Richter.

[310] Richter betriegen 1) Wenn sie heimlich Geschencke nehmen / und sich durch solche bewegen lassen / dem Unschuldigen / und dem / der eine gerechte Sache hat / Unrecht / dem Schuldigen und Ungerechten aber Recht zu sprechen. 2) Wenn sie in Bestraffung der Unterthanen nicht so wol auf dererselben Besserung /welches doch der vornehmste Zweck der Bestraffung seyn soll / als vornehmlich auf ihren und ihrer Principalen Privat-Nutzen sehen. 3) Wenn sie nach Inrotulation derer Acten / so zum Verspruch Rechtens zu verschicken / einem Theil zum besten / etwas darzu oder davon thun. 4) Wenn sie ihre Berichte / einer Parthey zum Vortheil / entweder zu langsam /[310] oder zu unvollkommen / mit Auslassung einiger ihnen doch an Hand gegebenen Umstände / erstatten / auch wol die Acta nicht complet mitschicken. 5) Wenn sie bey Gebung der Bescheide in Klag-Sachen / nicht der Gebühr nach auf vorhergehende gnugsame Verhör beyder Partheyen und in gewöhnlicher Gerichts-Stelle /sondern nur obenhin verfahren / also / daß mancher einfältiger Mann / der zumahl keinen Beystand hat /auch vorhero sich auf die Sache nicht recht gefaßt gemacht / nicht ehe / als da man auff die Execution dringet / innen wird / daß es ein endlicher Bescheid gewesen / und folglich ein und ander Suspensiv-Mittel nicht mehr dargegen eingewendet werden kan. 6) Wenn sie die Unterthanen mit allzuvielen und hohen Gerichts-Gebühren übernehmen / auch in den Sachen viel Unnöthiges thun / daß derer Gerichts-Sportuln nur desto mehr anwachsen sollen. 7) Wenn sie mit denen Delinquenten unter einer Decke liegen / solche nicht gnugsam bewahren lassen / und dadurch / daß solche entkommen / selbst Anlaß geben. 8) Wenn sie es geschehen lassen / daß die streitenden Partheyen sich lange mit einander aufhalten / ehe es unter ihnen zu einem Vergleich oder Rechtlichen Ausgang der Sache kommt / damit sie nur bey solcher Verzögerung viele Gerichts-Sportuln davon tragen mögen. 9) Wenn sie die Gerichts-Sachen der Armen / Wittwen und Waisen / davon sie nicht viel zu hoffen haben /von einer Zeit zur andern aufschieben / und sie / unter dem Vorwand anderer vielen Geschäffte / öffters abweisen / damit diese der Sache und vielen Lauffens endlich müde werden /[311] und solche unausgemacht ersitzen lassen. 10) Wenn sie ihren guten Freunden oder Anverwandten zu Gefallen / sprechen / wie sie verlangen / und also daraus Casus pro Amico machen. 11) Wenn sie / wie Mengering in Scrutinio Consc. Catech. cap. 7. qu. 48. schreibet / ihrer Ober-Herren Befehlen / die einer oder der andere Part zu Behuf seines Rechts ausgebracht / nicht treulich noch mit Fleiß nachkommen / sondern dieselbigen unterschlagen /verhehlen / und nichts desto weniger ihres Sinnes und Gefallens fortfahren / auch mit ungleichen Gegen-Berichten solche Befehle annulliren und aufheben. 12) Wenn sie die Inquisitions-Processe / die doch in solchen Fällen schleunig / aber dabey auch bedächtlich /und denen Rechten gemäß fürzunehmen / zu derer verhaffteten grossen Beschwerniß / ihres Interesse wegen / auf lange Zeit verschieben und hinaus ziehen. 13) Wenn sie von diesem oder jenem Theil Geld nehmen / und die Tortur entweder schärffer oder gelinder / als dem Urtheil oder der Rechtlichen Erkenntniß gemäß ist / an dem Maleficanten vollziehen lassen. 14) Wenn sie die hinter die Gerichte gelegte Geld-Sorten entweder zu ihrem Nutzen / ohne Zahlung einiges Zinses / gebrauchen / und hierzwischen die interessirte Personen / denen solche Gelder zukommen und aus geantwortet werden sollen / von einer Zeit zur andern herum ziehen / oder gar die deponirten Müntz-Sorten mutiren / und an statt der guten geringere hinterlegen und einschieben / wovon abermahls Mengering l.c. cap. 11. qu. 100. mit mehrern handelt. 15) Wenn sie die ordentlichen Gerichts-Tage / dazu die armen Leute citiret[312] werden / offtmahls um nichtiger und geringer Ursachen willen / einem Theil zu Gefallen / aufschieben / und dadurch die andere Parthey in Schaden und Unkosten / auch Versäumung ihrer Nahrung bringen. 16) Wenn sie eine geringe Sache / welche sie summarisch vor sich hätten erörtern können / stracks zum Process verweisen /oder veranlassen / daß die Verschickung der Acten /ohne Unterschied der Sachen / sie treffe auch noch so wenig an / ihrer Sportuln wegen vor sich gehen muß. 17) Wenn sie zancksüchtige / gottlose und fried-häßige Leute hegen und dulten / damit sie denenjenigen /welchen sie nicht gut sind / allen Verdruß anthun mögen. 18) Wenn sie über diejenigen Transactiones, Testamenta, Kauff-Tausch- und andere dergleichen Contracte, die vor ordentlicher Gerichts-Stelle aufgerichtet und bestättiget worden / nicht steiff und fest halten / da sie doch ein ehrliches davor hineingestrichen haben / sondern selbst den Gegentheil Anlaß geben / wie er ein und den andern Punct anders / als es gemeynet / auslegen / und sich zu Nutzen machen könne / nur daß sie dadurch zu neuem Streit Thür und Angel eröffnen / und ihre Pfeiffe darbey schneiden mögen. 19) Wenn sie sich von dem Maleficanten selbst / oder per Tertium mit Geld bestechen lassen /daß sie jenen auf alle Art und Weise durchhelffen mögen. 20) Wenn sie in peinlichen Sachen nicht so wol aus Liebe zur Justitz / als durch Practicken und lose Griffe den Delinquenten ums Leben / die Nachkommen aber in Schimpff und an Bettelstab bringen helffen / indem sie die Denunciationes oder Rügen selbst erdichten / und zu Papier[313] bringen / hernach aber andere veranlassen / daß sie solche mundiren /im Nahmen der Aeltisten der Gemeinde unterschreiben / und mit Siegeln bedrucken lassen / selbst aber mit denen Leuten / auf vorher geschehene Erkundigung ihres Vermögens / zufahren / und sie / ohnerachtet ihr Verbrechen so gar criminell nicht ist / gefänglich setzen lassen / wovon Ahasveri Fritschens Tr. de Peccatis Quæstorum p. 141 sq. mit mehrern nachzulesen. 21) Wenn sie aus falschen Acten eine Urthels-Frage abfassen / allerhand Vorstellungen / welche hernach von den Scabinis aufs fleißigste vorgestrichen und angemercket werden / machen / und diese also zu einem vor die Inquisiten schlimm ausfallenden Urtheil verleiten. 22) Wenn sie / da der Inquisit auf der Folter hänget / den Gerichts-Schreiber und Schöppen zusammt dem Hencker entweichen heissen / und bey den Inquisiten alleine bleiben / hernach aber den Gerichts-Schreiber in die Feder dictiren / was ihnen beliebet. 23) Wenn sie nach geschehener Execution die Criminal-Spesen, ohne vorhergehende Liquidation und erfolgter Moderation in grösserer Summa, als sie befugt / von des justificirten Erben oder Verlassenschafft einfangen. Ein mehrers besiehe unter den Titul: Beamte und Cent-Richter.


Mittel: 1) Daß man zum erstenmahl so wohl dem Geld- oder Geldes werthe Geschencke nehmenden Rich ter nach Anleitung der höchstlöblich Königlich-Preußischen im Druck ausgelassenen Ordnung / als auch die jenem bestechende Parthey mit empfindlich hoher Geld-Straff ad pias causas vor Waysenhäuser und dergleichen belegen / zum andern mahl aber solchen gottlosen Pflicht-vergessenen[314] Manne vom Dienst schaffe. 2) Daß man zu richterlichen Stellen nur solche / welche gottesfürchtig und dem Geitz feind sind / erwehle / auch 3) diesen solche Gerichts- und Proceß-Ordnungen vorschreibe / wodurch ihnen alle Gelegenheit zu Verlänger- oder Verzögerung derer Rechts-Sachen abgeschnitten werde.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 310-315.
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