An den Mond

[172] Was schauest du so hell und klar

Durch diese Apfelbäume,

Wo weiland ich so selig war,

Und träumte süße Träume?

Verhülle deinen Silberglanz,

Und schimmre, wie du schimmerst,

Wenn du den frühen Todtenkranz

Der jungen Braut beflimmerst!


Du blickst umsonst so hell und klar

In diese Laube nieder;

Nie findest du das frohe Paar

In diesen Schatten wieder.

Ein schwarzes, feindliches Geschick

Entrief sie dieser Scene;

Kein Seufzer flügelt sie zurück,

Und keine Sehnsuchtsthräne.


Und wandelt sie hinfort einmal

An meiner Ruhestelle,

Dann mach, durch einen trüben Stral,

Des Grabes Blumen helle.

Sie seze weinend sich aufs Grab,

Wo Rosen niederhangen,

Und pflücke sich ein Blümchen ab,

Und drücks an ihre Wangen.
[172]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 172-173.
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