Dritter Auftritt.

[303] Alphonsus. Liberata.


ALPHONSUS.

Hjr pranget Unsre Sonn'! Es mögen tausend Strahlen

Des Himmels Vatican mit Diamanten mahlen!

Diß goldne Sonnen-Rad / der ädle Diamand

Besiegt mit seinem Blitz das gantze Sternen-Land!

Willkommen liebstes Kind! Du Seele meiner Seele!

Wie so betrübt mein Schatz? Entreiß dich auß der Höle

Der blassen Traurigkeit / die nur den Geist verzehrt /[303]

Und den Zypreßen-Krantz vor Rosen Unß gewehrt!

Prinzeß! mein Hertze kan Jhr langer nicht verschweigen

Die Flammen unsrer Brunst! Es giebt sich Jhr zu eigen

Mein gantzes Sinnen-Hauß! Sie schaffe was Sie wil!

Denn Liberata ist mein schönstes Liebes-Ziel!

Sie wundre sich auch nicht! Wo solche Engel wohnen /

Da wil die Lieb' auch nicht selbst der Natur verschonen;

Denn deine Schönheit hat die Glut in mir erregt

So daß Alphonsus sich zu deinen Füssen legt

Und süsses Labsal sucht zu lindern seine Schmertzen.

Jch liebe dich mit mehr alß Väterlichem Hertzen!

So kühl' Unß demnach ab den heissen Libes-Brand

Durch deiner Lippen Tau / der Brüste Zuckerkand!

So kühl' Unß demnach ab die heissen Libes-Flammen

Auff deiner Lilgen-Schoß! Es knüpffe Unß zusammen

Deß Hymens heil'ges Band!

LIBERATA.

Ach Eure Majestät!

Auff welchen Jrrweg wird jhr hoher Witz geweht /

Daß Sie jhr eignes Kind selbst wider das Gewissen /

Natur / Vernunfft / und Recht wil in dem Eh-Bett küßen?

ALPHONSUS.

War nicht Antiochus der Mutter Ehgemahl?

LIBERATA.

Diß Beyspil schickt sich nicht auff diesen Libes-Saal.

ALPHONSUS.

Die Väter werden ja so gutt seyn als die Mütter?

LIBERATA.

Dort war ein Stif-Sohn nur / hier aber (ich erzitter!)[304]

ALPHONSUS.

Sie melde frey herauß was Jhre Sinnen qvählt!

LIBERATA.

Hir sol das wahre Kind dem Vater seyn vermählt!

ALPHONSUS.

Wehn sol ein Kind wol mehr als seinen Vater liben?

LIBERATA.

Doch nicht durch geile Brunst Jhn und auch sich betrüben.

ALPHONSUS.

Der Kinder süße Brunst entspringt auß der Natur.

LIBERATA.

Gehorsam ist allhir die schönste Libes-Cur.

ALPHONSUS.

Wol! wol! So sey Sie auch gehorsam Unsrem Willen!

LIBERATA.

Was Zucht und Ehre heischt das werd' ich stets erfüllen.

ALPHONSUS.

Es wird die Ehre nicht durchs Vaters Kuß verletzt.

LIBERATA.

Bey disem der die Ehr als einen Schatten schätzt.

ALPHONSUS.

Wil nicht Cambysens Mund Atossens Lippen küßen?

LIBERATA.

Von Schwestern lasset sich's nicht zu den Töchtern schlüßen.[305]

ALPHONSUS.

Hat Agrippina nicht deß Nero Brunst gesucht?

LIBERATA.

Weiß Eure Majestät auch diser Geilheit Frucht?

ALPHONSUS.

Es schläft in Persien der Vater bey dem Kinde.

LIBERATA.

Was fraget Portugal nach Persens grosser Sünde!

ALPHONSUS.

Deß Purpurs Majestät deckt alle Fehler zu.

LIBERATA.

Es sucht hier Liberat nur die Gewissens-Ruh!

ALPHONSUS.

Durch was wird doch allhier verletzet das Gewißen?

LIBERATA.

Daß Liberata sol des Vaters Lippen küßen.

ALPHONSUS.

Der Küße Marzipan erqvickt die gantze Welt.

LIBERATA.

Nicht aber diesen Geist / der sich zun Sternen hält.

ALPHONSUS.

Die Sternen küssen selbst einander in dem Himmel.

LIBERATA.

Die Sternen wissen nichts von solchem Libs-Getümmel.[306]

ALPHONSUS.

Dianen küßt Mercur / Gradiv der Venus Mund.

LIBERATA.

Diß Gleichnüs / grosser Fürst / hat einen schlechten Grund.

ALPHONSUS.

Deß Himmels Tau küßt auch die feuchte Schoß der Erden.

LIBERATA.

Diß Beyspiel kan uns nicht zu einer Richtschnur werden.

ALPHONSUS.

Wil Sie dann klüger seyn als Himmel und Natur?

LIBERATA.

Es ist die Einsamkeit hir meiner Sinnen Uhr.

ALPHONSUS.

Der Baum der Einsamkeit trägt nichts als Sorgen-Früchte.

LIBERATA.

Der Andacht Paradiß macht dise Qval zunichte.

ALPHONSUS.

Deß Ehstands Rose zeigt das schönste Paradiß.

LIBERATA.

Wehm ist hier nicht bekandt der Dornen grosser Ries'?

ALPHONSUS.

Schau daß die Rosen nicht in Dornen sich verkehren!

LIBERATA.

Der Keuschheit Lilie kan Dornen nicht gewehren.[307]

ALPHONSUS.

Durch einen schlechten Wind fällt diese Blume hin.

LIBERATA.

Die Edle Blume ist der Blumen Käyserin.

ALPHONSUS.

Du bist die Käyserin von meinen Libes-Blumen!

LIBERATA.

Der König suche Jhm nur Rosen auß Jdumen.

ALPHONSUS.

Wie? Höhnst du deinen Fürst? Diß ist was frech gewagt!

LIBERATA.

Da sey der Himmel vor! Jch bin des Königs Magd!

ALPHONSUS.

Nicht mache daß von Unß die Vater-Lieb' entweiche!

LIBERATA.

Durchlauchtigst-grosser Fürst hir hat Er meine Leiche!

ALPHONSUS.

Wer nach dem Tode seufftzt / entsetzt sich wann Er kömmt!

LIBERATA.

Nicht ich / die ich diß Hertz zum Opfer Jhm bestimmt!


Sie kniet vor Jhm nieder.


Ach Eure Majestät / der tausend Siges-Cronen

Der milde Himmel gibt / Sie wollen doch verschonen

Der Tochter keusche Brust mit solcher Libes-Brunst /

Die nur Cometen zeigt und Unglücks-vollen Dunst!

Ach Eure Majestät / wofern Jhr nicht zu wenig[308]

Der Tochter Zufall ist / so nehm Er grosser König

Doch diese Thränen an / und laß durch Jhre Fluth

Außleschen in der Brust die schnöde Libes-Glut!

ALPHONSUS.

Prinzeß Sie stehe auff und hemme jhre Schmertzen!

LIBERATA.

Zudem so können auch nicht unsre Libes-Kertzen

Jn gleichen Flammen stehn / weil Eure Majestät

Der Christen wahren Gott in Jhrem Sinn verschmäht /

Dehn Jch doch eifrigst ehr'! Kurtz: Liberatens Seele

Hat gäntzlich sich befreyt von der pech-schwartzen Höle

Deß schnöden Heidenthums / und betet disen an /

Der Jedem / der Jhm dint / den Himmel geben kan.

ALPHONSUS.

Jhr Götter ich erstarr' ob dehm was ich vernehme!

LIBERATA.

Es ist im minsten Noth daß sich der König gräme.

ALPHONSUS.

Jhr Götter ich erstarr! Was wird Uns hir gewehrt?

Wie? Hat sich Liberat in einen Christ verkehrt?

Wie? Hat sich Liberat der Teuffels-Brutt vermählet?

Diß kan unmöglich seyn! Mein Außspruch hat gefehlet!

LIBERATA.

Nein grosser König! Nein! Hir ist kein Jrrthum nicht!

Jch habe mir vermählt das wahre Glaubens-Licht /

Jch habe mich vermählt deß wahren GOttes Sohne /

Der mir verehren wird die göldne Lebens-Crone![309]

ALPHONSUS.

O Jrrthum sonder gleich! O schändliche Begir!

Daß nebst den Räthen stracks erscheine der Ramir.

Jhr Götter dieses Reichs / die Jhr die Macht verkürtzet

Den Göttern dieser Welt und in den Abgrund stürtzet

Was Eure Hoheit schimpfft / maßt doch dem König nicht

Den grossen Unfall bey / der meine Seel anficht!

Laßt diese Missethat / die alle Welt wird schelten /

Doch den Alphonsus nicht und seine Cron' entgelten!

Schreibt doch dem Vater nicht des Kindes Frevel zu /

Weil ich nichts anders such' alß nur deß Reiches Ruh!

Jch schwehre / Eur Altar wil Ewig ich beschützen /

Und auff der Christen Schaar mit meiner Rache blitzen!


Quelle:
Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke. Band 2, Berlin und New York 1975, S. 303-310.
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