(XXXIII.)
Der Friedfertigen Rechtfertigung.

[125] Wann jemand eine Artzney erfinden könte / welche die Strittigkeiten und darauß erwachsende Rechtfertigungen heilen möchte / so solte er mehr Danck verdienen / als die Ratzen und Mäusefänger / oder die Quacksalber / welche Pulver und Zetlein für die Würmer in dem Leib verkauffen. Was sind doch die Rechtfertigungen anders / als Würmer und Ratzen / die gantze Häuser und Geschlechte untergraben / nagen / plagen / und mehrmals zu Grund richten. Wider dieses Unziefer dienet nichts ersprießlicher / als ein billicher Vergleich / der durch Zuziehung Friedliebender Leute getroffen wird. Ich sage / ein Vergleich / der alles eingleichet / und das krumme Recht richtet / einen solchen Vergleich helffen gewissenhaffte Rechtsgelehrte selbst vermitteln / und legen gleichsam solche Axt an die Wurtzel / allen Zanck und Zwiest gäntzlich aus- und aufzuheben: Gewinnsüchtige Dintenschmierer hingegen / suchen und saugen wie Blutegel das Marck aus den Beinen und Beutlen / und ist leichtlich zu erachten / wessen Geistes Kinder sie sind / wann Gott ein Gott deß Friedens / der Satan ein Stiffter deß Unfriedens / und ein Fürst der Welt ist / die im argen liegt. Selig sind die Friedfertigen / unselig aber die Zanck und Streit befördern.

2. Calupan und Frodoberte / Geschwistrige Kinder / welche miteinander in unzertheilten Güter friedlich und schiedlich gelebet / wurden wegen etlicher Gefälle strittig / massen[125] die Kinder der Eltern Einigkeit selten erben / und das Wasser je weiter es sich von der Quellen entfernet / je mehr es trüber und glum zu werden pflegt. Als sie nun abtheilen wollen / und die Gemeinschafft der Güter / als eine Mutter der Uneinigkeit / aufzuheben vermeinen / finden sie den Streit / wo sie den Frieden gesucht / daß sie darüber in eine Rechtfertigung geraten.

3. Die Sachwalter oder Advocaten / Gerichts Anwälte / Procuratorn / Schreiber / Gerichtsbotten / Feder- und Dintengenossen / sahen diese beede fetten Kühe auf ihre Weid kommen / und verhoften sie zu melken / biß sie mager wůrden. Calupan hatte etlicher in dieser Leute Händen gesehen / und gewust wie es hergehet: fasset deßwegen einen Schluß / seinem Kopf allein zu folgen / und keinen Rechtsgelehrten / die das Feuer nicht außleschen / sondern aufblasen / darüber zu Rath zu ziehen / und lieber viel zu rucke zu lassen / als solchen Einbuß den Raubvögeln der Gerechtigkeit zu vergönnen.

4. Mit diesem Vorsatz spricht er seinem Gegner folgendes Innhalts zu: Hertzlieber Vetter / du weist in was brüderlicher Einigkeit / und gutem Vernehmen / unsre beede Vätter miteinander gelebet / daß es ihnen auch darüber wol ergangen / und ihre Güter mit Zeitlichem aufnehmen gesegnet worden. Warum wollen wir nicht auch solches Vertrauen auf uns erben lassen? Warum wollen wir durch unsern Zweyspalt uns selbst Heil und Segens berauben? Du weist das alte Sprichwort:


Fried und Einigkeit vermehrt.

Was der Zanck und Streit verzehrt.


Ich lege dir also drey Mittel zu unsrer endlichen Vergleichung vor / mit Bitte / aus denselben eines zu wehlen.

4. Erstlich / daß wir in der Gemeinschafft verbleiben sollen / wie biß anhero / und lassen sich unsre Einkünfften besser abtheilen / als die unbeweglichen Güter. Diese Gemeinschaft soll ein Band seyn unsrer Freundschaft und Vertreulichkeit. Ist dir dieses nicht angenehm / so wollen wir beederseits[126] von unseren Freunden Friedliebende und verständige Leute zu Beyständen erbitten / und sie die Abtheilung machen lassen; Wann wir dann die Theil gleichwürdig befinden / so wollen wir das unpartheische Loß darum werffen / und solches zum Richter wehlen / weil es fällt wie der Herr wil. Solte dir aber auch dieses nit gefällig seyn / so wil ich dich selbsten zu meinem Richter leiden: Ich habe so ein gutes Vertrauen zu dir / daß du nichts wirst begehren / was mir zustehet: nimm alles / und gib mir was du selbsten wilt / unnd was dir dein Gewissen sagen wird / das mein Antheil seyn möchte.

6. Frodobert hat sich über diesem friedfertigen und aufrichtigen Vortrag so sehr erfreut / daß er seinem Vettern um den Hals gefallen / ihn geküsset / und ihm das gantze Gut überlassen / seinen Antheil darvon zu wehlen. Nach dem dieser friedfertigen höfliche Rechtfertigung eine Zeitlang gewäret / haben sie den ersten Vorschlag ergriffen / und sind in der Gemeinschafft der Güter verblieben.

7. Wolte GOtt daß alle Strittigkeiten solcher Gestalt verglichen würden / so müssten ihrer viel / die solche papierne Streitkunst erlernet / Hungers sterben; Dann nach der Spanier Sprichwort (necios y porfiados hazen ricos los letrados) nur die Narren unnd Halßstarrigen die Rechtsgelehrte ernehren / verehren und bereichern / welche wie die Wundärtzte von ander Leute Schaden leben. Ja sie sind wie die Cadmi / so mit den Drachenzähnen Krieg außsäen.

8. Hierbey fället mir ein was Paulus Spinola zu Genua geraten / daß die Genueser Savonam nicht leichter und verantwortlicher verderben könten / als wann sie alle ihre Rechtsgelehrten und verdorbne Kaufleute hinschicken würden / welche die Stadt bald außzehren könten. Diesen Rathschlag setzte er bey folgende Fabel: Ein Vogler richtete seine Garne; Den fragte die Ambsel / der einfältigste unter allen Vögeln / was er machen wolte? Der Vogler sagte? daß er eine Statt bauete. Nach dem er nun[127] gerichtet / und sich hinter den Busch verborgen / wil die Amsel solche neue Statt besehen / und wird darüber gefangen. Als ihr nun der Vogler den Hals wil herumb drehen / sagte die Amsel / wann du so verfahren wirst / so werden wenig Bürger in deiner Statt wohnen.

9. Diesem setze ich nach die fast lächerliche Rechtfertigung / wegen deß Gugugs. Zween Gevattern gangen miteinander über Feld / und hören einen Gugug schreyen. Der eine sagte / daß der Gugug wegen deß andern schreyen müsse: Der andre sagte / daß er ein ehrliches Weib / und daß dieses Geschrey ihn betreffe: Uber diesen Zanck kommen sie für den Richter. Der Richter weiste sie zur Schrifftlicher Handlung / weil die Sache Ehre und einen guten Namen betreffe / etc. Nach dem sie nun viel Gelt verrechtet / ergehet das Urtheil / daß der Gugug nicht geschryen wegen deß Klägers / auch nicht wegen deß Beklagten / sondern wegen deß Richters Urtheilgelds / wegen der Advocaten / Procuratoren / Gerichtschreiber und Fronbotten / etc. Gebühr. Dieses Urtheils haben sich beede Partheyen bedanckt / und Abschrift begehrt. Hierauß ist das Sprichwort erwachsen / daß wann einer ohne Ursach eine Rechtfertigung anfängt / daß man zu sagen pflegt / es hat ihm der Gugug geschrien.

10. Der gelehrte Schalck Rabalais räht / daß man um die streitigen Sachen würffeln soll / weil man / sagt er / auch die besten Händel verlieren kan / wann entweder der Richter / oder der die Sache vorträget / (Referens) oder der Advocat / oder der Procurator / oder die Parthey selbsten das nothwendige und dienliche zu der Sache verwarlosen. Im Fall aber auch einem durch den Würfelfall Unrecht geschehen solte; so ist es doch viel erträglicher / als so grosse Unkosten aufwenden / so beharrlichen Haß und Feindschafft tragen / viel versaumen / den Schreibern zu Gnaden gehen / unnd mit unablässigen Sorgen Tag und Nacht gequälet werden. Diese Leute schreiben mit den Adlersfedern / welche alle andere aufzehren / und sihet man / daß die Schweitzer sich bey halb[128] unrechten Urtheil besser befinden / als wir bey unsern Rechtfertigungen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CXXV125-CXXIX129.
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