(CLXXXIV.)

Die merckwürdigen Traume.

[661] Ein frommer Mann wůnschte ihme das Zukůnfftige zu wissen / und empfinge von Gott zween Spiegel: einen von Staal / den andern von Glaß. In dem von Staal sahe er den Tod ruckwarts mit einer[661] königlichen Bekleidung / und erschrack darüber. Auf eine ander Zeit sahe er den Tod in Sammet und Seiten / wie einen reichen Mann / jedoch auch ruckwarts und erstaunte darob. Wiederum sahe er den Tod auf der Seiten gewaffnet und bewehrt / und fürchte sich für ihm. Endlich sahe er den Tod mit den Leichtüchern Christi umhüllet / in das Angesicht und freute sich darob. Den gläsern Spiegel liesse er aus den Händen fallen / daß er also bald in viel Stücke zerdrümmert / deren jedes sein Angesicht absonderlich gezeichet.

2. Hierdurch werden verstanden die übernatůrlichen Warnungs Traume / welche ins gemein unsren /oder unsrer Angehörigen Tod fürweisen: und die natůrlichen Traume / die uns mit zerbrochnen Bildungen zeichen / was wir zuvor gethan oder gesehen. Diese Traume sind nicht hoch zu achten / und von den ersten leichtlich zu unterscheiden: gestalt die übernatůrlichen Traume gegen Morgen beschehen / nicht leichtlich vergessen werden / sondern grosses Nachsinnen verursachen / sich auch mit vorhergehendem Thun keines weges vergleichen lassen / oder daß man einen Traum zu unterschiedlichen Zeiten wieder sihet. Von solchen Traumen welche den Frommen von Gott / den Bösen aber von dem Satan eingegeben werden / wollen wir etliche Fälle aufmerken.

3. Catharina von Medicis / Königin in Frankreich /traumete die Nacht vor ihres Herrn Tod / daß man selben ein Aug aus dem Haubt schneide: deß folgenden Tages hat der Graf von Montetkommeri / nach dem er ihm befohlen daß er wieder ihn rennen solte / durch einen Spreussel von der zerbrochnen Lantzen / welch er in das nicht gar zugeschlossne Viesier gesprungen /so hart verwundet / daß das Haubt dadurch erschöllt /unn der König wenig Tage hernach die Welt gesegnet.

4. Deßgleichen traumte dem Marschal Monluc /eben selbe Nacht vor dem Turnier / wie er den König auf einem Stuel sitzen sehen / und[662] daß er ihn nicht wol erkennen mögen / weil sein Angesicht mit Blut besprengt / und hörte sagen / daß er todt oder doch tödtlich verwundet were. Uber diesen Traum betrübte er sich sehr / und erzehlet ihn seinem Weibe und seinen Freunden. Vier Tage hernach ist die Post durch Nerac gekommen / und hat ihm diesen Traum ausgeleget. In seinen Commentariis am 299. Blat.

5. Cælius Rhodiginus erzehlet / daß er in dem 22ten Jahr seines Alters getraumet / wie ein Spruch in dem Plinio zu verstehen / welchen er lange Zeit habe nachgedacht / und solchen doch nicht begreiffen können. Ja das Blat / wo er stünde / hatte vergessen / und durch den Traum wieder gefunden / benebens auch Anweisung erlangt / daß von diesem Spruch meldung zu finden auf einem alten Pergamen bey einem seiner Freunde: welches alles bedeuter massen eingetroffen. In seinem 27. Buch am 9. Capit.

6. Baptista Hieronimi Cardani / deß berümten Artztes zu Meyland Vetter / studirte zu Pavia / und erwachte einsten bey der Nacht / willens Feuer zu schlagen mit seinem Feuerzeug. In dem hört er eine Stimme sagen: Gute Nacht mein Sohn / ich ziehe nach Rom. Es bedůnkte ihn auch er sehe einen Buschel Holtz angezündet. Hierüber erschrickt er und verkrichet sich wieder unter sein Bett Decke / verbleibend die gantze Nacht in grossen Furchten. Morgens erzehlt er diesen Traum weinend / und sagte / daß solcher seiner Mutter Tod bedeute. Folgenden Tages bekommet er Zeitung / daß seine Mutter eben um die Stunde gestorben / in welcher er die Stimm gehöret /und das Feuer gesehen. Card. l. 15. c. 84.

7. Conrad Gesner ein berühmter Mann zu Zürich traumte daß ihn ein vergiffte Schlange gebissen hatte: bald darauf ist er an der Pest gestorben. Jos. Simler in seinem Leben.

8. Johannes Oporinus der berühmte Buchdruck er zu Basel traumte / daß ihm eine Schlaguhr von dem Haubt auf die Brust herab fiele und einen[663] sehr lieblichen Klang von sich gebe. Bald hernach hat ihn der Schlag getroffen / daß er mit diesen Worten verschieden: Wie ist die Güte deß HErrn so groß!

9. Thomas Payen war von Perugia verjaget / und von einem Haubtmann Braccio genamt / verfolget /dieser traumte zum drittenmahl / daß ihm sein Feind nachgehe / und daß er sich gegen ihm vertheidige und in den Hals steche. Dieses erfolgte nachgehenden Tag / daß Braccio gestochen / ob der Wunden den Geist aufgeben můssen.

10. Petrarcha meldet für gewiß / daß ein Italiener getraumet / es habe ihn ein steinerner Löw todt gebissen. Als er folgenden Tag zu Padua bey dem Tempel welcher der H. Justina gewidmet ist verbey gegangen / hat er seinen Gesellen den Traum erzehlet / und in der Erzehlung die Hand in des marmolsteinern Löwen Rachen gestossen / sagend / daß dieses sein Feind in dem Schlaff gewesen. Es war aber ein Scorpion in deß Löwen Rachen verborgen / der den Studenten also gestochen / daß er sterben müssen.

11. König Heinrich der dritte sahe drey Tage vor seinem Ableib / daß seine Kron / Scepter / Königlicher Rock / etc. von einem Mönichen mit Blut bespreng / und mit Fůssen getretten wurde: Als er solchen Traum dem Abbt von S. Denis erzehlte / bate er der König wolte sich wol in acht nehmen und gute Wacht halten lassen: Es ist ihm aber der Traum doch wahr worden / und hat seinen Tod / welcher durch einen mörderischen Jacobiner erfolget / nicht verhüten können. Pouys Guyon. l. 2. c. 24. divers. legons.

12. Augustin Curion ein gelehrter junger Mensch /ist ein hefftiger Fluß auf die Brust gefallen. Seinem Vater aber und seiner Mutter hat getraumet wie folget. Der Vater sahe im Schlaff eine Perle in einer Muschel / welche sehr vollkommen / als er solche recht besichtiget / hatte es kein Löchlein darbey man es anfassen und gebrauchen können. Die Mutter traumte / daß ihr Sohn weren zu Aschen verbrennet / und[664] hette sich in ein kleines Kind verwandelt / welches für ihren Augen verschwunden were. Jenes bedeutete / daß Curion in dieser Welt nicht dienen solte / und dieses /daß sein Leib verwesen / die Seele aber wieder zu Gott kommen würde der sie ihme gegeben.


Einer sagte daß der Traum /

were deß Gehirns Schaum

und daß nichts darauf zu achten /

weil ihm solches offt getraumt.

Andre diese Red verlachten:

das sein Hirn auch geschaumt /

wie auf solches Traumes Grund

seiner Meinung Ursach stund.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 661-665.
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