Der ruhmredige Hase

[197] Ein Rammler, den zu früh der Dünkel aufgeblasen,

Hielt sich für einen hohen Geist.

Warum? Das Närrchen war gereist,

Und konnte freilich mehr als grasen.

Ihm sollte kaum ein Fuchs an Einsicht ähnlich sein,

Und darum will er sich auch nur dem Hofe weihn.

Er wartet bald mit zierlichen Manieren

Dem Löwen auf, macht Männchen, hüpft und spricht:

Unüberwindlicher, von ungezählten Thieren,

Die Sie so königlich regieren,

Kennt keines, so wie ich, der Unterthanen Pflicht,

Und der Monarchen Recht. In manchem fernen Lande

Verband ich Artigkeit mit gründlichem Verstande.

Sie werden es schon sehn, weil Eurer Majestät

Erhabner Weisheit nichts entgeht,

Wenn andre Staaten nicht mich diesem Hofe gönnen,

Ach! so beklag' ich sie. Verdien' ich ihren Neid,

So soll, Großmächtigster, doch meine Fähigkeit

Nur Dero Winke sich stets unterthänig nennen.[197]

Ich bin zu jedem Dienst bereit,

Und werd' auch jedes Amt mit Ruhm bekleiden können.

Der Löwe sprach: Der Herr ist klug,

Und zum Versuche gut genug.

Wir machen ihn zum Rath. Uns soll er stets begleiten

Mit allen seinen Fähigkeiten.

Wir ziehen morgen aus, den Tieger zu bestreiten.

Wie? sagt der junge Herr. Den Tieger? den Barbar?

Den Fresser? Ach! das bringt Gefahr.

Mich däucht, man sollt' ihn noch sondiren.

Ist er uns wirklich feind? Befindet das sich wahr:

So sende man, statt ihn zu attaquiren,

Die Affen ab, ihn zu civilisiren.

Glückt dieses nicht, und will er Kriege führen,

So macht sich meine Kunst alsdann recht offenbar:

So will ich schon capituliren.

Der Löwe brüllt erzürnt: Ein solcher Rath entehrt

Mich und mein Heldenreich, und ist bestrafenswerth.

Der Hase legt es nun aufs Flehen.

Ich, ächzt er, kann zwar fechten sehen,

Und lob' auch jede Heldenthat;

Allein, die Wahrheit zu gestehen,

So dien' ich nur zum Friedensrath.


Quelle:
Friedrich von Hagedorn: Sämmtliche poetische Werke, Leipzig o.J, S. 197-198.
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