(XX.)
Die scharffe Gerechtigkeit.

[80] Die Könige / Fürsten und Oberherrn sind Vätter deß Vatterlandes; welche ihre Schame / Schand und Fehler entblössen / werden dem Fluch deß Gottlosen Chams nicht entgehen. Sind sie Menschen und irren mannigfaltig / haben sie deßwegen GOtt / und nicht ihren Unterthanen / Rechenschafft zu geben / denen das Richteramt nicht anbefohlen / und welche auch den wunderlichen zu gehorsamen pflichtig sind. Diesem nach wollen wir folgende That von scharffer Gerechtigkeit benennen / so vielleicht bey mindern Personen einem Undanck gleichen könte / und selbe vorerwehnter Danckbarkeit entgegen setzen.

2. Gonzalvo Fernandes von Cordua / der tapfere Held / hat dem König in Hispanien das Neapolitanische und Sicilische Königreich wider unterwürffig gemacht / nach dem es die Frantzosen geraume Zeit zuvor besessen gehabt. Er hat[80] sich in Feldschlachten und Belägerungen ritterlich / klug und unverzagt erwiesen / daß er el grand Capitaneo, oder der grosse Hauptmann oder Feldherr benamet worden; benebens auch hat er der Freundlichkeit in solcher Hoheit nicht vergessen / und solche seinen Feinden / wie wir schaltweiß erzehlen wollen / widerfahren lassen.

3. Als die Frantzosen Caijeta / die letzte Festung so sie in dem Neapolitanischen gehalten / auffgegeben / hat er sie mit Pferden und Eseln zu Abführung ihres Gerätleins versehen / und als sie sich verlauten liessen / sie wolten bald mit einem mächtigen Heer widerkommen / und was sie jetzt verlohren / wider gewinnen; Hat er darauff freundlich geantwortet; Die Herren kommen wider wann sie wollen / mit der gleichen Höflichkeit will ich sie allezeit wider ziehen lassen.

4. Dieser Gonzalvo hat in Hispanien Mondolia ein schönes Schloß (die aldar wegen Mangel der Steine unnd deß Holtzes selten sind) von seinen Eltern ererbet / und seines Namens Angedencken damit zu verewigen / erneuet; Massen nichts beharrlicher in dieser Eitelkeit / als die Gebäue / in welchen wir gleichsam der Erschaffung deß höchsten Gottes nachahmen. Nach dem er mit seines Bruders Sohn / weil er keinen Erben hatte / ruhig darinnen zu alten gedencket / fügte sich folgendes Unglück.

5. Don Pedro von Cordua / deß besagten Herrn Vetter und künfftiger Erbe / hatte von einer Hofdirne Gelt geborgt / und nach Gebrauch der bösen Zahler / sie von Zeit zu Zeit aufgezogen / daß sie endlich gezwungen worden / ihn zu beklagen / und für Gericht laden zu lasen. Der Fron- oder Gerichtsbott kommet in das Schloß / als eben Gonzalvo bey Hof / und verkündiget Pedro unter Augen / für Gericht zu erscheinen / und wegen deß entlehnten Gelts Rechenschafft zu geben.

6. Hierüber ergrimmt Don Pedro so sehr / daß er dem Gerichtsbotten / welcher auff der Stiegen gestanden / mit dem Fuß einen Stoß gibt / daß er hinter sich hinab schlägt / unnd weil die Stiegen hoch / etliche Wunden in das Haubt fället. Dieser Frevel kommt alsobalden nach Hof / und nimmt sich[81] d' König deß Gerichtsbotten an / als ob an jm selbst solche Thätlichkeit verübet worden were. Gonzalvo eilet nach Hauß und heisset seinen Vettern das Leben mit der Flucht retten / und in Portugal entweichen / welches damals noch seinen eignen König hatte.

7. Er ist kaum entronnen / so fallen deß Königs Hof-Soldaten ein / und wollen den Frevler handfest machen / weil er aber nicht mehr zu betretten / kehren sie wider zurucke und zeigen solches dem König an. Der König gebietet Gonzalvo / er soll seinen Vettern stellen / Gonzalvo wuste wol / daß deß Königs Zorn ein Bott deß Todes / und schriebe nach Lißbona / daß Don Pedro solte widerkommen / wo er sich auch möchte aufhalten. Auff unterschiedliche Briefe erfolgt keine Antwort / ob wol der König beharrlich darnach fragte.

8. Als nun der Thäter nicht kan zu der Stelle gebracht werden / befihlt der König / man soll das Schloß deß Gonzalvo Fernandetz / als den Ort / in welchem der Frevel geschehen / niderreissen / und zu einem Steinhauffen machen. Der Ritter Gonzalvo thut Königl. Majest. einen unterthänigen Fußfall / bittet umb sein Schloß / und erbietet sich eine ansehnliche Geldstrafe für seinen Vettern zubezahlen / oder solches S.M. gantz und unabgebrochen zu überlassen. S.M. solle ihn doch der lang und viel geleisten Dienste geniessen / und seiner als deß unschuldigen / wegen nit begangener Mißhandlung / mit so harter Strafe verschonen / etc.

9. Der König verspricht ihm ein andre Statt / nemlich Loxo dafür zu geben / und müsse der begangene Frevel mit keiner andrer Abstattung / als mit Niderreissung besagtes Hauses gebüsset werden. Uber so strenger Gerechtigkeit / hat sich Gonzalvo so sehr betrübet / daß er das Leben auffgegeben / und sind nach seinem Tode / alle Güter dem König / und nicht dem nechsten Erben / heimgefallen.

10. Was hiervon zu halten / wollen wir dem Leser zu beurtheilen heimgeben / und bemercken allein / daß die Obrigkeit und jre bediente keines Wegs zu schertzen noch zu beschimpfen / und daß die Spanier durch solche Strengigkeit ihnen einen unsterblichen Namen zu machen vermeinen. Wie es Don[82] Pedro ferners ergangen / meldet der Spanische Scribent / auß welchem wir es erzehlen / nicht.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. LXXX80-LXXXIII83.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte, Das erste Hundert. 2 Tle. in 1 Band.