Minnehuldigung

[127] Allbereits im Flügelkleide

Waren minnigliche Fraun

Miene liebste Augenweide,

Konnte nimmer satt mich schaun.


Ich vergaß der Vogelnester,

Warf mein Steckenpferd ins Gras,

Wann bey meiner lieben Schwester

Eine schöne Dirne saß.


Freute mich der schönen Dirne,

Ihres rothen Wangenpaars,

Ihres Mundes, ihrer Stirne,

Ihres blonden Lockenhaars.


Ließ Virgilen, ließ Oviden,

Gieng ein Mädchen auf dem Plan,

Ruhen, traun, in gutem Frieden,

Mich der preißlichen zu nahn.


Was ich weiland that als Knabe,

Werd ich wahrlich immer thun,

Bis ich werd', im kühlen Grabe,

Neben meinen Vätern ruhn.


Immer meine besten Weisen

Minniglichen Frauen weihn,

Immer Minn' und Weiber preisen,

Und mich ihrer Schöne freun.
[127]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 127-128.
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