An meine Freunde

[87] Schande ladet der Mann auf sich,

Auf sein sklavisches Volk, welcher den Meucheldolch

In den Busen der Unschuld senkt,

Und in Engelgewand hüllet den Otternleib

Seiner Göttin der Buhlerey.

Edle schwören ihm Haß! Streuet ein Schmeichelsklav

Kron' auf Kronen in seinen Schoos,

O er jauchze nur nicht! Prahler dein Lorbeer welkt,

Eh dein Leben verflogen ist,

Welkt, und schändet dein Haupt! Grünt er Aeonenlang,

Keiner neidete solchen Kranz,

Welcher träufelt von Tod! Reue der Seelenwurm

Reißt vom Schlummer sich jählings auf,

Und zerwühlet sein Herz! Töchter des Schöpferhauchs,

Mädchenseelen, durch ihn verführt,

Wimmern gegen ihn hin, wimmern und starren Fluch,

Kommt sein eiserner Todestag.

Jedes Buhlergelust, das er entzündete,

Wird zum Teufel, und geißelt ihn

Auf dem Lager der Rast, bis er den Geist verhaucht.

Sünder, stürzeten Ströme Bluts

Deine Wangen herab, stürzeten, bis des Tods

Eisenklauigte Würgerfaust

Dräuend über dir schwebt, Sünder, sie weinten nicht

Deiner Frevel den kleinsten aus!

Freunde beuget das Knie, danket zu Gott hinauf,

Daß kein Tropfen des Seelengifts

Rann aus euren Gesang, danket zu Gott hinauf!
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Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 87-88.
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