Wächsler, Wachs-Kertzler, Wachs-Zieher.

[99] Wächsler,1 Wachs-Kertzler, Wachs-Zieher[99] betriegen 1) Wenn sie ihre wächserne Figuren, weil die Leute solche, wie sie geboten werden, bezahlen müssen, allzu theuer bieten, auch wohl das Geld dafür in ihren eigenen Beutel stecken. 2) Wenn sie das gelösete Geld, da wohl dergleichen Figuren des Tages zehenmahl verkaufft, und von ihnen von dem Altar wieder weggenommen werden, nicht alles an die Pfaffen liefern / sondern ein und das[100] andere davon vor sich behalten. 3) Wenn sie denen einfältigen und abergläubigen Leuten, so in die Kirchen gehen, durch falsche und lügenhaffte Beredungen, damit sie nur vieles verkauffen mögen, weiß machen, wie alle diejenigen so Schaden an einen Bein, Arm, Hand, Kopff etc. oder kranckes Vieh hätten, und der Jungfrau Mariä oder einem andern Heiligen, der in der Kirche verehret wird, ein wächsernes Bein, Arm, Hand, Kopff, Ochsen, Schaafe etc. zum Opffer brächten, ohnfehlbare Hülffe zu gewarten hätten. 4) Wenn sie das Wachs mit Erbs-Mehl, Hartz, Pech und sonderlich Terpentin vermischen, dahero es kommt, daß die Wachs-Stöcke oder Kertzen allzu starck fliessen, und also von schlechter Dauer sind, ja dergestalt abrinnen, daß gleichsam eine Zähre die andere schlägt, und, wie P. Abraham à S. Clara in seinem Buche: Etwas für alle T. I. p. 457. spricht: »Vielleicht das Schelmstück des Meisters beweinen, der fast werth ist, daß ihme de Hencker den Dacht um den Halsbinde«.[101] 5) Wenn sie allzu dicke Dacht in die Kertzen und Wachs-Stöcke machen, damit solche desto schwerer wiegen mögen, auch desto schneller verbrennen. 6) Wenn sie die Wachs-Stöcke auf eine solche Weise wickeln, daß sie sehr groß scheinen und darnach solche nach dem Gesichte theuer verkauffen. 7) Wenn sie in den Form, worein die Wachs-Kertzen gegossen werden, Wachs giesen, daß es sich neben anlege und alsdann das vacuum mit Unschlit anfüllen, die Dachte auch durch geflossen Wachs ziehen, damit sie nicht nach Unschlitt riechen; oder wenn sie das geschmoltzene Wachs mit zerflossenen und mit ungelöschten Kalck, auch zerlassenen Leim vermischen, oder mit Linden-Blätter, Nessel-Kraut, Menschen-Harn, Scheel-Kraut-Wurtzel, Granaten-Wurtzel und Curcume, Tann-Zapffen, gesottenen Unschlit etc. vermengen, und hernach die daraus gezogene oder gegossene Lichter vor pure Wachs-Lichter verkauffen.


[102] Mittel: Daß man probire, ob die Kertzen oder Wachs-Stöcke starck nach Pech und Terpentin riechen, ob das Wachs allzu spröt und also mit Mehl vermenget sey und zu dicke Dachte habe; daß man auch dergleichen nicht nach dem Gesichte sondern nach dem Gewichte kauffe. Ubrigens ist zu wünschen, daß GOtt denen Catholicken die Augen des Verstandes bald öffne, damit sie von dergleichen Aberglauben abstehen, und sich niche auf eine so liederliche Weise betriegen lassen mögen.

Fußnoten

1 Wächsler sind an denen Catholischen Orten solche Leute, welche von denen Klöstern unterhalten werden, daß sie allerhand wächserne Figuren e.g. Ochsen, Schaafe, Arme, Beine, gantze menschliche Leiber etc. etc. giesen, welche die Leute der Mariä oder andern Heiligen der Kirche zum Opffer bringen, um ihren Ochsen, Schaafe, Arm, Bein oder gantzen Leibe Hülffe zu verschaffen, und dieselbe vor denen Kirch-Thüren feil halten, auch solche vom Altar, wohin sie zum Opffer gebracht werden, wieder wegnehmen und von neuen verkauffen, auch die zerbrochene wieder umgiesen, das gelösete Geld aber wöchentlich denen Pfaffen bringen müssen.


Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Fortgesetztes Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket werden, Dritte Edition, Coburg 1730, [Nachdruck Leipzig 1981], S. 99-103.
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