Erster Auftritt.

[185] Wald mit Odoardo Haus. Odoardo, Anselmo, Riepel, Richter, und Schullmeister.


ODOARDO. Ja, mein lieber Richter! es ist nicht anderst, mein ganzes Landgut ist zu einem Tumelplatz der Hexen geworden, es ist die höchste Zeit, daß man diesem Übel abzuhelfen suche, denn ich bin meines Lebens wahrhaftig nicht mehr sicher.

RICHTER. Gnädiger Herr, vor ihnen zu reden, es ist schon gar lang bekannt, vor ihnen zu reden, daß es auf ihrem Landgut, vor ihnen zu reden, nicht gar sicher ist, denn meine Bauern, vor ihnen zu reden, haben schon, weil ich denken kann, von verschiedenen Hexereyen, vor ihnen zu reden, erzehlt; allein, ihr Gnaden, vor ihnen zu reden, so müßt es doch viel seyn, wenn man dem Übel nicht sollte abhelfen können.

SCHULLMEISTER. Gnädiger Herr! ponamus caseum, daß auch würklich ein Theil von dem Landgut unsicher seyn sollt, wie zwar Bauern, und andere Leut davon resigniren, so ist der Leuten ihre Einmargination und Einbildung selbst oft daran Ursach, sie glauben was zu sehen, oder zu hören, und ob es schon eine pure Funktion ist, so erzehlen sie es doch weiter, und das macht nacher eine ganze Convulsion im Ort.

ODOARDO. O mein lieber Schulmeister! die Konfusion ist nicht ohne Ursach, ich hab es bereits erfahren, daß die Teufelskünsten hier im Schwung gehen; ich habe todte Leute wieder lebendig werden, und lebendige in der Luft wie die Vögel fliegen sehen, ich bin augenblicklich in andere Gegenden gerathen, ich bin auf das jämmerlichste accomodirt, und noch dazu meiner Tochter verlustiget worden, und welcher nur halb vernünftige Mensch sollte anderst denken, als daß dieses lauter Teuflerey und Hexenpossen sind.

ANSELMO. Ich hab es bey meinem Barbieren auch genug empfunden, daß es nicht natürlich hergeht, und derselbige Böck, der muß der Teufel gewesen seyn.

RIEPEL. Ich hab bey meinem Haarschnitt den leidigen Teufel gesehen und die alte mit ihrem Schmecks, die ist gewiß die Urheberin von allen Hexereyen.

RICHTER. Aber vor ihnen zu reden, so hab ich, ob ich gleich schon über[185] 10. Jahr als Richter, vor ihnen reden, hier bin, in meinen Leben nichts gesehen, noch auch was anders gehört, als daß manche Bauersleut, vor ihnen zu reden, gesagt haben, daß es auf dem gleich neben dem Marke liegenden Schloß, vor ihnen zu reden, zu Zeiten poltern, und sich bey der Nacht ein feuriger Gaßbock, vor ihnen zu reden, soll sehen lassen.

SCHULLMEISTER. Ich kampier die ganze Sach nicht, denn ich bin oft um Mitternacht bey dem Schloß vorbey gangen, aber ich müßte die Unwahrheit lügen, wenn ich wollt unter den Leuten ein Spargemet ausstreuen, als ob ich mein Lebtag was unrechts gesehen hätt.

ODOARDO. Ihr mögt alle zusammen etwas, oder nichts gesehen, oder gehört haben, so haben alle diese Teufeleyen ihre unstrittige Richtigkeit, meine Tochter, und ihr Mädel sind entführt, und man muß alle Mittel anwenden, sie zu suchen, und wenn sie in den siebenden Theil der Welt, oder auch bey dem Teufel selbst wären.

RICHTER. Vor ihnen zu reden, gnädiger Herr! so kann der Aufenthalt der Zauberer, oder Hexen, wer sie seyn, vor ihnen zu reden, nirgends anders, als in dem alten Schloß, vor ihnen zu reden, seyn, und da muß man auf ein Mittel denken, sie auszurotten.

SCHULLMEISTER. Ihr Gnaden sind Herr, und haben über alles zu disputiren, aber, wenn ich därft mein Sentomer dazu geben, so glaubte ich, daß es das beste wär, wenn mir heut bey der Nacht mit einigen Bauern in das öde Schloß giengen, sie ganz in Proviser über fielen, wenn sie just in der grösten Konfusion sind, und liessen nicht Zeit, sich zu erhollen, sondern thätens mit der ganzen Forz anbacken, binden, und in Arrest nehmen, und sollten sie auch mit ihrer Zauberkunst uns einen Possen spielen wollen, so confundiren sie nur auf mich, ich werd sie schon zu kriegen wissen, denn ich kann selbst ein bissel mehr, als Biern braten.

ODOARDO. Nu, der Gedanke mißfällt mir nicht, denn man muß die Wurzel von diesem Gift ausrothen, sonst möchte eine Frucht daraus werden, die mein ganzes Landgut inficiren, und mir gar das Leben kosten könnte; wir wollen also alle zusammen mit Zuziehung unserer Bauern, sobald es Nacht ist, die Untersuchung vornehmen, und den zauberischen Leander, und den Hanswurst die Hälse brechen. Zum Richter und Schullmeister. Machet nur alle mögliche Anstalt, und erwartet unser, ausser den Häusern bey dem grossen Lindenbaume, der an der Strasse steht, dort werden wir eintreffen, sobald die Nacht hereinbricht.[186]

RICHTER. Gnädiger Herr! wir werden, vor ihnen zu reden, nicht ermangeln, uns zu gehöriger Zeit mit aller notwendigen Vorsorge, einzufinden; ich empfehle mich euer Gnaden gehorsamst! vor ihnen zu reden. Und ab.

SCHULLMEISTER. Euer Gnaden können sich auf unsere Tapferkeit verlassen, ich habe die Ehre mich zu renomiren. Ab.

ODOARDO. Daß sind doch ein par wunderliche Phantasten, und doch mag ich sie von meinem Landgut nicht abschaffen, denn sie dienen mir getreu, und was das meiste ist, um einen sehr geringen Gehalt, und Narren müssen doch auch Brod haben; kommen sie mein werthester Herr von Anselmo indessen in mein Haus, bis die Nacht näher hergerückt, damit wir uns zur Ausführung unsers Vorhabens desto gefaster machen können.

ANSELMO. Mein lieber Herr von Odoardo! ich bin nicht willens mich weiteren Verdrißlichkeiten auszusetzen, ich habe auf mein Lebtag genug, ich begebe mich wieder dahin, wo ich hergekommen bin; ich verlange ihre Tochter nicht zu heurathen, der Teufel könnte bey dieser Heurath nicht allein die Braut, und den Schwiegervater, sondern endlich mich auch noch dazu holen, und davor bedank ich mich schönstens. Will abgehen.

ODOARDO. Nein, ich lasse sie nicht fort, sie müssen ehe Satisfaction bekommen, wegen allen, was ihnen hier geschehen ist, und das soll heute Nacht geschehen, meine Tochter muß sie heurathen, mein väterlicher Gewalt –

ANSELMO. Was, Gewalt? ich will in keine gezwungene Mariage mich einlassen, ihre Tochter soll den Teufel, der sie würklich caresiret, heurathen.

ODOARDO. Es braucht hier nicht vieles reden, sie sind ein reicher Mann, sie müssen mein Schwiegersohn werden, und ich bin der ehrliche Mann, der ihnen in allen Genugthuung leisten will, dieses aber soll heute Nacht in ihrer Gegenwart geschehen, wo ich meine Tochter, und sie ihre Braut wieder erhalten, und wo wir alle Teufeln, Hexen, Zauberer, Allraunen, Furien, Truden, und alles schädliche Geschmeise verbannen, und zu Grund richten werden.

ANSELMO. Ich lasse mich mit keinem Menschen zu geschweige erst mit dem leidigen Sathanas in Händel ein; machen sie, was sie wollen, lassen sie nur mich mit Ruhe von hier reisen.

ODOARDO. Nein, das geschiht ehe nicht, bis wir gerochen sind; sie müssen mit in das Zauberschloß, und eine Legion Bauern soll zu ihrer Bedeckung seyn; ja zu noch mehrerer Sicherheit soll der Riepel, mein tapferer Riepel,[187] ihnen stäts zur Seite seyn, und in allen Stücken auf sie acht haben, daß ihnen ja nichts Leids wiederfahret.

RIEPEL heimlich zu Anselmo. Lassen sie es nur gut seyn, ich bleib bey ihnen, und sobald was kommt, so nihm ich mein Knittel mit allem Gewalt über die Achsel, und lauf davon, und sie laufen mit mir.

ANSELMO. Ja Rieperle, da käm ich übel zu Theil, ich kann nicht mehr laufen, meine Füsse sind schon zu langsam dazu!

ODOARDO. Gehen sie nur, gehen sie nur, wir werden schon alles machen. Zu Riepel. Du halt dich fertig mit Spieß und Stangen, Flinten und Degen, Karthaunen und Schlüsselbüchsen, und laß dich, sobald es recht finster wird, bey mir wieder sehen. Und führet den Anselmo in das Haus ab.

RIEPEL allein. Es ist halt gleichwohl ein gefährliche Sach, daß ich sollt mitgehen heut Nacht; ich werd mich hart in ein Gefecht mit dem Teufel einlassen: zwar ein Rach hätt ich, ich möcht dem Teufel schon einmal eins schenken, denn er hat mich auch schon genug kuinirt – ich möcht schon gerne mein Zorn an ihm auslassen; Parole! wenn mir mein Herr etliche Bauern mitgiebt, ich greif den Teufel an, und rauf mit ihm, gesetzt auch, daß er mir ein Paar Ohrfeigen giebt, so seyn die andern da, und packen ihn derweil an, und schmeissen ihn nieder, haben wir ihn einmal auf der Erde, so setz ich mich auf ihn, und will ihn auch so fautzen, daß er sein Lebtag ein blaues Aug haben soll; der Teufel soll mich hollen, wenn ich den Teufel nicht prügel.

Aria IV.

Der Teufel mag der Teufel seyn,

Ich mach mir ein Teufel draus!

Denn geht ein Hausknecht einmal drein,

So lacht er den Teufel aus;

Er wixt halt, was er wixen kann,

Schlagt alles krumm und lahm,

Und fangt der Teufel mit ihm an,

So schlagt er den Teufel zsamm.


Kein ärmerer Teufel ist ja nicht,

Als wie der Teufel ist;

Und laßt der Teufel mir kein Fried,

So wichs ich den Teufel gwiß,[188]

Der Teufel gleich den Teufel hol,

Dem Teufel zu ein Spott.

Ich schlag beym Teufel, werd ich toll,

Den Teufels Teufel tod.


Nach der Aria auch ab in das Haus.


Quelle:
Die Maschinenkomödie. Herausgegeben von Dr. Otto Rommel, Leipzig 1935, S. 185-189.
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