An Voß

[139] Klimme muthig den Pfad, Bester, den Dornenpfad,

Durch die Wolken hinauf, bis du den Strahlenkranz,

Der nur weiseren Dichtern,

Funkelt, dir um die Schläfe schlingst.


Heißer liebe durch dich Enkel und Enkelin

Gott und seine Natur, herzliche Brudertreu,

Einfalt, Freiheit und Unschuld,

Deutsche Tugend und Redlichkeit.


Stilles Trittes, o Voß, wandelt indeß dein Freund

Durch Gefilde der Ruh, lauschet der Nachtigall

Und der Stimme des leisen

Mondbeschimmerten Wiesenborns;


Singt den duftenden Hain, welchen das Morgenroth

Überflimmert mit Gold, oder den Frühlingsstrauß,

Der am Busen des Mädchens,

Mildgeröthet vom Abend, bebt.


Mir auch weinet, auch mir, Wonne! das Mädchen Dank,

Küßt mein zärtliches Lied, drückt es an ihre Brust,

Seufzt: Du redlicher Jüngling,

Warum barg dich die Gruft so früh!
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Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 139-140.
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