(CXXXIX.)
Der natürliche Zauberer.

[139] Der Betrug ist selten klug / nach dem gemeinen Sprichwort / verstehend / so klug / daß man die Betrüger das Handwerck solte außlernen lassen. Gleich wie nun die Schlangen von Natur so klug / daß sie den Kopff verbergen / weil sie wissen / daß alle Haubtwunden tödlich / die Verwundung deß Leibes aber leichtlich wider heilet: Als solten solche Betrůger nichts mehr als das Haubt verwahren / welches leichtlich durch deß Henckers Strang oder Schwert kan verwundet werden / und kommet das Meisterstück der Kunst an den Galgen / massen einen zeitigen Dieb ein hinckender Scherg ereilet / wie man in dem Sprichwort saget.

2. In der vornehmen Käyserl. freyen Reichstadt Nürnberg hielte sich ein vermöglicher Kauffmann / der theils von seinen Eltern / theils von seinem Handel ein grosses Vermögen zusammen gebracht / mit was recht / ist nit zu gedencken: ein Reicher ist entweder ein ungerechter Mann / oder eines ungerechten Erb; mehrmals ist beedes beysammen.

3. Dieser Valentin / (also war sein Name) hatte einen Sohn / den er in allem Uberfluß / Müssigang und Uppigkeit aufferzoge / daß er also das Junckern Handwerck mit zuwachsenden Jahren erlernet weil der Vatter den Verlag darzu reichlich verschaffte. Nach deß Vatters Tod befanden sich mehr Schulden abzuzahlen als einzunehmen / gestalt es mit den Kaufleuten heist / wie dort Solon gesagt / daß keiner vor dem Tod glückselig zu nennen.

4. Bartholin der von den Schuldnern enterbte Sohn / bliebe eingesetzter Erb der Dürfftigkeit / jedoch liesse er ihm kein trauren das Hertz abstossen / sondern gesellte sich zu seines[139] gleichen leichtsinnigen Gesellen / Gaucklern / Zahnbrechern / Seiltantzern / Taschenspielern / und erlernet von ihnen / wie man den Leuten dz Geld ohne Zauberey / auß dem Beutel storgen und betrügen könte. Er war ein Ertzbub / mit Karten und Würffeln Brodtkünste zu machen / die Nüß unter die 3. Becher zu bringen / und was dieser Leute Ordensbrief mehr außweiset:

5. Nach dem er nun etliche Länder durchwādert / alle Franckfurter und Leipziger Messen besuchet / lässet er sich in einer vornemen Stadt in Schlesien nider / und weil er deß raisens müde / und viel Liebhaber seines Gauckelwercks der Orten fande / nimmet er einen Jungen an / der aller Schelmerey fähig / unn unterweiset ihn / der Hoffnung / daß er solchen Unterricht / mit getreuer Dienstleistung erwiedern solte / wie er auch gethan.

6. Diesem Jungen vertraute er alle Heimlichkeit / weil er ihn probieret und verschwiegen gefunden. Es ist unschwer zu erachten / daß dieser Bartholin einen guten Korb / darinnen er seine schlechte Waare gen Marckt getragen / ich wil sagen / daß er wol schwetzen / und auffschneiden können; ja mehr versprochen / als er zu leisten vermögt; daß er also in den Gesellschafften angenehm / und bey allen Frölichkeiten sich befande.

7. Als er auff eine Zeit versprochen / er wolte etliche verstorbene Geister sehen lassen / hatte er seinen jungen vorgeschicket / und Krebsen oder Schildkroten Wachsliechter auffgekleben / anzünden / und selbe also kriechen lassen. Die gantze Gesellschafft stunden erstaunet von ferne / und sahen die Wachsliechter (welche er Geister nennte) auff den Kirchhoff herum lauffen / verwundern sich darüber und giengen darvon.

8. Zu allen Unglücke wurde dieselbe Nacht in ein Hauß gebrochen und viel kostbare Sachen darauß entwendet. Jedermann schreyet / daß solches der Zauberer mit seinen Geistern müsse gethan haben / und weil die Sache für die Obrigkeit / benebens andern Anklagen wider Bartholin / angebracht wurden / wird den Schergen befohlen / diesen Zauberer zu greiffen und in Verhafft zu bringen.

9. Dieses wird Bartholin bedeutet / und hatte er sich auff[140] eine solche Begebenheit von langer Zeit hero bereit / und in einem Kalter ein Bret / hinder welchem er sich bergen können / außgebrochen / seinen grossen schwartzen Hund aber gewehnet / in denselben Kalter / alle Nacht zu liegen / und weil er Kleider / Mantel und Degen zweymal gleich hätte / und jedesmals eines in dem Kalter hinterlassen / die andre an dem Leib getregen / hat er sich in dem Hause nicht betretten lassen.

10. Die Schergen aber / welche das gantze Hauß durchsuchet / und auch in den Kalter gekommen / sind auff die ungezweiffelte Meinūg geraten / Bartholin sey ein Zauberer der sich unsichtbar gemachet / und habe seinen Geist in diesem Hunde: solchen Wahn bestärckte auch der Hund / in dem er sich wehrte / unn etliche von den Schergen gefährlich angefallen / daß sie die Flucht auß Furcht genommen / und die Kleider nicht darvon bringen können.

11. Bartholin hatte sich inzwischen auff flüchtigen Fuß gestellet / und sich an andre Orten begeben / da er wie zuvor / seiner armen Kunst elendiglich gelebet. Ob er aber dem Hencker in die Hände gefallen / ist nicht bewust. Ohne Zweiffel ist er gestorben wie er gelebt / und lässet man dergleichen Gesellen nit zu dem Sacrament / wann sie nicht von solchem Leben abzulassen und Busse zu thun versprechen.

12. Die Lehr auß dieser Erzehlung kan seyn / was dort der weise Mann sagt: Mein Sohn bleib im Land / und nehre dich redlich / auff daß du habest zu geben dem Dürfftigen / etc. Ein ehrliches Handwerck hat einen güldnen Boden / da hingegen die Meister der 7. freyen Künste oft betteln gehen / und einer der ein gutes Handwerck kan / sich und die seinigen darvon wol ernehren / und in seinen Haußhalten Gottes Segen (der bey unverantwortlichen Sachen nicht ist) täglich verspůret.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 139-141.
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