Der Misogyn

[229] Kein Mädchen kann mein Herz bestricken;

Kein Augenpaar,

Aus welchem tausend Engel blicken;

Kein blondes Haar;

Kein Mund, um den das Lächeln schwebet,

Und keine Brust,

Mit dünnem Silberflor umwebet,

Füllt mich mit Luft.


Ein Wuchs, den Venus selber neidet,

Und eine Hand,

Die Persien in Perlen kleidet,

Ist Kindertand.

Ich sollte mich darinn vergaffen?

Ey, großen Dank!

Ich werde nicht, wie junge Laffen,

Vor Liebe krank.


Mir ward ein Herz von Eis beschieden,

Ein Felsensinn,

Drum wandl' ich auch, in süßem Frieden,

Durchs Leben hin;

Geh' immer, in der Brust den Himmel,

Geraden Pfad;

Durchtaumle niemals das Gewimmel

Der goldnen Stadt.


Und trink', in meiner Weinblattlaube,

Den Göttersaft

Der röthelnden Burgundertraube,

Die Wonne schafft.[229]

Sollt' ich dafür, in Gallaröcken,

Vor Liebe krank,

Des Fräuleins gnädge Hände lecken?

Ey, großen Dank!


Sollt' ich den Rosenkelch verlaßen?

Die Nachtigall?

Auf eines Mädchens Winke paßen,

Bey Tanz und Ball?

Ich würde, kämen ganze Gruppen

Von Mädchen, traun!

Nicht aus der Laube gehn, die Puppen

Nur anzuschaun.
[230]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 229-231.
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