(CLXXXI.)

Der bestraffte Diebstal.

[651] Es gieng ein armer Hirt an einem Ufer eines grossen und ungestümmen Wassers / hütend ein[651] Hauffen weisser Gänse. Zu diesem kam der Tod über Wasser /und wurde von dem Hirten gefragt: wo er her komme / und wo er hin wolle? Der Tod antwortete / daß er aus dem Wasser komme / und aus der Welt wolle. Der arme Gänßhirt fragte ferners: wie man doch aus der Welt kommen könne? Der Tod sagte / daß man über das Wasser in die neue Welt müsse / welche jenseits gelegen. Der Hirt sagte daß er dieses Lebens müd / und bate den Tod / er solte ihn mit über nehmen. Der Tod sagte / daß es noch nicht Zeit / und hätte er jetzt sonst zu verrichten.

2. Es war aber unferne davon ein Geitzhals der trachtete bey Nachts / auf seinem Lager / wie er doch mehr Geld und Gut zusammen bringen möchte / den führte der Tod zu dem grossen Wasser und stiesse ihn hinein: Weil er aber nicht schwimmen konte / ist er zu Grunde gesunken / bevor er an das Ufer kommen. Seine Hunde und Katzen so ihm nachgelauffen / sind auch mit ihm ersoffen.

3. Etliche Tage hernach kame der Tod auch zu dem Gänßhirten / fand ihn frölich singen und sprach zu ihn: Wiltu nun mit? Er war willig / und kam mit seinen weissen Gänsen wol hinüber / welche alle in weisse Schafe verwandelt worden. Der Gänßhirt betrachtete das schöne Land / und hörte / daß die Hirten der Orten zu Königen würden / unn in dem er sich recht ümsahe kamen ihm die Ertzhirten Abraham /Isac und Jacob entgegen / setzten ihm eine Königliche Kron auf / und fůhrten ihn in ihr Hirten Schloß / aldar er noch zu finden.

4. Dieses Lehrgedicht bedeutet der Gottlosen und Frommen jetzigen und künfftigen Zustandt: Sie leben ungleich und sind nach dem Tod wieder unterschieden. Die Bösen leben wol / und trachten den Nechsten ům das Seine zu bringen: Die Frommen leben hier übel und vergnügen sich in ihrem Zustand. Jene erschrecken nicht eine Stunde für den Tod: diese verlangen nicht mehr als zu sterben: werden auch zu ihrer Zeit in die ewige Seeligkeit / wie jene in die ewige Verdamnis versetzet / wie nachgehende Erzehlung mit mehrerm darthun sol.[652]

5. In Steyrmark hat sich bey annoch wärender Einlagerung deß Kriegsvolks begeben / daß ihre zween /von ihren Nachbaren (welcher ein Müller oder wie andre berichten / ein Zimmermann gewesen) Korn zu entlehen begehren / weil sie aufgezehret und sich und ihre Kinder / wie auch ihre Soldaten ferners nicht er nehren könten / und wol wusten / daß dieser Müller überiges Getreid aufbehielte.

6. Der Müller oder Zimmermann (an diesem Umstand ist wenig gelegen) versagte ihnen ihre Bitte: einwendend / daß er sein Getreid selbsten von nöhten / und wann er auch was übriges haben solte / so könne er solches nicht verleihen / sondern müsse es versilbern und seinen Soldaten darmit bezahlen. Hierüber erzörnen sich die beeden Entlehner / und bedrauen ihn / nach langem Wortwechsel / daß sie das / was sie freundlich bitten / wol feindlich nehmen können etc.

7. Der Müller war ein behertzter Mann und wuste wol / daß sie solches heimlich diebischer weise bey Nachts thun müsten: wachte deßwegen auf seinen Boden / als ein Haußvater / der wartete / zu welcher Stunde die Diebe kommen würden. Er nahme zu sich seine Zimmer Axt / welche ihm ein Gewehr / darmit er ümzugehen wuste / und solche fast täglich zu fůhren pflegte / massen die Müller das Zimmer Handwerk verstehen müssen / wann sie anderst Nutzen zu schaffen vermeinen.

8. Dieser nun hatte sich in seinem Wahn nicht betrogen gefunden: dann folgende Nacht die Diebe eine Leiter angelehnet / und ist der eine hinauf gestiegen /durch das Fensterloch / oder sonsten durch das Dach hinein gekrochen / und einen Sack mit sich genommen / das Getreid seinen Nachbaren zu entwenden. Der andre hat die Leiter gehalten / willens hernach zu steigen / oder den Getreid Sack herab zu lassen.

9. Der Müller sihet diesen mit halben Leib in seinem Dach stecken / ergreifft die Axt / und haut dem Dieb in einem Streich den Kopf ab. Der andre sihet[653] seinen Gesellen noch hinein / noch heraus steigen /und eilet / nach dem er ihn etlich mahls geruffen / die Leiter hinauf / der Meinung die Sache besser zu verrichten: als er ihn aber bey den Kleidern ziehet / fället der Leichnam ohne Haubt ruckwarts die Leiter hinab /und schläget den Diebsgesellen gleichsfals zu rücke.

10. Wie dieser erschrocken / als er seinen Mit-Dieb ohne Haubt gesehen / ist unschwer zu ermessen / die Hoffnung zu dem Getreide liesse er sinken / und gabe die Flucht / damit er vielleicht nicht auch den Kopff verlieren möchte. Der Müller aber nimmt das Haubt /so er dem Dieb abgehauet / und stösset es in den Sack / welcher mit dem Korn hat sollen gefüllet werden /sendet es deß entleibten Weib und lässet ihr sagen /wie es mit seinem Tod daher gegangen / und daß deme also / werde der andre Nachbar können Zeuge seyn.

11. Das Weib erstaunet über solcher Beschickung /und laufft alsobald / diesen Fall der Obrigkeit anzumelden / welche dahin schicket / und durch ihre Diener den Leichnam besüchtigen / auch wegen dieser Geschicht Erkündigung einziehen lassen. Nach Befindung der Sachen wird der Müller freygesprochen /massen nach Mose Landrecht 2. Mos. 22. 2. Wann ein Dieb ergriffen wird / daß er einbricht / und wird darob geschlagen / daß er stirbt / so sol man kein Blutgericht über ihn ergehen lassen. Dieses wird auch in weltlichen Rechten bestättiget. Der Diebsgesell ist mit der Flucht entkommen.

12. Nicht ferne davon haben sich die Soldaten bey einem Landmann lustig gemachet / und ihm die Frau gebulet / welches sie auch in ihres Mannes Gegenwart geschehen lassen. Darüber eiferte nun der Mann / und gedachte sich zu rächen. Zu solchem Ende gabe er ihnen vom stärksten Getränke / und als sie wol gezecht / und in dem ersten Schlaffe lagē / stehet er auf und zůndet sein eignes Hauß an etliche Orten an / daß seine Ehebrecherin mit den Soldaten verbrennen[654] můssen: wol wissend / daß er bey den Befehlhabern keinen Verhelff / wegen zugefüger übels haben würde. Ob er deßwegen gestraffet worden / ist nicht vermeldet.


Mars kommet aus deß Teuffels Thron

nimmt die Contribution /

und erzeuget einen Sohn

der genennt Soldaten Lohn:

Alles Unheil kommt darvon.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 651-655.
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