Leichen-[242] Interessenten.

Leichen-Interessenten betriegen / und zwar 1) Leidtragende / wenn sie sich stellen / als ob ihnen durch geschehenen Todes-Fall noch so grosses Leid zugestossen wäre, und ist ihnen doch nicht ums Hertz. 2) Leichen-Begleitere / wenn sie bey Ablegung ihrer Condolenz mit vieler Contestation bezeugen / wie sehr ihnen der vorhandene Todes-Fall zu Hertzen gehe / und doch das Hertz von demjenigen / was der Mund redet, wohl gar nichts weiß. 3) Leichen-Bittere / wenn sie / um desto eher herum zu kommen /nicht alle Personen / so man verlanget / zur Leiche invitiren / und doch wol vorgeben / sie hätten alle / so auf ihrem Zettul stünden / zur Leiche gebeten. 4) Leichen-Träger / wenn sie falsch tragen / und einander die Last auf den Halß schieben / oder aber in[242] der Mitte unter dem Sarg / ohne die Todten-Bahr fast mit denen Achseln anzurühren / hingehen. 5) Leichen-Prediger / wenn sie den Todten um und über die Gebühr loben / und die Laster an ihm zu Tugenden machen / wovon der gottselige Heinrich Müller in Geistlichen Erquick-Stunden / Medit. 277. pag. 691. nachdrücklich geschrieben hat. 6) Leichen-Sänger oder Cantores, wenn sie den Choral- oder Figural-Gesang nach denen empfangenen Leichen-Gebüh ren abzirckeln / und / da man schön will gesungen haben / über das ordentliche noch etwas extra von den Leidtragenden begehren. 7) Leichen-Frauen /oder Grab-Laderinnen / wenn sie allerhand neuerliche Accidentien aufbringen / und hier und dar von der angehabten Kleidung des Verstorbenen / unter dem Prætext, daß es also Herkommens sey / an sich ziehen / oder auch beym Grab / und vor Einsenckung des Todten die Leute bereden / daß sie die um des Todten Mund noch seyende Halß-Binden und dergleichen zu dem Ende mit Nadeln anstecken müsten / damit der Todte solche nicht im Munde zu käuen bekäme / weil sonst mehrere aus der Familie, so lange nemlich der Todte daran käuete / nachsterben müsten. 8) Lebens-Lauff-Schreibere / wenn sie offenbahre Unwahrheiten hinein setzen / und die Verstorbenen ohne Unterschied / sie mögen gebohren seyn / gelebet haben /und gestorben seyn / wie sie wollen / als ehelich und aus einem keuschen Ehe-Bett erzeugte / ehrlich und ohne fleischliche Vermischung Verlobte / fromm Lebende / und sanfft und seelig Absterbende vorstellen /[243] folglich ihre Modell / nach welchen sie etwa die Lebens-Läuffe einrichten / recht zu dem fliegenden Brief / dessen beym Zachar. V. v. 1. sq. gedacht wird / machen / nach / welchem alle Diebe und alle Meineydige fromm gesprochen werden.


Mittel: Obrigkeitl. Verboth aller übermäßigen Lobes-Sprüche in Leichen-Predigten / mit dem angefügten und zu vielem Guten abzielenden Befehl / daß man auch die Laster derer Verstorbenen darinnen / zu genauerer Untersuchung der Wege GOttes in Bekehrung der Menschen /nicht verschweige. Anbey scharffe Censur derer Lebens-Läuffe / zu deren Verfertigung aber keine eigennützige und unverständige Leute / sondern eines jeden Verstorbenen gewesener Beicht-Vater / oder andere hierzu geschickte Personen zu bestellen wären.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 242-244.
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