[287] Poëten.

Poëten betriegen 1) Wenn sie sich vor gekrönte Poëten ausgeben / und nicht sind. 2) Wenn sie ihre Verse aus andern Poëten oder gesammleten Carminibus zusammen stoppeln / und gleichsam einen Centonem oder geflickten Bettlers-Mantel machen. 3) Wenn sie gantze Carmina, die sie etwa von fremden und entlegenen Orten her gesammlet / umdrucken lassen / und vor ihre eigene Invention ausgeben. 4) Wenn sie mit Fleiß schwere und in die Mythologie lauffende Redens-Arten oder Heidnischer Götter Nahmen in die Carmina einmischen / um bey denen Unverständigen desto mehr das Ansehen eines gelehrten oder guten Poëtens zu erhalten. 5) Wenn sie ihre Gedichte mit übermäßigen Lobsprüchen anfüllen / und damit diejenige Personen / denen sie solche zu Ehren schreiben / biß in Himmel erheben / ja fast vergöttern / solcher gestalt aber entweder die Tugenden der belobten Personen vergrössern / oder aber derselben Laster bekleistern. 6) Wenn sie aus dem Lateinischen /Frantzösischen oder Italiänischen etwas nur übersetzen / im Druck aber vor Auctores sothaner Inventionen wollen gehalten seyn. 7) Wenn sie in ihre Carmina anzügliche Dinge mit einfliessen lassen / und dadurch entweder diejenige / vor welche die Carmina gedruckt werden / oder andere unter dem Deckmantel fingirter Nahmen ansticheln und blamiren. 8) Wenn sie aus Ana- und Paragrammatibus,[287] Eteostichis und andern dergleichen Lusibus Ingenii oder Spiel-Gedichten einige Omina und fatale Begebnisse prophezeyen, und dem Leser weiß machen wollen. 9) Wenn sie nach beschehener Censur eines Carminis noch eines und das andere / welches sie vor der Censur hineinzusetzen sich nicht getrauet / und zum Nachtheil des Tertii gereichen kan / dazu thun. 10) Wenn sie zweydeutige Carmina, obschon auf eine gekünstelte / doch unzuläßige Art / verfertigen / welche zu des andern Lob- und Beschimpffung / nachdem man sie lieset, gereichen können / wovon in Weisens politischen Näscher p. 140. auf einen Grad-süchtigen Magistrum ein Exempel stehet. 11) Wenn sie sich Lieder zueignen und vor ihre Arbeit ausgeben / welche sie doch nicht gemacht haben / wie insonderheit mit dem bißher controvertirten Lied: Wer weiß / wie nahe mir mein Ende etc. wovon so wol Hr. Wetzels Hymnopeographia oder Lieder-Historie P.I.p. 1. sq. als auch Hrn. Gregorii GOtt gefälliger Glantz der Warheit / ed. Franckf. 1719. umständlich nachzulesen / geschehen ist.


Mittel: Vorstehenden Arten von Poetischen Betrügereyen könte einiger massen durch accurate Censur derer Carminum und Bücher / und daß solche so bald nach beschehener Censur nicht dem Autori, sondern von dem Censore dem Buchdrucker so gleich einzuhändigen / abgeholffen werden.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 287-288.
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