(CXXX.)
Die Leibes-Stärcke.

[108] Ein müssiger und ein gesunder Mensch wohnen nicht in einer Haut / sagt das Sprichwort / weil zu der Gesundheit / die Ubung deß Leibes so nothwendig / als Essen / Trincken und Schlaffen zu desselben Ernehrung: Deßwegen sagte jener daß die beste Regel und Diet were: Im Schweiß deines Angesichts / solt du dem Brod essen. Zu verstehen / daß die Arbeit und Bewegung deß Leibes / die natürliche Wärme erwecke / durch den Schweiß die bösen Feuchtigkeit außtreibe / und die Stärcke desselben erhalte; massen man viel ältere Arbeiter als Müssiggänger findet / und viel stärckere Leute unter den Bauren / als Edelleuten.

2. Wie sich die jenigen / welche sich von Jugend auff in springen und tantzen üben / leichte und gelencke Leute werden; also auch die / welche sich bemühen grossen Last zu tragen / und grosse Stärcke zu erweisen: wie wir dann lesen / daß Milo Critoniensis sich in seinen jungen Jahren bemůhet ein Kalb zu tragen / und solches mit zuwachsenden Kräfften seines Leibs unn deß Kinds / es endlich dahin gebracht / daß er einen Ochsen auff der Achsel tragen können. Von solcher Leibes Stärcke wollen wir etliche sondre Exempel in dieser Erzehlung anführen.

3. Zu Neapoli war ein Soldat Namens Peter / der setzte auch auff eine Banck / als ob er auff einem Pferd sässe / und liesse auff jeden Fuß einen Mann sitzen / wie auch auff jede Achsel / oder Arm / und hielte die lange Zeit empor. Er truge auch auff jedem Arm / und auff jeder Achsel einen Mann / und gienge unter solchem Last / als ob er so viel Federn auff sich hätte; ja er hube die zween auff den Arm noch über seinen Kopf in die Höhe / man bande ihm auch die Hände mit zweyen Stricke / und zogen 5. Männer zu beeden Seiten / konten jm aber die Arm nit niderreissen. Mit seiner Stirn hat er einen Nagel so tieff in die Wand geschlagen / als mit einem schweren Hammer /[109] doch hatte er die Haut nur ein wenig verletzet / weil der Nagel keine gar breite blatten gehabt.

4. Zehen Personen haben ihm seinen Arm nit beugen können / noch seine Hand auffmachen. Zween Rauber wolten diesen halben Riesen angreiffen; er faste sie aber bey den Hälsen / und stiesse ihnen die Köpffe zusammen / daß das Gehirn auf die Erden spritzte / und sie also tod auff der Strassen gefunden worden. Dieser Starcke war nicht gar groß / hatte ein liebliches Angesicht / unn ein hartes Fleisch / daß man ihn / wann er den Arm außgestrecket / nicht zwicken können. Er sange wol und mit starcker Stimme. I.B. Porta im 4. Buch von der Physiognomia.

5. Mirus meldet von einem der zu Augspurg ein Faß Bier von vielen Ohmen / mit den Zähnen auffgehoben und empor gehalten; daß er auch 3. Nägel / deren ein jeder einen Finger dick / zerwunden / wie einen Zwirnfaden / dieser hat auch das stärckste Bein von einem Ochsen zerbrechen können.

6. Im Jahr 1582. Wurde Mahumet der dritte Sohn Amuraths Sultans beschnitten / und bey solcher Begängniß hat man allerhand Schauspiele angestellet / darunter auch folgende zu Erweisung grosser Leibes Stärcke gewesen. Fünffzig auff Arabisch gewapnete Reuter / mit halben Picken / Bogen und Pfeilen / schiessen nach 4. hohen auffgerichten Stangen / welche sie in dem Lauff mit ihren Seiblen abgehauen / in die Höhe geworffen und mit der Hand wieder gefangen / in vollem lauffen der Pferde von der Erden auffgehoben / und allerhand Kurtzweil damit getrieben.

7. Unter andern waren zween / deren der eine auff seinem Pferd in dem Sattel stunde / und den andern auf sich sitzen lassen / also daß der Oberste in vollem Lauff deß Pferds nach einem Ziel geschossen / und solches auch getroffen. Etliche wendeten sich in dem Lauff auff dem Pferde / daß sie rückwartz zu sitzen kommen / und wendeten sich wiederumb auff die andere Seiten. Etliche stürtzten das Haupt auff den Sattel / nahmen den Zaum in den Mund / und hielten sich[110] mit den Händen an / in dem die Pferde also lieffen. Georg Lebesky ein Pol hat solches alles ümständig in einem absonderlichen Wercklein beschrieben / und vermeldet / daß er zu selben Zeit zu Constantinopel gewesen / und es alles mit Augen angesehen habe.

8. Zu Bamberg hat sich vor Jahren ein Bauer gefunden / welcher auff allen vieren zu gehen pflegen / als ein Thier / und ist auch auff den nechsten Bergen unter den Thieren aufferzogen worden / wie er selbsten bekennet. Dieser Bauer hat so ein jämmerliches Geschrey angefangen / daß die Hunde zu gelauffen / und ihn beissen wollen / welcher Er sich aber mit grosser Stärcke erwehret / und hat ihm keiner fast gleich lauffen können. Auff diesem Bauren pflegte ein Zwerg / als auff einem Pferde zu reiten / den er aber herab werffen können / wann er gewolt. Er thät solche Sprünge / die kein Gauckler nachthun konte. I. Camerarius beschreibet dieses ümständig / cap. 75.

9. Der Printz von Sulmone pflegte zwey Stücke Müntz unter die Knie zu legen / wann er ritte / unnd dumelde die Pferde mit solcher Geschwindigkeit und Stärcke herum / daß er derselben keines verlohre und dardurch erwiese / daß er fest in dem Sattel gesessen / und sich also gehalten / daß er kein Knie verrucket Montaigne aux essais cap. 48.

10. Etliche pflegen im Auff- und Abgehen über etliche Staffel der Steigen zu schreiten / und machen ihnen dardurch ein Ubung / daß sie auch in ihrem hohen Alter solches zu thun vermochten: Daher vielleicht Balsac von Rom nach Pariß an seine Liebste schreibet / sie soll zu ihm kommen; sie werde nicht mehr Mühe haben / über die Alpen zu raisen / als in ihre Kammern außzusteigen.

11. Man weiß auch daß etliche Hufeisen zerrissen oder zerbrochen / doch mögen solches Zauberer oder die Huffeisen zuvor gebrochen gewesen seyn: dann sonsten ein Mann schwerlich solche Stärcke haben kan.

12. Montaigne erzehlet auch / daß sich einer hinder den[111] Sattel auff sein Pferd gesetzet / den Sattel in vollem Lauff auffgegürtet / und auff das Haubt gehoben / nachmals in eben solchem Lauff den Sattel wieder angegůrtet / und sich darein geschwungen. Dieses alles kan ohne grosse Stärcke und sondere Behändigkeit nicht geschehen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 108-112.
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