(CXII.)
Die vermeinten Ehebrecher.

[44] Viel ist in der Natur / welches allen Menschen unbekandt / viel das wenigen nur bewust ist / und wann Gott nit solche Geheimnissen allen geoffenbaret / ist nit zu zweiffeln / daß der Mißbrauch natürlicher Sachen noch viel grösser seyn würde. Etliche wollen nichts glauben / als was sie sehen / können aber doch nit sehen / was natürlich / und doch unsichtbar ist / als: daß ein Pest-erkrankter einen andern Gesunden anstecken soll / daß ein Zorniger durch das auffwallende Geblüt in eine Krankheit fället / daß ein Pels-Reiß / auff dem Erdstämmer bekleibt und ernehret wird.

2. Wie wir nun einen Fluß sehen daher wallen / aber desselben Quelle nit wissen; also sehen wir vieler Sachen Würkungen / können aber nit erlernen / auß was Ursachen sie herkommen / wie auß folgenden Erzehlungen abzunehmen seyn wird / und gleich so wol unter dem Titul deß redlichen Betrugs könte geführet werden; wann wir uns nit bemüheten / jedesmals die Titul zu ändern / wie anderer Orten auch gedacht worden.

3. Zu Haburg in der Obern-Pfaltz hat sich / wie Landkündig zu getragen / daß ein Pfaff in selbem Städtlein sich in eine ehrliche Burgersfrau verliebet / und sie vielmals angelangt seines Willens zu werden / welches sie beharrlich abgeschlagen / und es ihrem Manne anzusagen gedrohet; Damit aber nit etwann ein grosses Unheil darauß entstehen möchte / und der Mann vermeinen / sie hätte Ursach zu solchem Beginnen gegeben / oder daß er sich an dem Pfaffen zu rächen Ursach nehmen solte / hat sie nichts darvon gesagt.

4. Es fügte sich aber / daß diese Frau eines jungen Sohns geneset / und selben als eine Mutter seugte / dieses konte dem Pfaffen / der das Kind getaufft / nit unwissend seyn / und weil er in seines Liebes-Brunst je mehr und mehr enttzündet war / versprache er der Kind-Bett-Kellerin einen Ducaten / sie solte ihm nur etliche Tropffen von ihrer Frauen Milche zuwegen[45] bringen. Die Kellerin verweigerte solches / weil sie befürchtet / er würde es zu keinem guten Ende begehren.

5. In dem aber der Pfaff nit nachlassen wil / und ihr zween ja endlich drey Ducaten / oder Hertzogspfennige (wie man sie nennet) in die Hand stösset / gedenket sie / diesen vermeinten Ehebrecher verantwortlich zu betrügen / und gibt ihm in einem Gläßlein etliche Tropffen Milch von der Geisse / welche sie damals in dem Hause hatte. Der Pfaff nimmet solches erfreulich an / und vermeint nun gewonnen zu haben.

6. Was er nun mit der Milch gethan / ist unwissend / das aber hat er erfahren / daß ihm die Geise in die Kirchen für den Altar / und biß auff den Predigstuhl nachgelauffen / welches sonders Zweiffel die Frau auch hätte thun müssen / wann er ihre Milch zuwegen bringen können: ja er hat dieses Thiers nicht ledig werden mögen / biß er darfür gegeben / was sie werth / und selbe schlachten lassen.

7. Dergleichen hat sich auch mit einem Mutter-Schwein begeben / welches Milch auch einem solchen vermeinten Ehebrecher / für Frauenmilch verkaufft worden / unnd hat das Schwein für der Haußthür / in welcher der Liebskünstler gewesen / so Tags / so Nachts liegen wollen / daß man es endlich auch hat schlachten müssen. Diese Geschichte ist allen Pfältzern wol bekannt / und ob wol der Pfaff / dessen wir erstlich gedacht / deßwegen von dem Dienst kommen / hat man ihm doch bald hernach eine bessere Pfarr gegeben.

8. Die Ursache dieses ist unempfindliche Einverleibung eines mit dem andern / daher abzunehmen / daß ein Hund / welcher von einem Brod / das einer unter den Achseln erwarmen lassen / isset / demselben nachläufft / weil gleichsam der Schweiß ihme einverleibt wird / und in der Nasen verbleibet; so gar / daß er auch die Fußtritte seines Herrn außspühren / und selber nachlauffen kan. Darauß leichtlich zu erachten / das vorbesagtes mit natürlichen Ursachen hergehen könne.

9. In Frankenland hat ein Haußdieb in einem Dorff, welches die Soldaten geplündert / und nichts übrig gelassen,[46] als etliches gedürrtes Fleisch in dem Rauch hangend / herab genommen / und mit den grossen Bauren Schuhen in die Aschen getretten / daß man die Fußstapffen sehen / und leichtlich ermessen können / daß die Soldaten einem ungetrewen Nachbarn den Vorrath an Fleisch übrig gelassen.

10. Die verlauffenen Leute besagten Hauses kommen wieder / und nimmet die Bäurin den Aschen / in welchen die Fußtritte / südet selben in einem Hafen / und quälet dardurch den Dieb so sehr / daß er kommen / und das gestohlene Fleisch wieder gebracht / um Gottes willen bittend / sie solte doch den Hafen vom Feuer thun / weil alles Geblüt in seinen Leibe gleich demselben süde. Eben dergleichen hat sich auch hier mit einem Gartendieb begeben / der seine Fußtritte in das Erdreich eingedruckt gehabt.

11. Hierbey fragte sich nun / ob man dergleichen Rache an den Verbrechern deß 7. Gebotts / mit gutem Gewissen üben könne. Etliche antworten mit Ja: weil erlaubt ist einen Dieb / der in ein Hauß bricht / auff handhaffter That zu tödten / und solches nit nur nach den Weltlichen / sondern auch nach den Geistlichen Recht / 2. Mose 22. 2. Wann ein Dieb / sagt Moses / ergriffen wird / daß er einbricht / und wird darob geschlagen / daß er stirbt / so soll man kein Blut-Gericht über ihn ergehen lassen.

12. Andre aber behaupten / daß man Gott und der Obrigkeit die Rache lassen soll; daß man mit solchen Sachen / die einer Zauberey gleichen / wann sie auch die Gesundheit / welche mehr als zeitliches Gut ist / wiederbringen möchten / soll unverworren bleiben; weil in dem Zweiffel / ob es Sünde oder nit / viel sicherer selbe zu unterlassen / und weil ein solcher Dieb doch dem Henker nicht entlaufft / und endlich sein Meisterstück an den Galgen kommet; nach dem Sprichwort: Einen zeitigen Dieb erlaufft ein hinkender Scherg.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 44-47.
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