(XLII.)
Der Klugheit Obsieg.

[152] Ob sich wol vielmehr Gesunde finden welche durch die Krancken angestecket werden / als Krancke / die durch die Gegenwart der Gesunden genesen solten; so geschiehet doch zu Zeiten / daß die Laster / welche deß Gemüts Kranckheiten sind / durch das Gespräch und die Gesellschafft Tugendliebender Personen geheilet / oder ja gemindert werden. Ein Mühlsack kan den Kohler nicht weiß machen / aber wol[152] etliche Kennzeichen anhangen / darbey man sehen kan / daß er in der Mühl gewesen ist. Hat den stinckenden Laster einen so starcken Geruch / daß es dardurch schaden kan; warum solte die wolrůchende Tugend nicht viel stärcker seyn? Die Ursach ist / weil die Menschen viel mehr zu dem Bösen / als zu dem Guten geneigt sind / wie wir aus nachgesetzter Erzehlung zu ersehen haben werden.

2. Ein Frantzösischer Herr hatte zwo Töchter / die sowol wegen ihrer Schönheit / als altadelichem Herkommen nicht wenig Aufwarter und Lobsprecher erlanget. Anaxarchus (also wollen wir diesen Vatter nennen) hatte dieser seiner Kinder Gemüter von langer Zeit hero erlernet / und wuste wol / daß sie so widerig / als Feuer und Wasser. Edelberta die ältste / war sanfftmůtig / still / sittsam / bescheiden / und sonderlich Gottsfürchtig / daß sie fast allen Schmuck für überflüssig gehalten. Invenella aber die jüngere / war eines unruhigen Sinns / frisch / frölich / stoltz / und bemühet / ihr Schönheit durch prächtige Bekleidung scheinbarer zu machen / daß ihr der Name einer kleinen Närrin / welchen ihr ihr Vatter / als einem Kind gegeben / beharrlich verbleiben.

3. Die älteste lachet selten / die jüngste fast unaufhörlich / und wolte haben / man solte sie lernen mit dem Degen und Pistolen umgehen / damit sie ein Jägerin geben / und solcher Königlichen Lusts theilhafftig werden möchte. Edelberta bliebe hingegen zu Hauß / wartete dem Gottesdienst und ihrer Kunstarbeit ab / daß sie ihr Vatter die verständige und gute Haußhalterin genennet. Beede aber verhielten sich also / daß auch der Neid keine Ursach finden mögen / ihnen übel nachzureden / und sie in kein böses Geschrey zu bringen.

4. Unter vielen / so diese Jungfrau begehrt / waren auch Valens und Levin / beede von gleich hohem Stande / deren der erstgenennte in der Blüt seiner Jugend sich in allerley Wollust und Uppigkeit herauß gelassen / viel verzehrt / nicht wenig verspielt / einen Theil weggeschenckt und hingegen an andren Orten aufgeborgt. Zu dem hatte er so wunderliche[153] Quinten und Einfälle / daß man in allen Gesellschafften seiner zu lachen hatte. Dieser Valens wurde von Anaxarcho der Edelberta zugetheilt.

5. Levin hatte ein viel trauriges Gemüt / er war tiefsinnig / fleissig über den Büchern / und wurde für einen von den verständigsten bey Hof gehalten. Juvenella fragte / als man ihr diesen Herrn angetragen / ob ihr Herr Vatter Bley und Quecksilber zusammen mischen wolle? Sie wolte mit ihrer Schwester wechslen / weil gleich und gleich sich besser gatte / und die Vögel gleicher Federn miteinander zu fliegen pflegen.

6. Anaxarchus aber sahe diese Sache durch ein andres Glas an. Er gabe Valens die ältste / unn Levin die jüngste / und wurden ihre hochzeitliche Begängnissen auf einen Tag angestellet / und prächtigst vollzogen. Als nun Anaxarchus nach Hof kame / und der König ihn befragte / warum er so ungleiche Heuraten gestifftet? hat er mit gebührender Höflichkeit geantwortet: Er habe die Verständige dem Narren / und die Närrin dem Verständigen gegeben / der Hoffnung / daß eines Mangel mit deß andern Klugheit gemässiget werden möchten.

7. Also erfolgte auch mit nachgehender Zeit / daß Valens sich von der Edelberta klugen Erinnerung / und reiffen Vermahnung zu einem bessern Leben anführen / Juvenella hingegen mit zuwachsenden Jahren verständiger / von ihrer rasenden Thorheit wendig und von Levin zu einer guten Haußhalterin gemachet worden.

8. Also hatte die Klugheit Anaxarchi obgesieget / und gleichsam Feuer und Wasser in dem Saltz der Weißheit vereiniget / und uns eine Lehre hinterlassen / daß aus der Ehegatten Ungleichheit nicht allezeit ein böser Außgang zu schliessen / und wie das Weib durch den frommen Mann geheiliget wird / also wird auch der Mann durch das fromme und Gottselige Weib gleichsam gerechtfertiget / daß also die Welt und der Haußstand durch die Widerwertigkeit gleichsam verbunden / beharren.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CLII152-CLIV154.
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