(CXIII.)
Nasen drehen.

[47] Wir pflegen in dem Sprichwort zu sagen / wann man einen etwas glauben machet / das nit ist / man hat ihm eine[47] Nasen gedrehet / und ist diese Art zu reden / sonder allen Zweiffel herkommen / von der neuen Nasmach-Kunst / von welcher zu lesen Stephan Gaumelin / Alexander Benedict / Parcus und andere / die von Wund-Artzney geschrieben haben. Es werden aber solche Nasen von eines andern Menschen Armen gemachet / auff welchen das neubenaste Angesicht / 40. Tage muß gebunden bleiben / alsdann wird die Nasen herauß geschnitten / so groß man sie haben wil. Wie aber eine solche frembde Nasen / wann der Mensch / auß welches Arm sie geschnitten / stirbet / so faulet die Nasen mit ab / wie solches Campanella 1. 4. de sensu rerum f. 308. erzehlet / daß er dergleichen gesehen: also sage ich / kan derer Poß / welchen man mit dem Nasendrehen vergleichet / nit lang dauren / sondern es muß die Warheit mit vielem Gelächter offenbaret werden. Hieher wollen wir nun zwo dergleichen Geschichte erzehlen / und erweisen / daß nicht nur die Aertzte / sondern auch die Juristen Nasen drehen / und ihnen drehen lassen.

2. In einer lustigen Gesellschafft etlicher Teutschen / war ein Saltzburger / der nit gar zu viel Hirn in dem Haupt / und deßwegen von den andern vexiret wurde. Sein Landsmann kame um zu folge genommener Abrede am ersten nach Venedig / und sagte dem Wirth / bey dem weissen Pferde / alle Beschaffenheit dieses blöden Jünglings / und kame erst nach etlichen zu ihm in das Wirtshauß / zu erfahren / wie der Poß angegangen.

3. So bald dieser Storgist angelangt / empfäht ihn der Wirth sehr freundlich / spricht ihm zu / und fraget / wie es seinen Vatter / seiner Schwester und Bruder / die er alle mit Namen nennete / ergienge? Der Teutsche verwunderte sich / daß dieser so viel von seinen Haußgenossen weiß / und als ihn der Wirth absonderlich in eine Kammer geführet / und ihn schwören machen / er wolle geheim halten / was er ihm vertrauen werde / hat er erzehlet / daß er in dem Sommer ein Storch werde / und gegen seines Vattern Hauß über / sein Nest habe; Weil ihme aber von den seinigen viel gutes geschehen / begehrte er sich wider dankbar zu erweisen.[48]

4. Der einfältige Gesell lässet jhme die Nasen drehen / vnd glaubet alles so viel mehr / weil der Würth kein Gelt von jhm nehmen wolte (seine Gesellschafft hatte für jhn bezahlet) vnd mit vielen höflichen erbieten von jhme scheiden liesse. Als nun dieser nach Hauß kommen / sich verheurathet / vnd über der Mahlzeit die Störche auff deß Nachbarn Hause kommen siehet / nimbt er ein Glas / bringt es dem Storch umb Willkomm / (ben venuto Signor hoste, faccio un brindis à V.S. etc.) erzehlet auch den Gästen / daß dieser Storch ein Wirtt zu Venedig bey dem weissen Pferd / etc. darüber alle Gäste lachen / und vermeinen der Herr Bräutigam sey auff der lincken Seiten nicht recht vnder dem Hütlein verwahret.

5. Folgende Nasen ist fast noch länger. Ein gelehrter tapfferer Mann raiste durch Schwabenland / und wurde zu Tische zu reden von dem Bock holen / daß die Hexen einen können auff dem Bock holen lassen / welchem man etwas von seinem Leibe zu werffen / oder darauff an das gebante Ort durch die Lufft reiten müste: Hiervon wurden vnterschiedliche Exempel erzehlet / die sich der Orten solten zugetragen haben / und daß ein solcher Bockreuter nicht lang hernach lebe / etc.

6. Dieses sagte der Doctor ist eine lautere Verblendung deß Satans / und ist er nicht so mächtig / daß er einem Frommen ein Haar krümmen könte. Gott verstattet jhm zwar viel bey den Bösen / doch nicht nach jhrem Willen / und wie es eine jede Hexe begehret / oder gegen Geld zu leisten verspricht / etc. schleust endlich: Ich wolte den Bock ansehen / der mich holen könte; wiewol ich weiß / daß vielmehr die Jungen / als die Alten solcher Gestalt / zu böser Arbeit erfordert werden / etc.

7. Dieses fasset einer von der Gesellschafft zu Ohren / stehet auff / nimbt den Bock der in dem Wirtshauß bey den Pferden stunde / vnd führet ihn in die Kammer / da der Doctor schlaffen würde / bringt jhn auch vnder das Bett / und schüttet jhm viel Habern für / damit er darunter bleiben solte / biß der Doctor sich zu Bette geleget / wie auch geschahe / als er auff gut Teutsch bezechet war.

8. Nach deme nun der erste Schlaff vorüber / der Bock[49] auffgezehret und außgeruhet / kreucht er vnder dem Bett herfür / gehet in der Kammer herum / weckt den Doctor auff / und kommet für das Bett / recket auch seinen langen Bart hinein / und sprang mit den fördern Füssen in das Bett / daß der gute Mann nicht anders vermeinet / es sey ein Bock / der jhn holen wolle. Er ruffte zu Gott brünstiglich / fienge an sich zu trösten / und den vermeinten Teuffel mit Sprüchen heiliger Schrift von sich zu jagen / und war in grossen Aengsten.

9. Als nun solches die andern in der Gesellschafft gehöret / haben sie die Kammer auffsperren wollen; weil er sie aber verriegelt / nicht können hinein kommen. Nach deme er nun der vermeinten Gefahr eine Zeit gewohnet / ist er auff die Gedancken gerathen / daß man jhme mit dem Bock in dem Hause eine Nasen gedrehet / deßwegen einen Muth gefasset / und den Bock von sich geschlagen. Was Gelächter dieser Poß verursachet / ist leichtlich zu erachten.

10. Es ist eine gewisse Regel / daß wann jhrer zween wollen / der dritte muß Narr sein / und sich vexieren lassen. Dieses hat auch erfahren ein Frembder alhier noch lebender Handelsmann / welcher mit etlichen seiner bekandten auff ein Dorf spatzieren geritten / unter Wegs aber haben sie einen Anschlag gemachet / jhme eine Nasen zu drehen mit seinem Pferde / und vorgeben / sein Pferd hätte das Hanen-Geschrey. Der Kauffmann verstunde sich nichts auff die Pferde / fragte was es für eine Kranckheit? Sie sagten daß es wie die fallende Sucht / und wann er nit Hülffe verschaffte / so were das Pferd in 24. Stunden verrecken / er solte nur den Schmied in dem Dorff fragen. Einer von den Dienern war vor geritten / und hatte die Sache mit dem Schmied abgeredet.

11. So bald sie nun ankommen / reitet dieser auff die Schmitten zu / und wird in seiner Meinung bestättiget / das Pferd hab das Hanen-Geschrey / also gennat / weil man den Hanen und Hennen das Blut nehmen / und es dem Pferde über den Rücken streichen müsse / dardurch das Geblüt erfrischet / und das Roß wider zu Kräfften komme. Der einfältig Mann[50] glaubet dieses / und kaufft alle Hüner in dem gantzen Dorff / lässet das Blut zusammen tropffen / und das Pferd mit bestreichen. Der Gesellschafft verehret er die Hüner / darauff der Poß angefangen / und das Pferd kommet wider zu recht / wie er vermeinet / dem Schmied verehret er einen Reichsthaler / und halff er die Artzney verzehren / daß er also mit einer langen Nasen wol vergnüget wider heim geraiset.

12. Wem diese Nasen nicht gefallen / und ein erfreulicher Schertz zuwider ist / der muß erwarten / daß jhme dergleichen begegne. Etliche Sauertöpffe können nicht sehen / daß andre lachen / da doch Salomon der Weise König / auch solchem eine gewisse Zeit bestimmet / und wird das lachen für das eigentliche Kennzeichen eines Menschen gehalten / weil ein Verstand darzu erfordert wird / die Sachen welche lachens wehrt / von andern zu unterscheiden / wie hievon ümständig zu lesen indem CXXXVIII. Gespräch-Spiel.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 47-51.
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