Die Heimat

[18] Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,

Von Inseln fernher, wenn er geerntet hat;

So käm auch ich zur Heimat, hätt ich

Güter so viele, wie Leid, geerntet.


Ihr teuern Ufer, die mich erzogen einst,

Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir,

Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich

Komme, die Ruhe noch einmal wieder?


Am kühlen Bache, wo ich der Wellen Spiel,

Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe sah,

Dort bin ich bald; euch traute Berge,

Die mich behüteten einst, der Heimat


Verehrte sichre Grenzen, der Mutter Haus

Und liebender Geschwister Umarmungen

Begrüß ich bald und ihr umschließt mich,

Daß, wie in Banden, das Herz mir heile,


Ihr treugebliebnen! aber ich weiß, ich weiß,

Der Liebe Leid, dies heilet so bald mir nicht,

Dies singt kein Wiegensang, den tröstend

Sterbliche singen, mir aus dem Busen.


Denn sie, die uns das himmlische Feuer leihn,

Die Götter schenken heiliges Leid uns auch,

Drum bleibe dies. Ein Sohn der Erde

Schein ich; zu lieben gemacht, zu leiden.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953, S. 18-19.
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