(CXXXVIII.)
Die Wächselbälge.

[135] Das gemeine Sprichwort saget: Es ist kein List über deß Teuffels List. Daß deme also / hat er von Anfang der Welt meisterlich erwiesen / und beglaubet es noch zu Tage / nit nur in den klugen Weltkindern der Finsterniß / sondern für sich selbsten persönlich / in deme er / wie ein erfahrner Fischer einen solchen Anbiß an seinen Angel ludert / welchen er weiß / daß die Weltfische begürigst verlangen; deßwegen man Ursach sich für den trüben Wassern / in welchen dieser Seelenfeind zu fischen pfleget / zu hüten / und herein zu gehen in Lauterkeit und Mässigkeit / etc.

2. Der Teuffel ist der Schlangen-Beschwerer für welchem man die Ohren verstopffen soll; Es ist der Löw so unsren Seelen nachstellet / sie zu verschlingen: Er ist der höllische Nachtjäger / welcher mit seinem Gefänge / ich sage mit den Belials-Kindern anludert / unnd theils auch mit Gewalt in seine Garne jaget. Solches Luder ist die[135] Fleisches Lust / welche Gott dem Herrn ein solcher Greuel / daß er Land und Leute darüber mit Schwefel und Feuer verbrennet / ja ihrer viel tausend durch das Schwert fallen lassen / wie wie wir lesen von den Benjamitern / daß fast der gantze Stamm wegen eines Kebsweibs ausgerottet worden.

3. Ist nun die fleischliche Befleckung mit Menschen / für dem Allerheiligsten eine so straffwürdige Sünde / wie viel verdamlicher werden die jenigen seyn / welche sich mit dem bösen Feinde vermischen / es beschehe solches würcklich oder scheinbarlich; massen unter den Gelehrten unterschiedliche Meynungen / und sind etliche / welche auß Aberglauben alles was sie nit begreiffen können / Gott oder dem Teuffel zuschreiben. Andre aber glauben noch an einen / noch an den andern / und lehren eine solche Art der Geister die eine Mittelnatur zwischen den Irrdischen und Himmlischen Cörpern haben / und deßwegen von beeden einen Antheil / welchen sie einem oder andern gemein machen können.

4. Die Naturverständige wissen die Ursachen anzumelden / welche man den Nachtmännlein zu zuschreiben pfleget / und nit anders ist / als eine Verhinderung und Zuruckhaltung deß Odems / der Stimme / der Bewegung / und eine Beschwerung deß Leibes / daß man vermeinet oder traumet / als lege ein solcher unter Centnerschweren Steinen. Dieses kommet von einen groben Dunst / welcher sich geschwind verziehet / inzwischen aber das jenige in dem Traum bildet / was man verlanget (wie man an den Hungerigen / Blinden und Verliebten siehet /) und vermeinet bey zu schlaffen / welches doch anderst nit / als in der Einbildung geschehen kan / oder daß eine andre Person für welcher man sich fürchtet (als da sind die alten Hexen) solche drucke und betaste; da doch solches alles von den bösen Dünsten / und nicht von den Geistern herkommet.

5 Es ist nun dieses ausser Zweiffel / und bestärcket solche Meinung die Ungleichheit / welche ist zwischen Leib und Geist. Das Leibliche kan von dem Geistlichen Wesen nit leiblich belästiget / oder belustiget / also auch nit geschwängert werden. 1. die Unterscheid der Geschlechte / männlich und weiblich / welche[136] die bösen Geister nicht haben / 2. daß sich Mann und Weib natürlich zusammen thun / und 3. daß das Weib von dem Mann besamet werde / welches kein Geist verrichten kan / als der keinen lebhafften Samen hat. Nun möchte man sagen / der böse Geist kan einen toden Cörper beseelen / bewegen / erscheinen machen / sich in solchen verstellen / und den Samen augenblicklich von andren Orten entwenden / also nicht von dem Seinigen / sondern von fremdem Vermögen / die männliche Gebühr leisten.

6. Hierinnen waltet nun auch ein grosser Zweiffel / und ist gewiß / daß er ohne Gottes Willen und Verhängnis nichts nit kan / und über die Frommen gantz keine Gewalt hat: über die Bösen aber / und sonderlich über die welche Gott verachten / und der Unzucht ergeben sind / hat der Teuffel Gewalt / wie der Engel zu dem jungen Tobia saget cap. 6. vers. 16. 17. und solche mag er betrügen / fast wie er selbsten wil. Sonsten aber ist der Mannssamen so voller Lebensgeisterlein / daß solche augenblicklich zerstieben / wann sie nit von einen Gefäß ohne darzwischen kommenden Lufft / in das andre gesprützet würden.

7. Diesem sey nun wie ihm wolle / so finden sich doch solche Gebürten / welche von dem bösen Geist erzeuget scheinen. Zu geschweigen von der Heyden Geschichten / die mit den Faunen und Satyren / welches nichts / als Waldteuffel gewesen / deren oberster Pan / von den Ebreern genant Haza / (darvon unser teutsches Wort Hex herkommet) von den Lateinern werden die Teuffel in Mannsgestalt Incubi, in Weibsgestalt Succubi benennet / auff Hebreisch Lilith. Eine solche Teuffelsbrut soll gewesen seyn / der Engelländische Cantzler Merlin / ein grosser Zauberer: die Grafen von Boitiers / so von der Melusina hergekommen / die Jagellons in Poln / die Huns in Hungern / so von den Göttischen Faunen Arlun oder Alraun sollen herkommen.

8. Chieze ein Spanischer Scribent meldet in seiner Geschichtschreibung von Peru / daß der Teuffel in ihrer Sprache Corocote genennet / sich mit den Weibern deß Orts würcklich vermischt / und daß die Kinder / welche von solchem Beyschlaff[137] geboren worden / kleine Hörner auff dem Haubte tragen. Bey den Türcken sind die Nefesoliner / welcher Vatter ist der böse Geist / und sie sind ins gemein Schwartzkünstler.

9. Von diesen Leuten schreibet Augustinus der alte Kirchenlehrer / daß der böse Feind die Kinder verwechsle / daher sie auch Wechselbälge unn Kilkröpffe genennet werden (weil es in jrem Kropff stetig kilt) werden an deme erkennet / daß sie nit reden od' lachen / sondern wie ein stück Fleisch nur essen und trincken wollen / werden aber niemals satt / und daran erkenne man sie.

10. Es ist eine Frage: Ob man solche Kinder taufen sol? Die Lehrer deß Worts Gottes sagen ja / weil man sie nit alsobalden erkennen kan / und sol ihnen die Taufe nit versaget werden: wann sie andern Kindern gleich / und kein Merkzeichen ihrer Unart sehen lassen. Sie bringen ihr Alter nicht über 18. oder 19. Jahre / und werden für Gespenster gehalten / dafür ein jeder einen Abscheu hat.

11. Viel vermeinenen solche Kilkröpffe haben keine Seele / sondern nur einen scheinbaren Leib / wie dergleichen zu Dessau gewesen / und zu Halberstatt / darvon zu lesen in den Tischreden D. Luthers am 87. Blat. Was wunderliche Veränderung dieser Tausentkünstler würcken / und wie meisterlich er die Menschen verblenden kan / ist ümständig zu lesen in allen Scribenten / welche von den Hexen geschrieben haben; Kan er auß Stäben Schlangen machen / kan er Unziffer hervor bringen / und sich in einen Engel deß Liechts verstellen / wie solte er nit auch eines Menschen Leben / jedoch ohne Seele / (welche von Gott allein kommet) unter seinen Bundsgenossen / fürstellig machen können.

12. Gewiß ist / daß der böse Geist ein Geist der Unreinigkeit und aller Befleckung ist / deßwegen ist er auch dem Ehestande feind / und suchet denselben auf alle Weise zu hindern. Wann er nun jemand durch den Traum oder Schlaff / welcher wärmet und feuchtet / ohne wissen oder wol auß böser Einbildung / die er vor und in dem Schlaffen gehen gehabt / dahin bringet / daß ihm der Same entgehet / wie die Schrifft redet / so hat er einen Anfang zu seinem Betrug / und ist in dem alten Testament[138] ein solcher unrein gewesen / biß auf den Abend; ja die Heyden haben sich deßwegen mit Wasser gebadet / und es genennet die Träume abwaschen / wie hiervon zu lesen in Cœl. Rhodigin. l.A.L.C.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 135-139.
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