(CXXXIII.)
Der gůldene Zahn.

[118] Das Geld in dem Seckel / sagt das Sprichwort / dutzet den Wirt: Dann wer Geld hat der ist angenehm / und alle Fehler lassen sich mit einem güldnen Blätlein zudecken. Gold ist das werthste Metall / welches durch das Feur nit abnimmet / wie andre / sondern nach und nach reiner und schätzbarer wird. Gold und Silber sind liebe Gäste / sie bringen die Zehrung mit so lang sie bleiben / wann aber die Soldaten diesen ihren gemeinen Feind außkundschafften / so nehmen sie ihn gefangen / und machen ihn mehrmals durch Karten und Würffel wieder loß. Were also nicht gut / daß ein jeder guldne Zähne hätte / wie der von dem wir sagen wollen / sonsten solten sich noch vielmehr Zahnbrecher finden.

2. Ein Zimmermann und Müller / Nahmens Hans Müller / wohnhafft in Weigelsdorff / einem Flecken in Schlesien / verherrt hinder einem Edelmann Friederich Gelhorn genannt / hatte sich verheuratet mit Hedwig von Endersdorff unferne von Breslau gelegen / diese beede lebten in friedlicher Ehe / wol vergnüget in ihrem geringen Stand.

3. Sie erzeugten einen Sohn / welcher auff diese Welt geboren worden den 22. Christmonats 1585. und in der H. Tauff / hat er den Namen Christoff empfangen / und ist von seinen Eltern mit grosser Auffsicht erzogen und in die Schulgesendet worden / da er mit andren Bauren Kindern sich unterrichten lassen / und wol gelernet.

4. In der Schul nahme ein Kind in acht / daß Christoffels letzter Zahn auff der lincken Seiten gläntzte wie Gold / und als sie solches den andern Kindern sagten / wolten sie alle den Zahn sehen / und erschallet hiervon ein Geschrey / welches auch dem Hertzogen zu Lügnitz / Brige und Münsterberg zu Ohren kommet / wie auch dem Bischoff zu Nissa /[118] welcher diesen Knaben zu sich kommen / und den Zahn von den Wundärtzten besichtigen lassen.

5. Doctor Horst / welcher dieses beschreibt / meldet / daß er selbsten solchen Knaben gesehen / und den güldnen Zahn berühret / da er ihn dann fest und unbeweglich gefunden / und daß der Knab einen dickern Kinbacken / als sonst andre: In dem achten Jahre hatte er alle Zähne / außgenommen den nechsten Stockzahn / vor dem güldnen / deßwegen solcher auch viel leichter zu sehen / und zu betasten war.

6. Er pflegte darauff zu essen / wie mit den andern Zähnen / und wurde der Zahn mit dem Probierstein gestrichen und gutes Gold / daß dem Ungerischen gleich war / befunden. Dieser Knab ist schön von Angesicht gewesen / warmer und trockner Natur / zu seinem Alter verständig und von Leib wol gestaltet, Wie aber das Gold in seinen Mund gekommen / kan kein Mensch ersinnen / und ist allein Göttlicher Allmacht zugeschrieben worden.

7. Etliche haben vermeinet / daß ihm in der ersten Kindheit / als die Zähne noch ermangelt / oder als ihm ein Zahn außgefallen / einer von Gold eingesetzet / welcher in das Zahnfleisch vertheilet / fest worden und also gedienet gleich einem andern; massen man sonsten auch Zähne von Helfenbein wider einsetzen kan.

8. Daß aber dieses nit seyn können / ist auß vielen Ursachen abzunehmen; weil nehmlich der Zahn nit forne / sondern zu Ende deß Zahnfleisches gestanden / da man mit keinen Werckzeuge greiffen können / und das Kind würde den Zahn / wann deme also / nicht unbewegt in dem Munde erdultet haben / daß er hätte fest in das Zahnfleisch einwachsen mögen.

Alles was beschihet / hat unter diesen dreyen Würckursachen eine: Nemlich es ist natürlich / übernatürlich / oder künstlich. Ob es natürlich seye / daß ein Metall in eines Menschen Munde wachsen sol / ist sehr zweiffelhafftig / oder zum wenigsten so selten / daß man dergleichen / ausser diesem Knaben / nicht gehöret hat.[119]

10. Welche es nun für übernatürlich halten / weil sie keine Ursache finden können / irren sich vielleicht auch / und ist nit abzusehen / warumb Gott solches Wunder geschehen lassen. Solte es aber künstlich zugehen / so ist ausser allem Zweiffel / daß diese Kunst andre mehr gethan haben würden / üm Geld damit zu gewinnen; massen die Armut solches und viel anders / wann es nur möglich / zu wegen bringen bemühet ist.

11. Wann wir also unsre Meinung darvon sagen sollen / so halten wir die Sache zwar für natürlich / aber also / daß desselben Ursache / wie vieler andren natürlicher Sachen uns gantz verborgen ist; deßwegen aber nit alsobalden ein Wunderwerck darauß zu machen / wie etliche unverständige zu thun pflegen.

12 . Zum Beschluß dieser Erzehlung wollen wir einen solchen Geschicht-Räthsel von diesem Knaben auffgeben / welchen gewißlich keiner / als deme die Geschicht bekant / aufflösen wird.


Räthsel.


Wer mag doch der Müller seyn /

Der mahlt mit dem güldnen Stein?

Was man sonst trägt in der Taschen

Pfleget er in seinem Mund

Mit dem Bier und Wein zu waschen /

** im trincken

Als den Schatz nechst bey dem Schlund /

Leichter soll man Marmel braten /

Als den Räthselspruch errathen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 118-120.
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