(CXXVI.)
Der Wasser-Trincker.

[94] Wan pflegt zu sagen / die Noth sey der sechste Sinn; weil dardurch mehr als durch alle andre / ergriffen wird; deßwegen jener recht gemahlt einen Hund der durch den Reiff springet / mit der Obschrifft: Was lehret der Hunger nicht? Weil die Seiltantzer und Gauckler durch den Hunger / die Hunde allerhand Künste lehren / und darmit bey dem gemeinen Mann grosse Ehre einlegen / und also in Wirtshäusern und Jahrmärcken ihr Brod darmit gewinnen.

2. Unter allen aber / was uns von solchen Leuten wunderlich fürkommet / ist das seltzamste der Wasser-Trincker / welcher herum ziehet / und / nach dem er viel Gläser mit Wasser eingeschlucket / andre Wasser und Wein darfür herauß sprützet. Weil nun diese Sache vielen Streitursachen unterworffen ist / wollen wir hier eine Erzehlung darvon anstellen / und solches zu mehr verständigen Oburtheil gestellet seyn lassen.

3. Unter denen / welche diese Wasserkunst fůr Geld gewiesen / sind vornemlich drey / ein Malteser / ein Weib in Niederland / und drittens ein Wallon / der in Teutschland herumb ziehet / sein Brod mit Wasser zu gewinnen. Der Malteser nennet sich Blasio Monfredo, ist eine Person von mittelmässiger[95] Grösse / von Nobe / einer Statt in besagter Insel bürtig / seines Alters im 60. Jahre / wiewol scheinet / daß er nur 40. Jahre auff sich habe. Seine Kunst kan er einen Tag dreymal / oder auch viermals weisen. Er lässet sich aber ein Gefäß voll laulichem Wassers bringen / und 15. oder 20. Gläser welche oben weit / und schwäncket erstlich den Mund auß / zu beglauben / daß er nichts zwischen den Zähnen habe.

2. Wann er nun etliche Gläser eingesoffen / so spritzeter herauß ein rothes Wasser / ist aber kein rother Wein / sondern hat nur desselben Farbe. Hernach spritzt er Brandwein / Rosenwasser / Pomerantzenwasser / Anißwasser / weissen Wein / etc. Welches alles in dem Geruch und Geschmack wol zu erkennen; jedoch hat man beobachtet / daß er jedesmal bey dem rohten Wein angefangen / und solchen niemand zuversuchen gegeben: Der Brandwein ist das letzte. Doch nimt er zu Zeiten noch 20. Gläser mit Wasser zu sich / und spritzte dieselben / als aus einem Springbrunnen in die Höhe.

5. Wann man nun dieses beobachtet / so hat man Ursach sich darüber zuverwundern / weil der Magen also beschaffen / daß er selten so viel auffeinander eingiessen lässet / und schwerlich Platz findet / (wiewol ein grosser Unterscheid bey grossen und kleinen Leuten) daß er so geschwind das Wasser kan zu sich nehmen / als ob er solches nur in ein Flaschen gösse / und drittens ist sich zuverwundern / daß er es so geschwind wieder herauß springen kan.

6. Der Cardinal Richelieu hat diesen Monfredo / dessen Schüler die andern alle gewesen / in Verhafft nehmen lassen / und ihm mit dem Strang bedraut / wann er nicht weisen würde / daß seine Kunst natürlich / und nicht teufflisch seye. Der Malteser hat solches in grosser Geheim gethan / und ist hernach wieder auff freyen Fuß gestellet worden / Geld darmit zu verdienen / wie zuvor.

7. Kommet nun dieses Wasser in den Magen und wider auß dem Magen / so ist die Frage / woher die Ordnung und die Veränderung desselben / dann er solches Getrāck gleichsam auß unterschiedlichen Flaschen herfür bringet / als wann[96] einer einen Salat von vielen Kräuter gegessen hette / und solte jedes absonderlich wieder auß den Mund herfürbringen. Es ist auch die Art solches alles streng und gerad außzuspritzen sehr wundersam / welche andern Brechen gantz nit gleichet: deßwegen sie sich sonders Zweiffel von Jugend auf müssen gewehnet haben.

8. Wann nun dieses natürlich zugehet / wie zu glauben / so fragt sich ferner / wie es seyn könne / daß sich das Wasser in so mancherley Art / ja gar in Wein wandle / unn hierüber sind viel und unterschiedene Meinungen / massen ein jeder sich gerne unter dem verwunderten Völcklein herfür thun / und die Ursache sagen wil / welche doch wenig / oder wol keiner erforschen kan. Die ersten halten / daß der Betrug in den Gläsern seye / und daß dieselbe tinctur, den Unterscheid deß Getrancks mache.

9. Andre halten darfür / daß die tinctur zwischen den Zähnen verborgen / und durch dieselbe das Wasser / als auß einer Röhren gespritzet werde / und dardurch so viel unterschiedene Eigenschafften an sich nehme / weil beobachtet worden / daß er den rothen Wein mitten durch den Mund / unn am ersten / die andren Wasser aber allezeit auf den Seiten / wiewol mit Unterscheid / theils mehr rechts / theils mehr lincks / herauß spritzet.

10. Andre glauben dieses / und sagen allein / wie möglich / daß er das Wasser so gar ohne Mühe und sondre Bewegung herauß spritzet? Dieses Ursache mag seyn / die sondre Beschaffenheit deß Magens / welcher Falten haben kan / wie der Thiere Mägen / die wiederkeuen. Er stösset sich auch nit an die Brust / sondern hält in der rechten und lincken 2. Gläser / darein er fast zu gleicher Zeit unterschiedliche Wasser spritzet / die er zuvor in der Apotheken kauffet / wie man von ihm verkundschafftet / aber wol auch zum Schein mag geschehen seyn. Könte nun dieser auß Wasser Wein / oder ja so kostbare Wasser machen / so hätte er nit vonnöthen sich dergestalt zu nehren / sondern könte sich bereichen mit dergleichen Verwandlung / und würde man der Reben und Blumen nicht von thun haben / solcher Wein solte auch aller Auflage und Ungelds befreyet seyn.

11. Man könte sagen / daß dieses eine absonderliche Eigenschafft[97] der Natur / wann nur einer allein solches könte / wie dorten die Dirne von welcher Cardan schreibet / daß sie 2. Maase Wasser getruncken / und selben Tag wol 20. wider von sich gelassen. Wie Maximin der Käyser / welcher 40. Pfũd Fleisch täglich geessen / und viel Töpffe voll von sich geschwitzet. Weil aber das Weib in Niederland und noch andre solches auch können und es gleich machen / wie er / halten viel darvor / er habe gewisse Pulver in dem Serviet verborgen / welches er stetig in den Handen hat.

12. Es ist aber dieses keine neue / sondern ein alte Kunst / weil Cœlius Rhodiginus einen Spruch auß dem Kirchenlehrer Augustino anziehet / in welchem er saget / daß sich etliche finden / die den Leib zusammen zwängen / (wie dieser verborgen mit einen Gurt thun kan) und auß ihren Magen herfür bringen / was sie hinein geschüttet. Wann man aber recht von der Sache reden wil / muß man bekennen / daß dieses alles nur Mutmassungen sind / und daß ein jeder bekennen muß / er wisse die rechte und wahre Ursachen dieses künstlichen Wasser Trinckers / oder vielmehr Wasserspritzers nit / massen die Sache nit in dem trincken / sondern in dem brechen oder spritzen bestehet. Es ist genug / daß wir ihn auff unsern Schauplatz gestellet / und unsere Gedancken darüber eröffnet haben; begehren aber keinen an seiner Meinung zu verhindern; und lernen allein / daß dieses kein ordentlicher Beruff / dergestalt auß Wasser Wein machen / den niemand gebrauchen kan.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 94-98.
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