Drittes Kapitel

[219] tum der Heroen, unter den Augen der Miltiade und Aristide, beim Wettgesange der edeln Dichter und im Kampfspiel, wo der Lorbeer winkte! und deine Gespielen – du hättest sie gewiß recht lieb gewonnen, die starken bildsamen Jünglinge! ihr hättet euch in eures Herzens Fröhlichkeit eure Geheimnisse vertraut, wie es euch schmerze, noch nichts getan zu haben, wie ihr oft in der Stille über euch trauertet vor dem Bilde eines Helden, wie ihr nicht lassen könntet von der Liebe zum Lorbeer, und euch oft berauschtet im Gedanken[219] der Unsterblichkeit, ihr hättet euch gefreut, daß es einem ergehe, wie dem andern, und kühn geschworen, des Herzens Triebe Genüge zu tun. – Nun ist es freilich anders, gutes Herz! Du siehest vor dir, wie es ist. Aber laß dich das nicht irren! – Siehe das Licht des Himmels an! Bedarf es fremden Feuers, um zu leuchten und zu wärmen? bedarf es eines Dankes, um wohlzutun? und wenn sich die Erde mit Dünsten umwölkt, und seine reinen Strahlen nicht aufnimmt, in ihr Innres, leuchtet es minder, wie sonst? So sei auch du! Denk und tue, wie du sollst, und siehe nicht um dich; und wenn der kleinen Menschen kleiner Tadel in deinem sichern Gange dir nachtönt, so denke dir recht lebendig, wie der arme Perser den ungehorsamen Ozean peitschte! – Es ist dein liebster Gedanke, zu werden, wie die Herrlichen, die einst waren. Erhalt ihn! werde nicht mutlos! Gib dich nie auf halbem Wege zufrieden! Verweile nicht an Armseligkeiten! Sei still und harre, bis deine Zeit kömmt! Lebe in Gemeinschaft mit deinen Heroen! Du findest ihresgleichen schwerlich so bald unter den Lebendigen. Bewahre dich, junge Seele! Du gehörst einer andern Welt. Befasse dich nicht zu viel mit dieser, bis deine Zeit kommt, und du unter ihr wirkst. Nähre dein Herz mit der Geschichte besserer Tage, suche nichts unter den jetzigen! Das wenige, was sie dir geben, ist, wenigstens jetzt, nicht für dich. – Denke meiner Worte, Lieber! wenn ich ferne bin. Ich muß dich bald verlassen. Wer weiß? es könnten die letzten Worte sein, die ich dir sagte! Wenn ich sterbe, so sterb ich mit der Hoffnung, daß mein bestes Leben fortdaure in dir und denen, die du einst bildest, daß sie wieder in andern pflanzen, was in ihnen reifte durch dich. Und was sprech ich von mir? Stehet ihr wieder auf im Geiste meines Lieblings, ihr Herrlichen, die ihr schläft unter den Trümmern des gefallenen Griechenlands! verjüngt euch wieder in ihm, ihr alten Tugenden von Athen und Sparta! o kehret wieder, goldne Tage, Tage der Wahrheit und der Schönheit, kehret wieder in ihm! – Er sah, daß ich zu tief erschüttert war, um noch zu hören, auch ihm mochte zu viel sich aufdringen,[220] um es der jungen Seele mitzuteilen. Er umschlang mich schweigend, innigst bewegt, ich Glücklicher! in seinen Armen barg ich meine heftigen Seufzer und meine Tränen.

Wir fuhren zurück nach Tina, und, wie ich ihn des andern Tags besuchen wollte, war er fort.


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Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Stuttgart 1958, S. 219-221.
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