Zweiter Akt.

[89] In den Cevennen. Wald, dichtes Laubgewölbe; wo das Gebüsch sich lichtet, Aussicht auf wilde Felsenpartien. Im Hintergrunde links ein halberloschenes Feuer, über demselben ein Kessel; mehrere Tectosagen in Tierfelle gekleidet; schlafend im Kreise herumgelagert; daneben Speere, Helme, Schilde, umgestürzte Becher und Krüge unordentlich auf einen Haufen zusammengeworfen; im Hintergrunde rechts einige Zelte aus Tierhäuten.


Im Vordergrunde rechts liegen Ambivar, Novio und Trinobant um einen Felsblock herum und würfeln. Links in der Mitte der Bühne schläft Ingomar unter einem Baume, an dessen Stamm sein Schwert und sein Schild lehnen; in einiger Entfernung von ihm sitzt Myron auf der Erde.


AMBIVAR.

Ein Auge mehr; mein ist der Einsatz!

TRINOBANT.

Wetter!

Das nenn' ich Glück.

NOVIO.

Nun ist die Reih' an mir!

AMBIVAR.

Was gilt's?

NOVIO.

Ich hab' daheim ein schwarzes Füllen,

Zweijährig, flüchtig wie der Wind! Gilt's?

AMBIVAR.

Topp,

Ich setz' zwei fette Hammel dir dagegen.


Sie würfeln.


MYRON.

Mir ist, als wär's ein Märchen! Erst verschlangen

Wie Wölfe gierig sie das derbe Mahl,

Dann tranken sie sich braunen Metes voll;

Jetzt klappern die mit Würfeln, jenen aber

Lähmt Trunkenheit die ungeschlachten Glieder,

Und Schlaf drückt bleiern ihre Augen zu.

Und ich, der Sklave dieser tierischen

Barbaren; gestern noch Massalias Bürger,

Ein freier Mann, und heute –

INGOMAR in unruhiger Bewegung im Schlafe sprechend.

Nach! Setzt nach!

NOVIO.

Met, Sklave, Met![89]

AMBIVAR würfelnd.

Da liegt's! Mein ist das Füllen!

TRINOBANT.

Zehn Angen!

NOVIO.

Blitz und Brand!

MYRON für sich.

All meine Habe

Genügte nicht, vom Joch mich loszukaufen;

Auch bin ich hoch in Jahren! Wär' ich jung,

Ich faßte Mut, versuchte zu entrinnen!

So bleibt mir keine Rettung, keine –

NOVIO zu Myron, mit der Faust drohend.

Met!

Ich säg' die tauben Ohren dir vom Schädel;

Met, Sklave, Met!

MYRON hastig einen Krug ergreifend und Novio hinreichend.

Hier, hier ist Met.

AMBIVAR.

Nun weiter!

Was gilt es, Trinobant?

TRINOBANT.

Mein Armband hier!

AMBIVAR.

Mein Wehrgehäng' dagegen! Gilt es?

TRINOBANT.

Gilt!

MYRON mit dem Kruge sich entfernend.

O wär' dies Gift, wie gerne tränkt' ich euch! –

Kein Ausweg, keiner! – Zwar der Polydor,

Adrast, Amynt, Elpenor, meine Freunde,

Gewiß sie denken mein, sie lösen mich!

O! täuscht nicht, Götter, meine Zuversicht,

Führt gnädig in die Heimat mich zurück

Und laßt mich sterben in der Stadt der Väter!

INGOMAR im Schlafe sprechend.

Nach! Nach! Schlagt tot, schlagt tot!


Er erwacht.


Wie, träumt' ich? Schade,

Entschieden war der Kampf, der Tag war unser!

Wie liefen sie! Was gab es nicht für Beute,

Wieviel Gefangne! Und nun war's ein Traum

Und ist dahin! – Wo nur Alastor bleibt?

TRINOBANT.

Verloren! Nun, für heute hab' ich's satt.

AMBIVAR.

Noch eins!

TRINOBANT.

Ein andermal.


Er steht langsam auf und nähert sich Ingomar.


AMBIVAR.

Und du?

NOVIO.

Nun gut!

AMBIVAR.

Ich wag' mein letztes Beutestück daran,

Das Allobrogerweib –[90]

NOVIO.

Und ich dagegen

Dies Schwert, von jenem Sklaven dort erbeutet.

MYRON für sich.

Mein Schwert, sie würfeln um mein blankes Schwert!

So wohlfeil dacht' ich nicht es loszuschlagen;

O daß sein Stahl in ihren Herzen wühlte!

INGOMAR der indes aufgestanden und sich Samo genähert hat.

Auf, sag' ich, Samo, auf!

TRINOBANT hinzutretend.

So schlafen Tote!


Samo aufrüttelnd.


He, Samo, auf!

SAMO sich schlaftrunken aufrichtend.

Ist's Zeit zum Nachtmahl?

INGOMAR.

Nein.

Die Rinder heimzutreiben von der Weide,

Die letzthin wir erbeutet, ist es Zeit;

Und also reibt den Schlaf euch aus den Augen!

Fort, sag' ich, fort!

AMBIVAR während Samo, Trinobant und die übrigen allmählich erwachten Tectosagen sich im Hintergrunde der Bühne entfernen.

Mein Wurf war besser!

NOVIO sich ebenfalls erhebend.

Nein,

Der meine war's.

AMBIVAR.

Du lügst!

NOVIO ihn bei der Brust packend.

Hund, spielst du falsch?

AMBIVAR sein Handbeil schwingend.

Hund – Hunde beißen!

MYRON für sich.

Schlagt zu, erwürgt euch, freßt euch auf wie Spinnen!

INGOMAR der indes in den Vordergrund der Bühne getreten.

Was soll das?

NOVIO mit Ambivar ringend.

Meuchlerischer Schuft!

INGOMAR sie gewaltsam auseinanderdrängend.

Laßt ab!

NOVIO.

Wer wagt es –

INGOMAR.

Ich! – Ihr wähltet mich zum Führer,

So haltet Frieden, ich gebiet' es euch!

NOVIO.

Gib Raum!

AMBIVAR das Beil schwingend.

Sein Herzblut oder deins!

INGOMAR drohend.

Zurück!

Ein Schritt noch, und ich send' euch zu den Schatten!


Novio weicht zurück, Ambivar läßt das gehobene Beil sinken.


INGOMAR.

Noch einmal, geht! Erklimme, Novio,

Den Fels dort, nach Alastor auszuschauen;

Du, brauch' dein Beil und fäll' uns Holz zum Nachtmahl!

Fort, sag' ich –[91]

AMBIVAR für sich hinmurmelnd.

Gut, die Zeit wird kommen! – Gut!


Novio und Ambivar gehen zu verschiedenen Seiten ab.


INGOMAR ihnen nachblickend.

Trotz bieten mir? Beim Blitz des Himmels! – Doch

Fahrt hin! Euch Prahler treib' ich noch zu Paaren,

Und kömmt kein Stärkrer, als ihr beide seid,

So ist die Stunde, die mich zwingt, noch weit,

Und unbesiegt zum Himmel werd' ich fahren! –

Was wollt' ich nur? Ja, trinken wollt' ich! Sklave,

Den Metkrug her!


Nachdem er getrunken, Myron den Krug zurückstellend.


Das war ein Trunk, das labte!


Sich auf den Felsblock hinstreckend, auf dem früher gewürfelt wurde.


Und nun erzähl' mir, Sklave, was es sei,

Und kürze mir die Zeit.

MYRON.

Ich dir?

INGOMAR.

Sag' an

Vorerst, wie nennst du dich?

MYRON.

Ich – Myron, Herr!

INGOMAR ihm nachspottend.

»Ich, Myron, Herr!« das zirpt wie Hänflingsbrut

Im Nest und sieht so sauer drein, als wär's

Beim Schlehenbusch zu Gast gewesen! Sprich,

Was hast du? Ei, gab's etwa Geißelhiebe,

Indes ich lag und schlief? –

MYRON erschrocken.

Wie, Geißelhiebe?

INGOMAR.

Sie schlugen dich?

MYRON.

Nein, Herr!

INGOMAR.

Bei allen Göttern,

Was greinst du also, blöder Alter? Rede!

Du hast hier Speis' und Trank vollauf; du ruhst

Zur Nacht auf weichem Moos, und sind wir erst

Daheim, wird eine Schmiede dir erbaut;

Da schaffst du dann und hämmerst wie zuvor

Und lebst wie vor! –

MYRON.

Und rechnest du für nichts,

Der Freiheit zu entbehren?

INGOMAR.

Freiheit! Wie?

Es macht mich lachen! Freiheit missest du?

Du hattest sie nicht mehr, als wir dich fingen,

Denn Alter zwang dich lähmend schon ins Joch;

Stark ist nur Jugend, und nur Kraft ist frei! –[92]

MYRON.

Und ist es, wie du sagst, lähmt Alter mir

Die Kraft; wer wird bei euch mich warten, pflegen?

INGOMAR.

Dich pflegen! Wächst ein Kraut, das Alter heilte?

Wir wissen besser, was der Krankheit taugt;

Bei uns daheim, wird einer alt und siech,

So geht er in den Wald, nimmt für drei Tage

Sich Speise mit, legt unter einem Baum

Aufs Moos sich hin, zehrt seinen Vorrat auf,

Und nach drei Tagen geht er zu den Göttern!

MYRON.

Und ihr seht zu? Ihr wehrt nicht ab? Es läßt

Der Sohn den Vater –

INGOMAR.

Sterben! Warum nicht?

Wenn seine Stunde kam, was sollt' er leben,

Sich selbst zur Qual, den Seinigen zur Last?

Kraft ist des Lebens Inhalt; wenn sie flieht,

So ist es uns ein Schwertgriff ohne Klinge,

Ein leerer Köcher, und wir werfen's weg!

MYRON.

Im Walde, nach drei Tagen – Grauenvoll!

Ich also, schwände mir die letzte Kraft,

Ich müßte auch –

INGOMAR.

Du nicht, du bist ein Sklave,

Und dein Geschick verhängt die Willkür deß,

Der dich erwirbt als seinen Teil des Fanges;

Doch mag auch sein, du fällst als Beutestück

Durchs Los den Göttern zu, und opfernd trifft

Im Kreis der heil'gen Steine dich das Beil!

MYRON.

Das Beil! Weh mir! Das Opferbeil! – Ich fühle

Den Stahl im Nacken! Wehe mir!

INGOMAR.

Der tut,

Als wär' die Welt nicht, wenn nicht er drin lebte!

MYRON.

O schützt mich, ihr, der Heimat milde Götter!

Massalia, weh mir, daß je mein Fuß

Hinausschritt über deines Tores Schwelle,

Daß töricht je –

INGOMAR.

Schweig, sag' ich, schweige! Sei

Du feig für dich, doch füll' mein Ohr nicht an

Mit deinen Klagen –

MYRON zurückweichend.

Ich – ganz recht – ich schweige!

INGOMAR für sich.

Es mögen Männer sein in seinem Volke,

Doch der ist keiner! – Sklave!

MYRON.

Herr!

INGOMAR.

Sei klug

Und fürcht' dich nicht! Das Los wird dich nicht treffen,[93]

Und schmiedest du uns tücht'ge Schwerter nur,

Tust deinen Dienst und lebst nach unserm Sinn,

So soll's bei uns dir noch gefallen –

MYRON.

Mir

Gefallen –

INGOMAR.

Tor, du liebst so sehr das Leben,

Du klagst um Freiheit, und du kennst sie nicht!

Bei uns ist Freiheit, Freiheit ist im Freien,

Im Walde wohnt sie, auf den Bergen weht

Ihr Atemzug! Und Leben – lebt denn ihr?

Wie's uns gefällt, bald dort daheim, bald hier,

Für heut nicht sorgen, noch für morgen sparen,

Jagd, Zechgelag, Gefechte und Gefahren,

Das nenn' ich leben, das ist eine Lust,

Das macht die Adern schwellen, hebt die Brust!

Ihr aber dort in euern dumpfen Mauern,

Ihr habt das Leben nur, es zu vertrauern.

MYRON.

Ich ward in ihrem Umkreis, Herr, geboren;

Dort wohnt Vertrag und Recht, Gesetz und Ordnung –

Ein treues Weib und eine liebe Tochter,

Das Beste, was auf Erden ich erwarb,

Besitz' ich dort – besaß ich, sollt' ich sagen –

INGOMAR.

Nun Tränen gar! Hinweg, aus meinen Augen!

Um Weiber Tränen? Bist du selbst ein Weib?

Was sind denn Weiber – eitel üppig Volk,

Geboren, zu gebären und zu dienen!

Das wirft verbuhlte Blicke, kaum noch reif,

Das kauert um den Herd und füttert Kinder,

Das salbt sein Haar und spiegelt sich im Bach!

Wär' ich ein Gott und hätt' die Welt zu schaffen,

Mir dürft' kein Weib sein, keins! – Wir nehmen Weiber,

Wie man ein Bad nimmt, wenn die Sonne heiß;

Und du – um Weiber weinen! Fort, hinweg

Aus meinen Augen!

MYRON.

Herr, du zürnst; doch wärst

Du gestern noch ein freier Mann gewesen

Und wärest heut gleich mir, der Heimat fern,

Ein armer Sklave –

INGOMAR.

Ich – ich wär' kein Sklave!


In der Ferne wird ins Horn gestoßen.


Still, horch'! – Das ist Alastors Horn! Sie sind's,

Sie kommen!


[94] Zu Novio, der im Hintergrunde der Bühne auftritt.


Sind sie's? Rede!

NOVIO.

Ja; sie ziehen

Die Talschlucht dort herauf; Alastor aber,

Vorausgeeilt den andern, klimmt behende

Den Abhang schon heran. Da ist er!


Alastor tritt rasch im Hintergrunde der Bühne auf; nach und nach erscheinen auch Samo, Trinobant, Ambivar und andere Tectosagen und treten allmählich in den Vordergrund.


ALASTOR.

Ja!

Da bin ich; aber besser wär's gewesen,

Ich hätt' des Weges Mühen mir erspart!

Ich komm' mit leeren Händen!

INGOMAR.

Sprichst du wahr?

Die fetten Herden, die Avenios Bürger

Alljährlich ins Gebirg' zur Weide senden –

ALASTOR.

Ich sah nicht eine Klaue.

INGOMAR.

Schlimm genug!

So bringst du –

ALASTOR.

Nichts! Doch ja! Eins bracht' ich auf,

Ein schmuckes hübsches Ding von Mädchen.

NOVIO.

Wie,

Ein Weib?

INGOMAR.

Ein Weib, das war des Ganges wert!

AMBIVAR.

Wie kamst du zu den Fang?

ALASTOR.

Er lief von selbst

Uns zu! Wir lagen lauernd im Gebüsche!

Da rauschten fernher Schritte, Stimmen schallten,

Und jene kam, des Pfades Steingerölle,

Der Sonne Brand nicht achtend, rasch des Weges.

Nun brechen wir heraus! Der Knabe, der

Ihr Führer war, entflieht; sie aber weicht

Zurück, und unsre ausgestreckten Arme

Abwehrend mit der Hand, beginnt sie: »Steht,

Euch such' ich! Seid ihr Tectosagen?«

TRINOBANT.

Ei,

Das Mädchen, sagst du?

NOVIO.

Nun, und ihr?

ALASTOR.

Wir lachten;

Du suchst uns, sprachen wir; nun hast du uns,

Nun bist du unsre Beute. Aber sie,

Zornglühend, reißt sich los aus unsern Händen:

»Nein,« ruft sie drohend, »nein! Nicht eure Beute![95]

Ich bring' für euren Sklaven Lösegeld,

So hab' ich frei Geleite!«

MYRON für sich.

Lösegeld

Für ihren Sklaven!

INGOMAR.

Bringt sie Lösegeld,

So sprach sie wahr, so hat sie frei Geleite.

ALASTOR.

Mit einem Wort, wir ließen uns herbei,

Des Weges sie zu Ingomar zu weisen,

Zu unsrem Führer, und sie folgte uns,

Das heißt, sie ging voran beschwingten Schrittes,

Und wir kopfschüttelnd trabten hinterdrein.

TRINOBANT.

Ei, die hat Herz im Leibe!

INGOMAR.

Doch sag' an,

Für welchen Sklaven bringt sie Lösegeld?

ALASTOR.

Für Myron, sprach sie, von Massalia.

INGOMAR.

Für den!

MYRON.

Ihr großen Götter!

INGOMAR.

Nun fürwahr,

Kein Ding so schlecht, es findet seinen Käufer.

MYRON.

Frei! Lösegeld! Massalia wiedersehen!

Ihr Götter, laßt mich nicht von Sinnen kommen!

Und du – o sprich! Nicht wahr? Ihr Haar ist dunkel,

Das Auge hell und klar, und schlank die Glieder,

Die Stimme süß, wie Nachtigallensang,

So süß – o sprich – Nicht wahr, es ist mein Kind? –

ALASTOR.

Da sieh es selbst!


Parthenia tritt im Hintergrunde der Bühne, umgeben von mehreren Tectosagen, auf.


MYRON.

Parthenia, mein Kind!

Mein liebes, teures Kind! Du bist es! Ja,

Dein Auge strahlt mich an! Nun hab' ich dich,

Nun hab' ich alles wieder! Dacht' ich's doch,

Wenn mein Parthenion mich lösen kann,

Sie tut's! Sie hat's getan!

PARTHENIA.

Mein teurer Vater!

INGOMAR.

Da weint er wieder! Nun, beim Donnergott,

Der Bursche ist wie eine Regenwolke.

ALASTOR.

Genug der Tränen, des Geflüsters, Weib;

Du suchtest Ingomar; hier ist er, rede!

PARTHENIA vor Ingomar kniend.

Laß denn ein Kind zu deinen Füßen, Herr,

Um seines greisen Vaters Freiheit flehen!

Uns ist er alles, und was nützte euch[96]

Ein Mann, wie er, gebrechlich, hoch in Jahren;

O schenkt mir gnädig, was euch wertlos ist –

NOVIO.

Wie? Schenken –

AMBIVAR.

Ei, ist das ihr Lösegeld?

ALASTOR.

Umsonst will sie ihn haben!

INGOMAR.

Weib, dein Vater

Ist unser aller Sklave; wär' er mein,

Ich schenkt' ihn dir, des Griesgrams los zu sein;

Doch ist's nicht so, und also hoffe nicht,

Mit schlauem Wort uns schmeichelnd zu berücken,

Und flehtest du –

PARTHENIA rasch sich erhebend.

Genug, spar' deinen Atem!

Die Götter wollen's! Nehmt denn Lösegeld!

INGOMAR.

Und welches bietest du?

PARTHENIA.

Mich selbst!

MYRON.

Du rasest –

INGOMAR.

Dich selbst?

PARTHENIA.

Ein grünes Leben für dies welke,

Für Alter Jugend, frische Kraft für Schwäche,

Das biet' ich euch; sagt: Ja! und gebt ihn frei!

MYRON.

Du sollst nicht – Nein! –

INGOMAR.

Dein Vater schmiedet Waffen

Und kann uns nützlich sein; du aber bist

Ein Weib!

PARTHENIA.

Du meinst, ich wär' euch nur zur Last?

Das glaubt nicht. Spinnen kann ich, zierlich weben,

Gewänder weiß ich anzufertigen

Und leckere Gerichte zu bereiten;

Des Saitenspieles bin ich kundig, auch

Gar schöne Märchen weiß ich zu erzählen

Und süße Lieder, euch in Schlaf zu singen;

Auch bin ich stark, gesund an Leib und Seele,

Und immer froh und heiter war mein Sinn!

INGOMAR.

Nun, das tut not! Dein Vater konnt' nur weinen!

PARTHENIA.

Sagt: Ja! Der Tausch soll euch nicht reuen!

MYRON.

Nein,

Sie raset, hört sie nicht!

INGOMAR.

Du dorten, schweig!

Und ihr, was meint ihr? Sprecht!


Er tritt mit den übrigen Tectosagen links in den Vordergrund der Bühne, so daß Myron und Parthenia rechts im Vordergrund allein bleiben.


MYRON während sich Ingomar mit den Tectosagen leise bespricht, zu Parthenia.

Unselige,[97]

Was tatest du? So willst du mich befreien?

Ich aber – gält's mein Leben – ich will nicht!

Wie, wußte Polydor, und wußten, rede,

Die andern alle dir nicht bessern Rat?

PARTHENIA.

Nicht Rat noch Hilfe war bei deinen Freunden!

MYRON.

Massalia aber, der Timarch, des Rates

Erlauchte Glieder?

PARTHENIA.

Taub war jedes Ohr;

So komm' denn ich und breche deine Ketten –

MYRON.

O hätt ich diese Stunde nie erlebt!

Denn besser wär' dir in des Drachen Höhle,

Als hier zu sein bei diesen, die Natur

Schuf menschlich nur zum Spott, bei ihnen, die

Dem Hungertod preisgeben ihre Väter,

Die ihre Sklaven – schaudre, armes Kind! –

Als Opfer ihren Götzen schlachten!

PARTHENIA.

Ei!

Mich werden sie nicht schlachten!

INGOMAR während Myron und Parthenia leise zu sprechen fortfahren.

Laßt sie ziehen!

Wir haben Weiber nur zu viel daheim;

Der Alte schmiedet Waffen –

TRINOBANT.

Doch er stirbt

Uns über Nacht, und sie ist jung und lebt

Noch lange Jahre.

NOVIO.

So ein schmuckes Ding

Heimgehen lassen! Gebt den Alten frei!

INGOMAR.

Sie sind von Sinnen!

AMBIVAR.

Hört, laßt beide uns

Behalten!

INGOMAR.

Nein, so rät ein Schuft! Sie kam

Auf Treu und Glauben, und sie finde sie!

PARTHENIA während die Tectosagen leise unter sich zu sprechen fortfahren.

Es ist geschehen, und so gib dich drein!

Die Mutter härmt sich, trockne ihre Tränen!

Ich bin ja jung, leicht trag' ich, was dich drückte,

Und wo du stürbest, leb' ich mutig fort!

Sei frei und laß mich bleiben!

MYRON.

Bleiben! Hier,

Wo Tod dein harrt, ja Schlimmres noch als Tod,

Gewalttat, Schmach, Verderben! Nimmermehr!

Eh', Götter, lehrt dies letzte Gut, entgangen

Der Räuber Gier, lehrt diesen Dolch mich brauchen –[98]

PARTHENIA Myron in den Arm fallend und ihm den Dolch entwindend.

Mir gib den Dolch! Und nun zieh ruhig hin;

Denn deiner würdig leb' ich, oder sterbe! –

Doch dahin kommt es nicht; denn heimgekehrt,

Versagt Massalia auch dir seine Hilfe,

Du wirbst zum Beistand Fischer dir und Hirten,

Du führst sie an, ihr überfallt die Räuber –

MYRON.

Sprich leise – Freunde sammeln – Überfall –

Ein Gott legt dieses Wort dir auf die Lippen –

INGOMAR zu den Tectosagen.

Ihr wollt es so, und eure Wahl entscheidet!


Zu Parthenia.


Vernimm denn, Weib, erfüllt ist dein Begehren;

Wir nehmen dich als Lösegeld für jenen;

Er ziehe hin, du bleibst!

PARTHENIA.

Habt Dank, ihr Götter!

MYRON.

Sie soll nicht, sag' ich! – Ich bin euer Sklave

Und will es bleiben, frei zur Heimat ziehe

Die Freie hin!

INGOMAR.

Wer fragt nach deinem Willen?

Wir wollen, daß du gehest, daß sie bleibe,

Und so zieh hin!

PARTHENIA.

Zieh hin, du kehrst ja wieder,

Du lösest mich – O weck' nicht ihren Grimm!

INGOMAR.

Nun, soll's noch lange währen? Auf, Gesellen,

Und macht die steifen Glieder ihm gelenk!

NOVIO.

Macht fort!


Novio und Trinobant nähern sich Myron.


MYRON.

Wollt ihr mein Kind aus meinen Armen reißen?

TRINOBANT ihn packend.

Komm; troll' dich, Alter!

PARTHENIA.

Nein! Faßt nicht so rauh

Ihn an; er geht, freiwillig geht er! Fort,

O säum' nicht länger, geh!

MYRON.

Wohlan, es sei!

Ich gehe, doch ich kehre wieder –

AMBIVAR.

Ei, das wäre!

MYRON.

Euch allen zum Verderben kehr' ich wieder!

ALASTOR.

Das droht noch –

AMBIVAR.

Schlagt ihn tot!

INGOMAR.

Nein, stäupt ihn fort

Und laßt den Prahler laufen!

EINIGE TECTOSAGEN.

Fort mit ihm!

ANDERE.

Hinweg, hinweg![99]

MYRON von den Tectosagen im stürmischen Gedränge fortgerissen.

Parthenia, mein Kind, leb' wohl!

PARTHENIA.

Leb' wohl! Er geht! – Ich seh' ihn niemals wieder!


Sie schlägt die Hände vor das Gesicht und bleibt heftig schluchzend im Vordergrund der Bühne stehen.


INGOMAR der im Hintergrund der Bühne auf eine Anhöhe getreten, den Abgehenden nachblickend.

Der schreitet aus, der läuft! Bei allen Göttern!

Der Prahler, weiß ich, ruht nicht, bis daheim

Sein Haupt er birgt in seines Weibes Schürze. –

Es muß ein seltsam Ding doch sein, sich fürchten!

Ich hab' mich nie gefürchtet, und beim Himmel,

Ich möcht' fast einmal fühlen, wie es tut! –

Die Sklavin aber – Seh' ich recht? Du weinst?

Ist das der heitre Sinn, mit dem du prahltest?

So hältst du Wort –

PARTHENIA halb für sich.

Ich seh' ihn niemals wieder!

INGOMAR.

So wollt' ich doch – Wie, tauschten wir für Übles

Das Schlimmre ein, für einen kind'schen Alten

Ein töricht, zaghaft, weinerliches Weib?

Genug der Tränen –

PARTHENIA.

Ja, fürwahr genug;

Nicht, weil du sie verhöhnst, weil sie vergebens!

Ich will nicht weinen mehr! Bei allen Göttern,

Und wär' es bloß, um Lügen dich zu strafen,


Mit dem Fuße stampfend.


Ich will nicht, sag' ich, will nicht weinen mehr!


Sie trocknet sich rasch die Augen ab und tritt in den Hintergrund der Bühne, wo später einige Tectosagen erscheinen, die während der nächsten Szene ab und zu gehen, sich beim Feuer zu schaffen machen, die Glut schüren, Holz zutragen usw.


INGOMAR Parthenia nachblickend.

Das lass' ich gelten! – Der zum mindesten

Hilft Unmut doch, den Jammer abzuschütteln;

Die regt sich doch und wehrt sich ihrer Haut!

Ich will nicht weinen mehr, das ist ein Wort,

Und hält sie's mannhaft, wie sie's ausgesprochen –


Zu Parthenia, die indes zwei Krüge ergriffen und mit denselben im Vordergrunde rechts abgehen will.


Halt, Mädchen, halt! Wohin? –

PARTHENIA.

Wo sollt' ich hin,

Als dort zum Bach, die Krüge auszuschwenken!


Sie geht ab.


INGOMAR.

Die Krüge – Nun das mag wohl not tun – Ja,

Geh hin mit deinen Krügen – Wie, schon fort?[100]

Das nenn' ich mir ein eigenwillig Ding;

Doch das hat Leben, das greift zu, das schafft,

Das rührt sich! Wir gewinnen bei dem Tausch;

Ich wollte nur, sie könnte Schwerter schmieden! –

Die Sonne steht noch hoch! Ich könnte jagen –

Doch nein – Ich seh' den Herden nach! – Noch besser,

Ich leg' mich hin und schlafe noch ein Stück;

Dann geht's zum Nachtmahl, und der Tag ist um,

Und morgen komme, was die Götter geben!


Er geht auf den Baum zu, an dessen Stamm seine Waffen hängen, Parthenia kehrt mit den Krügen und einem großen Strauß von Feldblumen zurück; sie setzt sich auf den Felsblock rechts im Vordergrund, stellt die Krüge neben sich und fängt an Kränze zu winden.


INGOMAR plötzlich innehaltend und, ohne Parthenia zu bemerken, langsam in den Vordergrund zurückkehrend.

»Mich nehmt als Lösegeld!« Und wirft das Haupt

Zurück, als böte sie uns Tonnen Goldes;

Und wieder dann: »Ich will nicht weinen mehr!«


Ein trotzig Ding! Und das behagt mir eben!

Ich mag es leiden, wenn ein Roß sich bäumt;

Des Bergstroms Tosen lieb' ich und das Meer,

Wenn seinen Schaum es schleudert an die Sterne:

Denn zahme Trägheit ist lebend'ger Tod,

Und Leben atmet nur der Kampf der Kräfte.

Doch sieh, da ist sie!


Er nähert sich Parthenia und beugt sich dann, an den Fels gelehnt, zu ihr hinab.


Ei, was schaffst du da?

PARTHENIA.

Ich? – Kränze flecht' ich –

INGOMAR.

Kränze! – Ist mir doch,

Als hätt' ich sonst im Traum sie schon gesehen!

Doch ja – Mein Bruder, der als Knabe starb,

Mein kleiner Folko – ja ganz recht – das ist's!

Sie hat sein dunkles Haar und seine Augen,

Und selbst die Stimme spricht bekannt zu mir.


Dies also nennt ihr Kränze, und wofür

Denn flichtst du sie?

PARTHENIA.

Für diese Krüge.

INGOMAR.

Wie?

Was sagst du?

PARTHENIA.

Ist's bei euch nicht Sitte? Wir

Daheim, wir lieben's, wenn um Schalen, Becher

Und andres Trinkgeschirr sich Blumen schlingen.

INGOMAR.

Wir aber, Mädchen, achten nur darauf,[101]

Daß Met die Krüge bis zum Rande fülle;

Drum laß und müh' dich nicht mit deinem Kranze;

Was nützt das Spielwerk!

PARTHENIA.

Spielwerk! Nützen! Wie,

Muß alles nützen denn, selbst Kränze? Sie

Sind schön, das nützen sie. Ihr Glanz erfreut

Das Aug', ihr Duft erfrischt die Seele! Da,

Sieh her! –


Aufspringend und den halbfertigen Kranz um einen der Krüge schlingend, den sie ihm dann hinhält.


Läßt das nicht schön?

INGOMAR.

Beim Strahl der Sonne,

Das Ding gefällt mir! Dieses dunkle Grün,

Die hellen Blumen! – Ei, du mußt daheim

Auch unsre Weiber Kränze winden lehren!

PARTHENIA.

Das lernt sich leicht! Bald flicht dein Weib dir Kränze,

So schön, wie ich! –

INGOMAR.

Mein Weib! Ich und ein Weib!

PARTHENIA.

So hast du nicht gefreit?

INGOMAR auf sein Schwert schlagend.

Das ist mein Weib;

Mein gutes Schild, mein Speer ist's! Mag, wer will,

Hinwerfen, was ihm gutes Glück erwarb,

Den Vätern ihre Töchter abzufeilschen,

Um Sklaven, Rinder oder rotes Gold,

Und tags darauf des Kaufes Hast bereuen,

Ich weiß mir bessern Rat und beßre Ware!

PARTHENIA.

Ihr großen Götter!

INGOMAR.

Ei, was starrst du mich

Verwundert an? Was hast du?

PARTHENIA.

Wie? Ihr werbt

Mit Gold, mit schnödem Gold um eure Bräute?

Ihr kauft sie, tauscht sie ein, sie selber Sklaven,

Um Sklaven so wie sie? Ihr ew'gen Götter,

Sind Weiber Waren?

INGOMAR.

Wie gehabst du dich?

Ich denke, Weiber dienen allerwegen,

Und wir fürwahr, wir halten sie nicht streng!

PARTHENIA.

Nicht? Tut ihr's nicht, ihr gnädigen Gebieter?

O lebte nur mein Geist in euren Frauen,

Nur einen Tag –

INGOMAR.

Gemach, was schmähst du uns?

Wir folgen unserm Brauch, wie ihr dem euren;[102]

Denn ihr, ihr, scheint es, freit nach eigner Wahl

Und achtet nicht auf eurer Väter Willen!

PARTHENIA.

Wir hören ihn und folgen unsren Herzen,

Wir fallen nicht dem besten Anbot heim;

Uns all', Massalias freigeborne Töchter,

Uns bindet Neigung nur mit leichtem Band,

So duftig als der Kranz in meinen Händen;

Uns führt dem Freier nur die Liebe zu!

INGOMAR.

Die Liebe! Wie? Ihr freit aus Liebe? Ei,

Wie macht ihr das?

PARTHENIA.

Aus Liebe freien?

INGOMAR.

Ja;

Ich hab' so manchen treuen Kampfgenossen,

Und herzlich lieb' ich manchen wackern Freund,

Doch freien, sagst du, und aus Liebe? Liebe –

Was ist das?

PARTHENIA.

Was das ist? Die Mutter sagt,

Es sei das süßeste von allen Dingen,

Des Lebens Himmel; ich erfuhr es nie!

INGOMAR.

Du nicht? Gewiß nicht?

PARTHENIA.

Nein, gewiß nicht!


Den Kranz, an dem sie windet, wohlgefällig betrachtend.


Doch

Sieh her! Wie schön! – Hier, hätt' ich sie, hier sollten

Hochrote Blumen her!

INGOMAR.

Dort flammen Blüten

Wie Purpur im Gebüsch!

PARTHENIA.

Was sagst du? Dort!

Ach ja! – Welch brennend Rot – die stünden herrlich!

Ach geh doch, bitte, pflück' mir welche ab.

INGOMAR macht eine rasche Bewegung abzugehen, hält aber plötzlich inne.

Ich dir?

PARTHENIA.

Doch brich mir nur die allerschönsten,

Die frischesten –

INGOMAR für sich.

Der Herr der Sklavin dienen? –

Und warum nicht? Das arme Kind ist müde!

PARTHENIA.

Wie, säumst du?

INGOMAR.

Nein, gleich sollst du Blüten haben,

So frisch und tauig, als der Busch sie beut!


Er geht rasch links im Vordergrunde der Bühne ab.


PARTHENIA den Kranz vor sich hinhaltend und betrachtend.

So gut gelang mir's nie! – Der Kranz, fürwahr,[103]

Soll reizend werden! – Reizend, und für wen?

Hier schmückt er keines Götterbildes Schläfe,

Hier blickt nicht lächelnd drauf die Mutter nieder;

Ich bin allein, verlassen! – Nein, hinweg,

Ich will nicht weinen mehr! Ich bin ein Weib,

Und hätt' ich Grund und Sehnsucht auch zu klagen,

Nein – daß ich feig, das sollen sie nicht sagen!

INGOMAR mit einigen Blütenzweigen auftretend und langsam über die Bühne hinschreitend, für sich.

Der kleine Folko, wenn nach Obst, nach Blumen,

Wenn irgend sonst in Spielzeug er begehrte

Und weinte: Bring' mir's doch! Ich will es haben!

Da mußt' ich's tun, ich wollt' nun oder nicht:

Und vieles, find' ich, hat sie von dem Knaben!

Da sind die Blüten!

PARTHENIA.

Dank dir, Dank! Doch sieh,

Die taugen nicht! Du hast zu knapp am Stiel

Die Blumen weggebrochen –


Sie wirft einige von den Blüten auf die Erde.


INGOMAR.

Gut, ich will –

PARTHENIA.

Nein, nein! – Der Zweig hier fügt sich – habe Dank!

INGOMAR.

Zum Dank erzähl' mir noch von deiner Heimat,

Und was noch sonst die Mutter dir gesagt!

Erzähl'; ich sitz' hier neben dir –

PARTHENIA.

Nein, nein! – Nicht hier!

Du drücktest ja die Blumen mir zunichte!

INGOMAR sich zu ihren Füßen hinsetzend.

Wohlan, ich sitze hier, und nun erzähle!

PARTHENIA.

Und was denn soll ich dir erzählen?

INGOMAR.

Wie

Ihr liebt und freit, wie Liebe kommt und geht,

Was Liebe ist, erzähl' mir! Bei den Göttern,

Mir ist das Wort, als wär's ein tiefer See,

Und auf den Grund hinunter möcht' ich schauen!

PARTHENIA.

Wie Liebe kommt – die Mutter meinte, schnell;

Sie meinte – Reich' mir dort das Veilchen her! –

Lieb' komme, wie die Blumen, über Nacht;

Lieb' sei ein Feuer, das ein Blick entfacht,

Das Träume nähren und Gedanken schüren;

Lieb' sei ein Stern, zum Himmel uns zu führen,

Ein grüner Fleck in dürrem Heideland,

Ein Körnchen Gold im grauen Lebenssand,

Und als die Götter, müde dieser Welt,[104]

Sich flüchteten hinauf ins Sternenzelt,

Mitnehmend, was auf Erden sie besessen,

Da hätten sie die Liebe hier vergessen.

INGOMAR der den Blick nicht von Parthenia verwandt hat, nach einer Pause.

Ich fass' es nicht!

PARTHENIA.

Ich auch nicht! – Mutter meint,

Man müßte das erleben! Doch ich weiß

Ein altes Lied; das sagt es deutlicher,

Mir mindestens! Wie hieß es nur? Ganz recht!


Sie spricht langsam, als wenn sie sich auf das Lied besänne.


Mein Herz, ich will dich fragen:

Was ist denn Liebe? Sag'! –

»Zwei Seelen und ein Gedanke,

Zwei Herzen und ein Schlag!«


Und sprich: woher kommt Liebe? –

»Sie kommt und sie ist da!«

Und sprich, wie schwindet Liebe? –

»Die war's nicht, der's geschah!«


Und wann ist –

Nein –

INGOMAR.

Fahr fort!

PARTHENIA.

Ich weiß nicht weiter!

INGOMAR leidenschaftlich.

Sinn nach!

PARTHENIA.

Ich sinne nach und kann's nicht finden!

Es kommt wohl wieder bei Gelegenheit,

Und dann – Hier braucht es Rosen! Ei, dort blüht

Ein Strauch, und welche Rosen! – Ich will hin;

Hier hüte mir indessen Kranz und Blumen!


Sie springt auf, schüttet Blumen und Kranz in Ingomars Schloß und läuft links im Vordergrunde ab.


INGOMAR nach einer Pause, ohne seine Stellung zu verändern, in tiefen Gedanken vor sich hinsprechend.

Zwei Seelen und ein Gedanke,

Zwei Herzen und ein Schlag.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Friedrich Halm: Werke. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [o.J.], S. 89-105.
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