bis zuletzt!« Das ernste Wort, das

Spräche mein Feind, und der Totenrichter!


Doch weilen wir in Ruhe, du Lieber, noch;

Uns birgt der Wald, es hält das Gebirge dort,

Das mütterliche, noch die beiden

Brüder in sicherem Arm gefangen.


Uns ist die Weisheit Wiegengesang; sie webt

Ums Aug ihr heilig Dunkel; doch öfters kömmt

Aus fernetönendem Gewölk die

Mahnende Flamme des Zeitengottes.


Es regt sein Sturm die Schwingen dir auf, dich ruft,

Dich nimmt der mächtge Vater hinauf; o nimm

Mich du, und trage deine leichte

Beute dem lächelnden Gott entgegen!

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953, S. 39-41.
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