Vorrede.

[371] Wie sonsten die Schauspiele nicht alle auf einen Tag / und zu einer Zeit gehalten werden können; also haben wir unsre Geschichte in unterschiedene Theile abgesondert / wie so wol in den zweyhundert jämmerlichen Mordgeschichten / als in gegenwertigen Lust und Lehrreichen Erzehlungen ersehen werden kan. Man schreibet / daß die Enden auf dem Fluß Goa / weit in das Meer schwimmen / von dar die Perlen heraus holen. In dieses Welt-Meer darf man sich nicht gar weit hinein wagen / man findet allerhand Lehr- und Lustreiche Geschichte / welche mehr nutzen / als besagte Muschel Töchter / zieren können. Wir haben aber solche gleichsam an vier Schnůre gefasset / ich wil sagen / in vier Theile eingetheilet / und wie nicht alle runde Zahlperle / sondern viel auch ohne Glantz und eckigt sind / die mehr Raum einnehmen / als aus fůllen können; also sind auch diese Erkehlungen gantz ungleich und werden nach deß verständigen Lesers Befindung zu würdigen seyn.

Den Innhalt ins gemein betreffend / bestehet solcher in warhafften Geschichten / welche meistentheils aus fremden Sprachen gezogen / und wann von etlichen schwerglaubigen / wegen solcher / eine Verantwortung erheischet werden solte / sind wir erbietig / solche in den Büchern / aus welchen wir sie geborget zu weisen / ja unter allen folgenden werden sich nur drey befinden / welche dem Gedichte ähnlich scheinen / deßwegen aber ihre Stelle unter den Lust- und Lehrreichen Erzehlungen nit ermanglen sollen.

Viel ist in der Welt / das uns fremd und neu zu hören vorkommet / welches sich doch im Wercke befindet / ob es gleich unsrem Verstand nicht alsobald gemäß erscheinet. Zu deme ist der zu entschuldigen / welcher Teutschen Glauben und Vertrauen / was er gehöret und gelesen / nachsaget / oder in andre Sprache umschreibet / wann es gleich von etlichen Vnerfahrnen in Zweiffel gezogen werden solte. Niemand wird durch solche Geschichte vernachtheilt / und lieget dem Vrheber zweiffelhafften Berichts ob / seinen Beweiß / auf Begehren zu führen: er hat aber keine andre Straffe zu erwarten / als daß man ihm keinen Glauben zustellen / und sich eines bessern berichten lassen / darüber er sich zu erzörnen nicht Vrsach hat.

Zu mehrerer Gleichstimmigkeit dieses Werckleins / haben wir jede Geschichte mit 12. Vorrede. oder absetzen / die / wie der Hebreer Stunden / bald lang / bald kurtz gefallen / verfasset. Wann man aber solche genau rechnen wolte / würde man nicht nur hundert / sondern vielleicht noch so viel absonderlicher Erzehlungen finden / die meinsten Theils wegen kurtzen Verlauffes / keine eigene Titel haben / und in dem vollständigen Innhaltes-Register ordentlich aufzusuchen seyn.

Ferners ist hier zu erinnern / daß bey allen vier Theilen der Außgang oder Eingang uden Geschichten auf vielerley Weise gezieret ist / als der Erste mit Lehren und Anmerckungen / wie sich solche zu nachgehender Erzehlung schicken wollen. Der Zweite mit Sprichwörtern und derselben kurtzen Außlegungen / der dritte Theil endet und fänget an von Rähtseln / nach Gewonheit der Italianer und Hispanier / daraus auch etliche abgesehen und in Teutsche Reimen gebracht worden. Deß vierten Theils Eingang bestehet jedesmals in einem Gleichniß / so zu weilen der Grund einer Rähtsel / oder eines Sinnbildes zu seyn pfleget.

Zu Vollführung dieser Geschichte hat uns angemahnet die allgemeine Beliebung mit welcher der erste Theil ist aufgenommen worden; deßwegen wir aber unsrer übelgeschnittnen Feder / daraus dieses Wercklein nach und nach geflossen / keinen Verdienst beymessen / sondern die Wenigkeit und Vnwůrdigkeit desselben gerne bekennen: In dem vergnůget / daß wir die Liebe zu unsrer edlen Muttersprache auch auf diese Weise / beglaubet zu haben vermeinen.

Es ist mir nicht unwissend / daß etliche Bücher von Exempeln an deß Tages Liecht gekommen / handlen aber meinsten Theils von der Griechen und Römer Geschichten / welche denen / so das Latein bekant / bereit wissend und gemein / daß es also Vbersetzungen aus den Florilegijs oder Theatro Zvvingeri, etc. Dieser unsrer Geschichte aber ist keine in Teutscher Sprache / so viel uns wissend zu lesen / etliche wenige aber mögen in seltnen Lateinischen Scribenten zu finden seyn / wie wir solche beygesetzt. Die andern alle haben wir aus dem Frantzösischen / Italiänischen und Spanischen gedolmetschet / unnd mit vielen Anmerckungen aus der Naturkündigung unnd Sitten Lehre / wie auch unterschiedlichen Geschichten verabfasset.

Der geehrte Leser geruhe die befindlichen Fehler dieses Werckleins mit seiner gůnstigen Gewogenheit zu ersetzen / zu welcher wir uns hiermit dienstlich befehlen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CCCLXXI371.
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