(LXII.)
Der vergnügte Feinde.

[221] Es ist ein Haupt-Lehre / daß das Laster niemals einen guten die Tugend aber niemals einen bösen endlichen Außgang haben kan. Bey diesem Satz finden sich allerhand Abfälle / in dem nemlich eine böse That widerum mit einer löblichen erstattet wird / oder daß die Tugend noch in ihrer Probzeit / und[221] noch nicht zu ihrer Vollkommenheit gelanget / da dann der Sieg vor dem Streit nicht zu erwarten / wie sich dieses zu folgender Geschichte schicket / wird auß desselben Außgang zu ersehen seyn.

2. Ramirez ein Spanischer Obrister / nach dem er etliche Jahre Terracina / eine Statt in Sicilien regieret / wurde in die Festung Gayetta / so zu dem Königreich Neapoli gehörig / gesendet; nach dem alten Gebrauch der Könige in Hispanien / die niemals ihre Befehlde an einem Ort lang lassen / damit sie nicht einwurtzlen / und ohne Gewalt wider außgerissen werden können. Daher sihet man an einem zwey oder dreyjährigen Wechsel bey allen Königlichen Statthaltern / und wird dardurch der Ehrgeitz etlicher massen bezaumet / und solcher Herren Hoffnung / einige Dienste auff ihre Nachkommen zu bringen / klüglich unter brochen.

3. Ramirez ware in Beschäfftigung der Müssiggänger / ich will sagen / in den Liebßhändlen nicht unerfahren / und hatte ihme die schönste Jungfer in dem Lande außersehen / welche ihm der Person nach zwar brünstig gefiele / dem Stand nach aber / wegen seiner Hoheit mißfallen müste / weil diese Celerina / Soters eines schlechten / doch ehrlichen Bürgers Tochter; der Spanier aber von hoher Ankunfft / und in hohen Königlichen Diensten; massen in seinem Lande nichts geringes / und auß den Thälern deß Elends stoltzerhabne Berge werden / wie jener von ihnen redet.

4. Als nun Ramirez befehlt / sich nach Gayeta zu erheben / verhoffte er durch die Abwesenheit seine Wunden zu heilen / und der Celerina Schönheit auß dem Sinn zu schlagen: Aber vergebens / weil er seine Kranckheit in sich / welche die Veränderung deß Orts durch Entfernung der Artzney vielmehr ärger machte. Als er nun von seinen Begierden wie Acteon von seinen Hunden zerrissen wurde / begehrte er an Soter schrifftlich daß er ihme seine Tochter vermählen wolte; Gestalt kein ander Mittel ware dieser Jungfer theilhafftig zu werden.

5. Soter hielte solche Freundschafft für eine grosse Gnade /[222] und versprache dem Spanier seine Tochter mit vieler Höfligkeit Bezeugung hertzlicher Freude / die er / als ein Vatter ob solcher Verehlichung spühren liesse. Ramirez konte auß seiner Festung nicht weichen / und seine Hochzeiterin heim führen. Soter wolte dieses Glück nicht auß Handen lassen / und setzte seine Tochter mit einer von den Befreunden auf ein Rennschif selbe nach Gayetta über zu bringen / und war solche Anstellung der Hochzeiterin nicht unwissend.

4. Gleich und gleich / sagt das Sprichwort / gesellet sich gerne: Also daß Celerina lieber einen von ihren Landsleuten / nemlich Symphronium / als den Spanier zu haben verlangt / welcher auch dem schwartzen Gesellen dieses weisse Brod nit lassen wollen / dem Vatter aber mit Gewalt nicht abnötigen können. Dieser nun verstellet sich mit seinen Freunden / als ein Türckischer Seerauber / und fället das Schiff bey einem Felsen da sie verbey fahren müsten / übermeistert es / segelt darmit auff Calabria zu / und setzet die Beute bey Otranto an das Land.

7. Unter dem Raub wird Celerina in der Außtheilung Symphronio / und in dem die Gefangenen vermeinen / daß sie nun als Leibeigene in die Eisen geschlagen würden werden / stellen sich die verkapten Türcken als ob sie frisch Wasser holen wolten / und lassen die Christen / ausser Celerina / in ihrem Schiffe damit sie unverhindert wider nach Terraina zu rücke gefahren / und wie es ihnen ergangen / dem betrübten Vater erzehlet / welcher es mit vielen Thränen nach Gayeta berichtet / daß der Spanier darüber hette von Sinnen kommen mögen.

8. Celerina unnd Symphronio vollziehen inzwischen ihre eheliche Verlöbniß / unnd geniessen der lang verlangten Zufriedenheit getreuer Liebe. Dieser Süssigkeit vergleichet sich füglich mit den Rosen / welche bald verwelcken / aber lange Zeit hernach ihre Dörner hinter sich lassen. Sie hatten sich zu einer langen Raise übel mit Gelt versehen / unnd nach beschaffnen Sachen versehen können; daß der Hunger die Morgengabe unnd der Durst ihre[223] Außsteuer seyn muste. Was Raht; sie müssen dem ungeratnen Sohne folgen / und bey den Eltern üm Gnad und Erbarmung anflehen.

9. Soter hörte mit grossen Freuden an / daß seine Tochter in dem Leben / und nicht in der Türcken Handen; wolte also zu geschehenen das beste reden / und sie dem überlassen / welchem sie / ohne Nachtheil seiner Ehre / nit nehmen konte: Zu dem er hatten sie auch bereit einen Erben erzeugt / und den andern zu hoffen. Als nun dieser Vatter die Dürfftigkeit der seinen verstehet / hilfft er ihnen eussersten Vermögens an Gelt und Geltswehrt / daß sie samtlich nach Terracena kommen / und alldar von ihme ferners versorget werden konten.

10. Dieser Verlauff wurde auch durch das Landtkündige Gerücht dem Obersten Ramirez wissend / der solches für ein Schmach / so seiner Person am meinsten angethan worden / sonder Rache nicht wolte lassen hingehen; sendet deßwegen einen Diener in Sicilien / Symphronium als einen Rauber seiner Vertrauten zu beklagen / und weil die Sache Stattkündig / muste Symphronius / sein Leben zu retten / Flüchtig gehen / unnd das wurde an seinem Bildniß / durch den Hencker vollzogen / darüber Soter nicht wenig betrübt worden.

11. Der flüchtige Symphronius suchet seinen Schutz unter der Neapolitanischen Menge Volcks / welche vielleicht die gröste ist / unter allen Stätten Welschlands. In dem nun diser Verjagte in eines Fürsten Dienste sich / auß Armut unterhalten lassen; fügte sich dz Ramirez auch dahin kommet / wegen etlicher Beschäfftigung seines Königs / und allda von etlichen Neapolitanern / wegen einer Schanddirne angehalten / und ermordet worden were / wann ihm Symphronius nicht mit Leibs und Lebensgefahr beygestanden unn erettet hette.

12. Als er sich nun nachgehends zu erkennen gegeben / hat ihn der Spanier nicht allein verziehen / sondern auch ihme bey dem Königlichen Statthalter in Sicilien Landshuldigung zu wegen gebracht / daß er auß einem erzörneten Feinde ein vergnügter Freunde worden. Zur Nachfolg allen Beleidigten[224] seyn sollen ihren Widersachern bald / und ein jeder vergeben soll seinem Nechsten seine Fehle von gantzem Hertzen; wann er nemlich sein unrecht bereuet und um Gnade bittet.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCXXI221-CCXXV225.
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