Tränen

[61] Himmlische Liebe! zärtliche! wenn ich dein

Vergäße, wenn ich, o ihr geschicklichen,

Ihr feurgen, die voll Asche sind und

Wüst und vereinsamet ohnedies schon,


Ihr lieben Inseln, Augen der Wunderwelt!

Ihr nämlich geht nun einzig allein mich an,

Ihr Ufer, wo die abgöttische

Büßet, doch Himmlischen nur, die Liebe.


Denn allzudankbar haben die Heiligen

Gedienet dort in Tagen der Schönheit und

Die zorngen Helden; und viel Bäume

Sind, und die Städte daselbst gestanden,


Sichtbar, gleich einem sinnigen Mann; itzt sind

Die Helden tot, die Inseln der Liebe sind

Entstellt fast. So muß übervorteilt,

Albern doch überall sein die Liebe.


Ihr weichen Tränen, löschet das Augenlicht

Mir aber nicht ganz aus; ein Gedächtnis doch,

Damit ich edel sterbe, laßt ihr

Trügrischen, Diebischen, mir nachleben.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953, S. 61-62.
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